Von Olaf Neumann
Die Haut zäh wie Leder, verziert mit Tätowierungen, die die Oberarme noch muskulöser erscheinen lassen: Peter Maffay wirkt nach außen hart und cool, doch der Schein trügt. Der Sänger, der sich vom Schlagerstar zum Rocker wandelte, hat in der Coronakrise ein besonderes Album zusammengestellt: "Peter Maffay und" enthält neue und alte Duette des Rumäniendeutschen – unter anderen mit Udo Lindenberg, Zucchero, Johannes Oerding, Hartmut Engler, Laith Al-Deen, Katie Melua und Karat. 2021 will er wieder auf große Tournee gehen. Mit dem 71-Jährigen sprachen wir über die Abwertung der Kultur, Rechtsradikalismus und Hoffnung in Zeiten der Krise.
Herr Maffay, das ungewöhnliche Duett "Für immer jung" singen Sie gemeinsam mit Fans. Wie viele wollten da gern mitmachen?
Peter Maffay: Genau 177 Fans haben sich an der Aktion beteiligt. Als wir die ersten Videos bekamen, war ich total begeistert. Daraus haben wir dann diejenigen ausgesucht, die in dem Clip zu hören und sehen sind.
Was hat Sie an den Fans überrascht?
Ich war überrascht von der musikalischen Qualität einiger, die mitgemacht haben. Natürlich haben wir die ein bisschen bevorzugt. Aber was für mich viel wichtiger ist, ist die Vielschichtigkeit. Der Song "Für immer jung" ist ein schönes Beispiel für den Querschnitt unseres Publikums. Er ist auch ein Zeitdokument, weil einige dabei sind, die schon sehr lange zu unseren Fans zählen. Aber auch sehr viel jüngere Quereinsteiger. Ich bin stolz darauf, dass das Duett zustande gekommen ist.
Im Land Goethes und Schillers, Beethovens und Bachs wird der Kulturbetrieb nicht nur als weniger wichtig angesehen als die Wirtschaft, sondern auch als der Fußball. Wie denken Sie darüber?
Ich bin sehr gespannt, wie die Kulturbranche diese Zeit ohne allzugroße Verluste überstehen soll. Ich bin ein absolut positiv denkender Mensch, aber ich sehe, dass Strukturen wegbrechen und Leute aufgeben. Ich erlebe die Verzweiflung von Familienvätern, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Ich kenne Arbeitgeber, die ihre Firma nicht mehr aufrecht erhalten können, weil sie seit acht Monaten nicht mehr das ausüben dürfen, was sie am Leben erhält. Es gab in der Zwischenzeit Initiativen in mannigfaltiger Form, an denen wir uns beteiligt haben. Es gab schon vor Monaten einen offenen Brief an Frau Dr. Merkel mit der Bitte, diese prekäre Situation ernst zu nehmen und darauf zu reagieren. In Gesprächen mit Politikern wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters wurde betont, dass die Schwierigkeiten unserer Branche registriert wurden. Man hat beeindruckende Zahlen in den Raum gestellt.
Hat das Ihrer Branche konkret geholfen?
Ich weiß inzwischen, dass von diesen zugesagten Geldern nur ein verschwindend geringer Teil überhaupt erst die Adressaten erreicht hat. Und zwar weil der Verteilungsmechanismus so komplex ist. Niemand weiß wirklich, wie man das Geld eigentlich verteilen soll. Das heißt: Denjenigen, denen eigentlich geholfen werden müsste, wird konkret nicht wirklich geholfen. Da darf man sich nicht wundern, dass einige Stimmen ziemlich laut werden. Es gab zum Beispiel ein sehr beachtliches Statement von Till Brönner. Inzwischen gibt es viele wie ihn, die mit Verlaub gesagt die Schnauze voll haben von dieser Agonie.
Wie systemrelevant ist Kultur?
