Von Steffen Rüth
Es gab Menschen, die vor diesem Gesprächspartner gewarnt haben. John Carpenter, 73, bekannter Horrorfilmregisseur und Filmmusikkomponist, sei ein Griesgram, der Journalisten gerne auflaufen lasse. Steffen Rüth hat sich trotzdem getraut und ihn aus Anlass seines neuen Albums "Lost Themes III" in Kalifornien angerufen, Ortszeit später Vormittag. John Carpenter geht selbst an den Apparat, ist sehr freundlich und erinnert in den folgenden gut 20 Gesprächsminuten an einen etwas kauzigen, aber sehr lieben Opa.
Mr. Carpenter, wie sieht Ihr Tag aus?
John Carpenter: Ich bin daheim in meinem Haus in Los Angeles und zocke Videospiele. Eigentlich hänge ich rum und mache sehr wenig. Was mir auch ganz recht ist so.
Waren Sie schon vor der Pandemie so entspannt unterwegs?
Nein, da habe ich mehr gearbeitet. Zum Beispiel das neue Album gemacht, zusammen mit meinem Sohn Cody und meinem Patenkind Daniel Davies. Ich wollte vor zehn Jahren ursprünglich in Rente gehen, doch das war eine blöde Idee. Ich war einfach noch zu jung, ich wollte noch neue Sachen ausprobieren. Wie das Livespielen. Wir sind von 2017 bis 2019 gemeinsam auf Tournee gewesen, das war richtig schön. Konzert finde ich klasse.
Hieß es nicht immer, Sie seien sehr zögerlich gewesen, was Live-Auftritte angeht?
Mag sein. Aber das war, bevor ich wusste, wie toll das ist. Mit den Konzerten habe ich die Chance wahrgenommen, in meinem Alter eine zweite Karriere anzuschieben. So etwas mit 70 zu erleben, ist nicht nur ungewöhnlich, sondern sensationell.
Lernen Cody und Daniel beim gemeinsamen Komponieren mehr von Ihnen oder Sie mehr von den beiden?
Beides. Total beides. Wir lernen voneinander und bereichern uns gegenseitig.
Ihr Vater war Musikprofessor, und Sie selbst haben die allermeisten der Soundtracks zu Ihren Filmen selbst komponiert. Stand für Ihren Sohn, der heute Mitte 30 ist, außer Frage, dass er seinerseits Musiker wird?
Ich denke schon. Wie vielen Kindern fiel ihm das mit der Musik anfangs so zu. Aber dann wurde er tatsächlich, zu unserer leichten Verblüffung, sensationell gut. Was zunächst ein geliebtes Hobby war, wurde zu einem Beruf und zu einer Karriere.
Würde der kleine John heute auch noch Regisseur werden wollen?
Nee, ich glaube nicht. Der Job ist wirklich anstrengend geworden. Ich wäre sowieso nicht mehr gerne jung heutzutage. Das ist mir alles zu heftig. Ich bin lieber alt.
Was ist denn für Jugendliche heute heftiger als für Ihre Generation?
Die Welt. Besonders hier in den USA.
Wird Joe Biden das Land weiterbringen?
Er wird es vor dem finalen Abgrund retten. Vielleicht lindert er den Schmerz der letzten vier Jahre. Biden und Kamala Harris sind ein gutes Team. Sie sind wertvoll für uns, aber umkrempeln werden sie die Gesellschaft nicht.
Wird es gute Horrorfilme mit Donald Trump als Figur geben?
Keine Ahnung. Braucht das jemand? War nicht die Donald-Trump-Realität vier Jahre lang der beste Horrorfilm überhaupt?
Wie ist es mit Corona? Taugt die Pandemie als Film-Vorlage?
Auf gewisse Weise macht es mir Angst, denn es ist sehr tödlich. Könnte schon funktionieren. "Contagion" war ein sehr guter, sehr realer Viren-Film, und der ist schon fast zehn Jahre alt. Angst ist unsere stärkste Emotion neben der Liebe. Mach‘ den Menschen Angst, und du wirst Erfolg haben.
Wovor fürchten Sie sich sonst noch?
Vor wenig. Nur vor dem Tod. Und vor dem Verlust geliebter Menschen. Mich ängstigen ähnliche Dinge wie die meisten Menschen. Ich bin nicht besonders mutig oder einer von diesen Superhelden.
Machen Sie Filme, um Ihre Ängste zu kontrollieren?
Nö, ach, Filme sind fake, sie bilden nicht die Wirklichkeit ab. Filme sind Spaß. Horrorfilme sind für mich mit Abstand das lustigste Genre überhaupt. Es macht mir auch unheimlich viel Freude, Horrorfilme zu drehen. Der echte Horror aber, der findet im richtigen Leben statt.
Geister, Vampire, Zombies, Dinge, Serienmörder – was für Horrorgestalten haben Sie am meisten lieb?
Ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich ja lieber Western drehen. In die Horrorkiste bin ich so reingerutscht. Ich finde diese Kreaturen alle super und superlustig.
Auch Ihre düstersten Filme haben Humor, oder?
Na klar. Alle. Das komödiantische Element ist bei mir nie zu kurz gekommen.
Was ist Ihr liebster Horrorfilm?
"Frankensteins Fluch" mit Peter Cushing und Christopher Lee. 1957 glaube ich. Ich war zehn, als ich den sah. Ich liebe den Film bis heute. Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Meine Frau ruft nach mir. Es gibt Dinge im Haus zu tun.
Natürlich. Möchten Sie noch etwas sagen?
Wir machen uns zu viele Sorgen. Das Leben wird weitergehen.

Info: Das Album "Lost Themes III: Alive After Death" ist vor kurzem erschienen. Eine Livetour ist aktuell nicht geplant.