IEP-Index

Der weltweite Terror geht zurück

Weniger Tote in Afrika und Asien - In Europa ist die Zahl der Opfer allerdings gestiegen

15.11.2017 UPDATE: 16.11.2017 09:30 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden
Terroranschlag-Übung der Bundespolizei im Bahnhof Lichtenberg in Berlin. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Von Christoph Meyer und Silvia Kusidlo

London. Die Zahl der weltweiten Terroropfer ist im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge gesunken. In Europa sind hingegen so viele Tote zu beklagen wie seit Jahren nicht mehr: 826 Menschen starben bei 630 Attacken, vor allem in der Türkei. Das geht aus dem Globalen Terrorismus Index der Denkfabrik IEP (Institute for Economics and Peace) mit Sitz im australischen Sydney hervor, der am Mittwoch in London veröffentlicht wurde.

Karte zum Global Terrorism Index. Grafik: S. Scheffer, Redaktion: J. Schneider

Weltweit kamen dem Report zufolge 25.673 Menschen im vergangenen Jahr bei terroristischen Anschlägen ums Leben. Das waren 13 Prozent weniger als im Jahr zuvor und 22 Prozent weniger als noch 2014. Angesichts der militärischen Niederlagen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und dem Irak sieht das IEP bereits einen Wendepunkt im Kampf gegen islamistischen Extremismus gekommen.

Anders sieht die Lage in den europäischen Ländern aus: Dort gab es im vergangenen Jahr mit 826 Toten fast 60 Mal so viele Opfer wie 2002, davon allein 658 in der Türkei. Vor 15 Jahren gab es nur 14 Todesopfer in Europa. Seit 2002 hätten 200 verschiedene Terrororganisationen Anschläge in Europa verübt, darunter die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und der IS. Die Experten sehen aber zumindest Anzeichen für einen Rückgang 2017.

Hintergrund

Die Denkfabrik "Institute for Economics and Peace" im australischen Sydney versucht, Fakten über Krieg und Terrorismus in messbare Größen zu übersetzen. Im fünften Jahr in Folge hat sie nun

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Die Denkfabrik "Institute for Economics and Peace" im australischen Sydney versucht, Fakten über Krieg und Terrorismus in messbare Größen zu übersetzen. Im fünften Jahr in Folge hat sie nun den Globalen Terrorismus-Index veröffentlicht. Darin analysieren die Experten Zahlen über Opfer und den wirtschaftlichen Schaden durch Terror weltweit.

Ähnlich versucht die Denkfabrik auch, das Maß an Frieden und die wirtschaftlichen Vorteile daraus zu messen. Dafür veröffentlicht das Institut seit 2007 jährlich einen Globalen Friedens-Index.

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Außerdem gelinge es den Sicherheitsbehörden immer häufiger, Anschläge zu verhindern. Probleme bereiten Attacken, die mit einfachen Mitteln durchgeführt werden können, etwa mit Fahrzeugen. So raste im Dezember 2016 ein Mann aus Tunesien gezielt mit einem Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt, zwölf Menschen starben. Ähnliche Anschläge gab es in Großbritannien in diesem Jahr. Der Inlandsgeheimdienst M15 sprach von einem dramatischen Anstieg an Bedrohungen. Insgesamt hatte es dort 2017 fünf Terroranschläge gegeben.

Die meisten terroristischen Aktivitäten spielen sich aber in Afrika, dem Nahen Osten und Asien ab. Dort ging die Zahl der Toten 2016 in vier der fünf am stärksten betroffenen Länder teils drastisch zurück - im Schnitt um 33 Prozent. Den stärksten Rückgang mit etwa 80 Prozent verzeichnete dabei Nigeria. Ursache sei vor allem eine internationale Militäroperation gegen die Terrormiliz Boko Haram, heißt es in dem Bericht. Auch in Pakistan, Syrien und Afghanistan starben weniger Menschen.

Kein positives Bild zeichnet sich dagegen im Irak ab. Dort stieg die Zahl der Terroropfer nach Angaben des IEP um 40 Prozent auf 9765. Verantwortlich dafür war vor allem der IS. Auch global gesehen ist die Zahl der Terroropfer der Dschihadistenmiliz im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte gestiegen. Demnach hatte der IS 2016 mit mehr als 9000 Toten - den meisten davon im Irak - sein bisher blutigstes Jahr.

Gestiegen ist auch die Zahl der Länder, die von Terrorismus betroffen sind: 2016 waren der Studie zufolge in 77 Ländern Terroranschläge zu verzeichnen - und damit in mehr Ländern als jemals zuvor seit dem Beginn der Aufzeichnungen der Global Terrorism Database vor 17 Jahren. Die Autoren des Index nannten diese Entwicklung "beunruhigend".

Den weltweiten wirtschaftlichen Schaden, den der Terrorismus angerichtet hat, beziffern die Experten auf mindestens 84 Milliarden US-Dollar (umgerechnet 93,6 Milliarden Euro) für das vergangene Jahr. Dies sei aber noch eine sehr konservative Schätzung, betonen sie.

Auf ein besonderes Problem machte die Extremismusforscherin Michaela Köttig aufmerksam: Wenn sich ein junger Muslim plötzlich für radikale Ideen begeistert, gibt es für die betroffene Familie nicht immer genügend Hilfe aus der eigenen Religionsgemeinschaft. "Wir erleben leider oft, dass sich Imame und muslimische Sozialarbeiter abwenden, wenn sich andeutet, dass sich in einer Familie in ihrem weiteren Umfeld ein junger Mensch radikalisiert", sagte die Professorin an der Frankfurter Fachhochschule. Der Grund für dieses Verhalten sei meist die Angst, ebenfalls unter Extremismusverdacht zu geraten.