Man darf nicht vergessen, welche Impulse die Kultur gibt und welche Aufgabe sie in unserem Land hat. Schaut man sich einmal im gesellschaftlichen und politischen Bereich um, wird man feststellen, was Kunst wirklich bewirkt und welche Korrektivfunktion sie hat. Wie können wir es uns da erlauben, auf dieses Element zu verzichten und es wie eine trockene Pflanze nicht mehr zu gießen? Das ist für mich wahnsinnig schwer zu verstehen.
Für wie viele Angestellte haben Sie zu sorgen?
Meine Firma hat 30 bis 40 Leute. Wir bezahlen die Gehälter seit acht Monaten auch weiter. Bis jetzt sind wir ein gesundes Unternehmen, aber irgendwann wird auch für uns die Luft dünn. Mit welcher Berechtigung zerstört man solche Strukturen?
Wären Sie bereit, im Winter Freiluftkonzerte zu spielen?
Ich schwöre Ihnen, wir spielen auch bei 15 Grad minus! Überhaupt kein Thema. Wir haben vor einiger Zeit das letzte Konzert auf der Waldbühne gespielt. Sie fasst 22.000 Leute. Wir hatten etwa 4000. Ich hatte ein bisschen Angst davor, aber es wurde ein geiler Abend! Die Leute standen diszipliniert in gehörigem Abstand zueinander. Für beide Seiten ein Genuss. Man hätte locker 3000 mehr Leute hereinlassen können, das hätte nichts am Ansteckungsrisiko geändert. So viel ich weiß, hat sich an dem Abend niemand infiziert. Diese 7000 Zuschauer hätten das Konzert wirtschaftlich gemacht. Das ist für mich der Schlüssel. Ich glaube, wir können lange darauf warten, dass sich irgendwelche Ministerien dazu durchringen, Hilfsgelder in Umlauf zu bringen, die nicht mit Bürokratie verbunden sind. Ich plädiere deshalb für eine höhere Zuschauer-Obergrenze. Die Leute würden kommen, weil sie hungrig sind. Natürlich gibt es auch welche, die die Regeln ignorieren, aber wahrscheinlich aus Trotz angesichts der Maßnahmen.
In dem Duett "Sie brauchen keinen Führer mehr" singen Sie mit Udo Lindenberg gegen die neuen Nazis an. In den letzten Jahren gab es die NSU-Mordserie und den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke. Wird die Gefahr von Rechts noch immer unterschätzt?
Ich glaube inzwischen nicht mehr, dass sie unterschätzt wird. Vor zehn Jahren sprachen aber noch viele von Randerscheinungen. Diese müsse unsere Gesellschaft mit Leichtigkeit verkraften. Heute weiß man sehr wohl, wie groß die Gefahr der Radikalisierung von Rechts und Links ist. Das gilt übrigens auch für Glaubensfragen. Die Radikalisierung an sich ist heute ein viel stärker zur Kenntnis genommenes Phänomen. Insofern wird die Gefahr von Rechts viel eher registriert als früher. Die Frage ist nur, wie man diesem Flaschengeist mit demokratischen Maßnahmen beikommt und mit welcher Konsequenz.
Gemeinsam mit Michael Patrick Kelly und in Begleitung des Ndlovu Youth Choirs haben Sie den Charity-Song "Hoffnung" komponiert. Was gibt Ihnen Hoffnung in dieser chaotischen Zeit?
Ich habe Kinder im Alter von zwei und 17 Jahren. Wie jeder Familienvater bin ich allein durch die Existenz der Kids gefordert, die Flinte nicht ins Korn zu werfen. Sie haben ein Recht darauf, dass wir Erwachsenen uns bewegen und etwas tun, wenn Dinge aus dem Ruder laufen. Ob es das Klima oder eine gesellschaftliche Spaltung ist – es gibt eine Menge zu tun. Die Jugend fordert zu recht ein, dass wir Erwachsenen uns bewegen. Das funktioniert aber nur, wenn man kein Pessimist ist. Ansonsten hätte man keine Kraft.
Info: "Peter Maffay und" erscheint am 27. November. Live: 6. August 21, Ludwigsburg (Open Air); 11. Oktober 21 Mannheim.