Von Olaf Neumann
Suzi Quatro ("Can The Can") ist die Rock-Queen der 1970er Jahre. Die zierliche Sängerin und Bassistin im schwarzen Lederoutfit hatte großen Einfluss auf Chrissie Hynde von den Pretenders, aber auch weibliche Grunge-Bands wie L7 oder Hole. Mit der 70-Jährigen, die eigentlich Suzanna Kay Quatrocchi heißt, sprach Olaf Neumann über das neue Album "The Devil In Me". Es ist eine erneute Zusammenarbeit mit ihrem Sohn Richard.
Suzi, Sie haben den Lockdown genutzt, um ein neues Album aufzunehmen. Hilft Ihnen das Songschreiben, die Pandemie zu bewältigen?
Suzi Quatro: Es macht mich glücklich, an einem Projekt zu arbeiten. Ich habe bislang vier Bücher veröffentlicht und schreibe gerade das fünfte. Es liegen mir auch schon Songs für das nächste Album vor. Solange ich keine Konzerte spielen kann, muss ich mich anderweitig beschäftigen. Das bewahrt mich definitiv vorm Durchdrehen.
Ist "Isolation Blues” Ihr persönliches Lockdown-Statement?
Das ist es. Jeder, der diesen Song bislang gehört hat, hat mir bestätigt, dass ich damit einen Nerv getroffen habe. Ich singe diese Nummer sehr gern.
Wie würden Sie den Teufel in sich umschreiben?
Meine Mutter sagte mir immer, von ihren Kindern sei ich das schüchternste gewesen, aber ich konnte auch ganz schön spitzbübisch und boshaft sein. Ein süßer Teufel mit einem Funkeln in den Augen. Das Lied "The Devil In Me" habe ich aus der Perspektive meiner Mutter geschrieben.
Fällt es Ihnen schwer, Ihre Dämonen zu offenbaren?
Ich versuche immer, ehrliche Songs zu machen. "My Heart And Soul” zum Beispiel entstand, während ich zweieinhalb Monate von meinem Mann getrennt war. Ich vermisste ihn wahnsinnig. Die Musik, die mein Sohn Richard für das Stück geschrieben hatte, berührt das Innerste meiner Seele. Als ich mir dann dazu einen Text einfallen ließ, habe ich versucht, meine Gedanken auszuschalten und es einfach fließen zu lassen. Ich sang die Zeilen wie ein Zombie ein. Mit einer Stimme, die ich normalerweise nicht benutze. Das Lied spiegelt echte Gefühle wider.
Haben Sie sich für die Platte mehr Zeit genommen als üblich?
Nun, wir hatten einfach mehr Zeit. Von März bis Juli haben wir Songs geschrieben und diese dann zwischen August und Oktober in verschiedenen Studios aufgenommen. Man konnte wegen Corona ja nur eingeschränkt und nie mit der gesamten Band in einem Raum arbeiten. Und nach dem Mixen haben wir das superbe Video zu "The Devil In Me" gedreht.
Haben Sie und Ihr Sohn sämtliche Instrumente bedient?
Nein. Ich spiele auf der Platte Piano, Schlagzeug, Bongos und Congas. Und natürlich Bass. Mir sind wahrscheinlich einige der besten Basslinien meiner Karriere gelungen. Das liegt daran, dass mein Sohn mich mit seinen Ideen so sehr herausfordert. Richard hat meiner Musik definitiv etwas Entscheidendes hinzugefügt. Es ist ihm gelungen, das Suzi-Quatro-Feuer in dieser Periode meiner Karriere neu zu entfachen. Die anderen Musiker sagten zuweilen schmunzelnd: Wow, lange nicht mehr so eine schwierige Basslinie gehört!
Gerade die beseelten Balladen verpassen dem Album einen entscheidenden Mehrwert.
Ich verfüge über einen großen Stimmenumfang, habe aber nie zuvor so gesungen wie etwa bei der Ballade "In The Dark". Ehrlich gesagt hätte man die auch gar nicht anders singen können. Sie hat genau das bekommen, wonach sie verlangte. Ich würde gerne mal eine reine Balladenplatte machen. Wissen Sie, ich bin ein fanatischer Motown-Fan. Ich könnte zu fast jedem Motown-Klassiker die Backgroundstimme singen und dazu tanzen.
Haben Sie Richard eigentlich allein aufgezogen?
Nein, ich war von 1976 bis 1992 mit meinem Gitarristen Len Tuckey verheiratet, wir haben neben Richard auch eine gemeinsame Tochter und ein Enkelkind. Wir sind nach der Scheidung gute Freunde geblieben. Aber mit Rainer Haas bin ich inzwischen seit 27 Jahren verheiratet.
Wird Ihr Sohn Sie zukünftig bei Tourneen begleiten?
Richard hat seine eigene Band, weshalb ich ein bisschen zögerlich bin. Soll ich ihn mitnehmen, damit er mit mir all diese alten Songs spielt? Ich denke, er sollte lieber seine eigenen Lieder spielen. Er kriegt im Moment ja so viel Aufmerksamkeit. Bis zu dieser Platte hatte ich keine Ahnung, welche Songwriter-Qualitäten in ihm stecken. Die hat er vor mir immer versteckt, weil er sich selbst nicht sicher war. Aber das änderte sich 2019, als wir zusammen "No Control" machten. Richard ist heute ein leidenschaftlicher Songschreiber. Er hält "The Devil In Me” für die wichtigste Platte seit meinem Debüt.
Wie nahe stehen Sie beide sich?
Sehr nah. Töchter werden von Müttern immer wie kleine Prinzessinnen behandelt, aber man liebt ja einen Sohn nicht weniger. Meine Laura ist übrigens eine sehr gute Sängerin, die sich alten Songs von u.a. Ella Fitzgerald verschrieben hat.
"Motor City Riders" ist ein Song über Detroit. Welchen Bezug haben Sie heute zu Ihrer Heimatstadt?
An dem Text habe ich extrem hart gearbeitet, weil ich wollte, dass er die Stimmung in Detroit exakt wiedergibt. Ich wollte kein einziges Wort verschwenden. Vor nicht langer Zeit war ich mal wieder dort. Die haben mich 2013 in die Michigan Rock And Roll Legends Hall Of Fame aufgenommen, und ich habe ein großes Radio Special gemacht. Zudem habe ich in Detroit ein Benefizkonzert für Alice Coopers Gitarristen Dick Wagner gespielt, der 2014 verstorben ist.
Was ist härter: berühmt zu werden oder berühmt zu bleiben?
Jeder kann für 15 Minuten berühmt sein, aber berühmt zu bleiben ist schwer. Ich bin kein Industriefabrikat, ich bin echt. Das, was du siehst, bekommt du auch. Ich trage immer noch meinen Leder-Overall. Ich spiele uneitlen, bodenständigen, ungefilterten No-Bullshit-Rock’n’Roll. Ich habe zu Hause einen Ego-Raum. Dort befinden sich meine Overalls, meine Bässe, Backstagepässe, Videodrehbücher und andere Artefakte von mir. An der Tür steht folgender Hinweis: "Ego-Raum. Pass auf, was du tust!" Man darf da hineingehen und alles tun. Aber beim Hinausgehen bitte dein Ego drinnen lassen!
Info: Das Album "The Devil In Me" gibt es ab 26. März. Live geplant am 6. November im Rosengarten in Mannheim.