Von Simon Sachseder und Alexander R. Wenisch
Diese Pointe gehört wohl zu den Prototypen für ein Lachen aus Schadenfreude. "Wenn ich auf einer Bananenschale ausrutsche, ist es eine Tragödie, wenn du es tust, ist es eine Komödie", heißt es in einem Bonmot, das niemandem mehr richtig zuzuordnen ist. Ein bisschen wahr ist der Ausspruch aber dennoch.
Wann das Ausrutschen auf der Bananenschale zum Slapstick-Gag wurde, ist dagegen etwas leichter einzuordnen: Der Witz hatte vor 105 Jahren, am 29. April 1915, mit Charlie Chaplin seinen ersten großen Leinwandauftritt. Im Film "By The Sea" ("An der See") zieht es dem Hollywood-Star in seiner berühmten Rolle des "Tramps" die Füße über der Schale weg, die er Sekunden zuvor noch selbst auf den Boden hat fallen lassen.
Zwei Jahre nach Chaplin wirft in Harold Lloyds "The Flirt" der Restaurantgast achtlos eine Bananenschale weg – kurz darauf stürzt ein Kellner samt Tablett. Der Clou: Der vermeintliche Tollpatsch wird gefeuert, der Gast übernimmt dessen Job. 1927 dann rutscht in "Dick und Doof" ein Kuchenhändler aus, was zu einem weiteren Lebensmittel-Klassiker des Stummfilms führt: der Tortenschlacht.
Jahrzehnte später versucht in einem Sketch von Loriot ein Reisender am Flughafen verzweifelt, eine halb gegessene Banane loszuwerden. Die wenig überraschende Idee: In einem unbeobachteten Moment lässt der Passagier sie fallen – und rutscht später selbst darauf aus.
"Wenn sich ein bestenfalls gut gelaunter und vor allem naiver Spaziergänger einer Bananenschale nähert, ahnt der Zuschauer, was passiert", sagte Regisseur Bastian Reiber. Auch er hat die Frucht in sein Theaterstück "Prometheus" eingebaut, das 2019 an der Berliner Schaubühne Premiere feierte. "Die Situation ist ein Versprechen." Das Setting Mensch und Bananenschale habe sich ins allgemeine Gedächtnis eingeprägt, so Reiber. Wenn jeder zu wissen glaube, was passiere, könne man mit dieser Erwartung spielen.
Das wusste auch schon Chaplin. Als er nämlich ein paar Jahre nach "By The Sea" einmal gefragt wurde, wie der Bananen-Gag mittlerweile abzulaufen habe, soll er gesagt haben: "Sie zeigen eine dicke Dame, die sich nähert, danach die Bananenschale, dann beide zusammen. Dann tritt sie über die Bananenschale hinweg – und fällt in einen Gully."
Auch eines der beliebtesten Videospiele aller Zeiten ist ohne die gelbe Pelle kaum denkbar. In "Super Mario Kart" von 1992 können Rennfahrer die Schleuderfallen auf die Strecke werfen und Gegner damit ins Hintertreffen bringen. Trotz mehrerer Neuauflagen des Spiels: Die Bananenschale hat sich gehalten.
Wenn wir beim Thema Humor bleiben, stellt sich aber die Frage: Darf man über Menschen lachen, denen ein solches Missgeschick passiert? "Der schlechteste Zug in der menschlichen Natur bleibt aber die Schadenfreude, da sie der Grausamkeit enge verwandt ist." Folgt man Arthur Schopenhauer, so ist die Schadenfreude ein teuflisches Gefühl, "ihr Hohn das Gelächter der Hölle", wie er in "Parerga und Paralipomena" schreibt. Doch jeder Mensch, auch der nette, kennt Schadenfreude: Wer lacht nicht begeistert über die vielen Pleiten-, Pech- und Pannen-Videos?
Aber warum freuen wir uns über das Unglück von anderen? Und was passiert im Gehirn, wenn wir das "teuflische Gefühl" auskosten? Schadenfreude entfaltet sich dann besonders gut, wenn die Fallhöhe groß ist. Sprich: Wenn wir denjenigen, der sinnbildlich auf der Bananenschale ausrutscht, um sein Talent, seine Attraktivität, seinen Reichtum beneiden, wenn wir sein Auftreten unsympathisch finden. Dann muss derjenige noch nicht einmal mit großem Knall an einen Laternenpfosten rennen, dann reicht manchmal sogar ein kleiner Versprecher zur falschen Zeit, um ein Grinsen oder gar höhnisches Gelächter auszulösen. Schadenfreude gedeiht also dort am besten, wo starke Konkurrenz herrscht.
Die Pannenszene "kitzelt" im Gehirn des Beobachters das Belohnungszentrum. Hier wirkt Schadenfreude ähnlich wie ein schönes Geschenk, wie Sex, wie Glücksspiel. Sie hat aber auch eine doppelte psychologische Funktion: Sie stutzt den attraktiven, aber unsympathischen Überflieger auf Normalmaß zurück, verhandelt also Hierarchien neu, und hebt das Selbstwertgefühl des Beobachters: Zum Glück ist mir das nicht passiert! Das Lachen über das Missgeschick des anderen wirkt also entlastend.
Die Schadenfreude, das wissen Anthropologen mittlerweile, ist ein universelles Gefühl des Menschen, ja es ist sogar bei Schimpansen zu beobachten. "Gelernt" wird das "Gelächter der Hölle" etwa im Grundschulalter, wie man bei Kindern im Puppentheater beobachtet hat. Wenn sich der Bösewicht hier blamiert, dann kann man bei Kindern etwa ab sechs Jahren sehen, wie sie die Szene genießen.
Interessant im Übrigen auch: Selbst wenn der Mensch die Schadenfreude von Kindesbeinen an kennt, hat nicht jede Gesellschaft ein Wort dafür. Mehr noch: Im Englischen, Französischen, Italienischen, Spanischen, Portugiesischen und Polnischen wird einfach das deutsche Wort verwendet: Schadenfreude.
Bleibt die Frage: Wie gefährlich sind Bananenschalen wirklich? Für eine Untersuchung von 2012 hat ein Team um den japanischen Wissenschaftler Kiyoshi Mabuchi den satirischen Ig-Nobelpreis bekommen. Demnach sind die Reste des Obstes wirklich rutschiger als etwa Schalen von Äpfeln, Zitronen oder Mandarinen. Doch es gibt auch Dinge, die besser gleiten – zum Beispiel ein Ski auf Schnee.
Als die Müllabfuhr noch nicht so etabliert war wie heute, war die Bananenschale wohl sogar im echten Leben eine ständige Gefahr – wenn man Miss Anna H. Sturla aus New York Glauben schenken darf. Alleine zwischen 1906 und 1909 will sie elfmal darauf ausgerutscht sein – unter anderem im Bahnhof, auf einer Fähre oder in der Damentoilette, wie die "New York Times" 1910 berichtete.
Wie groß das Problem mit Bananenschalen auf den Straßen New Yorks zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirklich war, kann wohl nicht mehr mit absoluter Sicherheit gesagt werden. Miss Sturla scheint auf jeden Fall übertrieben zu haben: Nach 17 angezeigten Unfällen (darunter die elf mit Bananenschalen) und fast 3000 Dollar erzieltem Schadenersatz wurde sie – was für eine schöne Pointe – wegen des Verdachts auf Betrug festgenommen.