"Das Internet ist kein rechtsfreier Raum"
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Die Viernheimer SPD-Politikerin Christine Lambrecht (54; Foto: dpa) ist Bundesjustizministerin.
Sie wollen Netzanbieter verpflichten, enger mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren. Was planen Sie konkret?
Provider sind bereits heute durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtet, strafbare Inhalte zu sperren oder zu löschen. Das reicht aber nicht. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, hier gelten die Gesetze genauso wie in der analogen Welt. Beim Verdacht schwerer Straftaten, etwa Morddrohungen oder Volksverhetzungen, muss deshalb auch strafrechtlich ermittelt werden. Ich werde die sozialen Netzwerke verpflichten, solche Einträge beim Bundeskriminalamt zu melden. Die Provider sollen aber nicht die Arbeit der Ermittlungsbehörden übernehmen. Die Staatsanwaltschaft entscheidet in dem weiteren Verfahren, ob es sich um einen strafbaren Inhalt handelt.
Es gibt Kritik an den Plänen, vor allem, was die Weitergabe von Bestandsdaten wie Passwörtern angeht. Jetzt wollen Sie das Gesetz noch einmal ändern. Rudern Sie zurück?
Im Gegenteil. Die Regelungen sind sehr komplex, das hat dazu geführt, dass es in der Debatte viele Missverständnisse gibt. Schon heute müssen Unternehmen Auskünfte über Bestandsdaten und auch über Zugangscodes und Passwörter erteilen, wenn das notwendig ist, um Beweise für Straftaten zu erlangen. Wir werden im Gesetz klarstellen, dass eine Passwort-Abfrage in Zukunft nur nach Anordnung durch ein Gericht erfolgen darf. Es darf dabei auch nur um die Verfolgung oder Verhinderung schwerster Straftaten wie zum Beispiel Kindesmissbrauch, Mord und Terrorismus gehen, nicht etwa um Ordnungswidrigkeiten. Passwörter müssen wie bisher verschlüsselt vorgehalten und auch übermittelt werden. Eine Abschwächung der IT-Sicherheit wird es nicht geben.
Das alleine wird sicherlich nicht ausreichen, um Hass und Hetze im Internet zu bekämpfen. Was muss darüber hinaus noch geschehen?
Das von mir vorgeschlagene Maßnahmenpaket enthält verschiedene Elemente. Dazu gehört zum einen die Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes durch eine Meldepflicht insbesondere bei Morddrohung und Volksverhetzung. Darüber hinaus sollen öffentliche Beleidigungen im Internet härter bestraft werden können. Im Internet fängt eine Person mit einer Beleidigung an, und andere fühlen sich dazu aufgefordert, noch widerlicher zu werden.
Die Generalsekretäre der Parteien beraten darüber, wie Politiker besser gegen Hass, Hetze und Gewalt geschützt werden können. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Wenn Politiker eingeschüchtert werden und mundtot gemacht werden sollen, gerät unsere Demokratie in Gefahr. Wir müssen auf allen Ebenen hiergegen vorgehen. Es ist gut, dass SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil die Initiative für eine Beratung dieses wichtigen Themas auch auf Ebene der Parteien ergriffen hat. Demokraten müssen hier zusammenstehen. In der Bundesregierung werden wir mit unserem Gesetzespaket an verschiedenen Stellen ansetzen: Kommunalpolitiker, die besonders stark Hass und Hetze ausgesetzt sind, sollen in Zukunft in den besonderen Schutz von Paragraph 188 des Strafgesetzbuchs aufgenommen werden. Er gilt momentan bereits für Bundes- und Landtagsabgeordnete, aber ausgerechnet für Kommunalpolitiker nicht. Aber nicht nur Kommunalpolitiker müssen besser geschützt werden: Angriffe auf Personal in Notfallambulanzen werden künftig so streng bestraft wie bei Rettungskräften im Einsatz. Wir werden darüber hinaus ausdrücklich ins Gesetz schreiben, dass nicht nur rassistische und fremdenfeindliche, sondern auch antisemitische Motive strafschärfend zu berücksichtigen sind. Das ist ein wichtiges Signal für Staatsanwaltschaften und auch Richter, noch einmal genau hinzuschauen. Ich begrüße ausdrücklich, dass bayerische Staatsanwälte die Ermittlungen bei Anzeige von Taten mit antisemitischem Hintergrund nicht mehr wegen Geringfügigkeit einstellen wollen. Die strafrechtlichen Maßnahmen zur Bekämpfung antisemitischer Straftaten sind wichtig, ebenso wichtig ist aber auch die richtige Haltung gegenüber jeder Form von Antisemitismus. Das ist unser aller Verantwortung.
Sie wollen gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey eine Frauenquote für Dax-Vorstände einführen. Wie weit gehen Ihre Pläne?
Die gesetzliche Quote von 30 Prozent Frauenanteil für Aufsichtsräte wirkt bereits und ist ein großer Erfolg. Im Vorfeld gab es große Sorge, nicht genügend qualifizierte Frauen zu finden. Das ist widerlegt. Es hat sich gezeigt, dass in diesem Land genügend qualifizierte Frauen gibt, um die Quote sehr leicht zu erfüllen. Es wurde damals aber keine Quote für Vorstände beschlossen. Unternehmen sollten selbst entscheiden, welches Ziel sie hier erreichen wollen. Wir haben nun die Zielvorgaben erhalten. Sie lautet bei knapp 70 Prozent aller Unternehmen: Keine Frauen! Es zeigt sich, dass viele Unternehmen Gleichstellung gar nicht als Ziel haben und den Sachverstand von hoch qualifizierten Frauen grundsätzlich ablehnen. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf. Unser Vorschlag: In paritätisch mitbestimmten, börsennotierten Unternehmen, in dem der Vorstand mindestens vierköpfig ist, sollte mindestens ein Platz mit einer Frau besetzt sein. Es geht nicht um eine Quote, sondern um eine Mindestbeteiligung. Gleichstellung ist ein grundgesetzlicher Auftrag. Dem sind wir verpflichtet. Mit einer entsprechenden Regel wollen wir ihn erfüllen.