Der Gänsekiel hat ausgedient, geschrieben wird heutzutage meist mit dem Equipment, das zum digitalen Zeitalter gehört. Foto: Jens Kalaene
Heidelberg. (Mio) "Komm einfach mit!" Das sind Worte, die eine neue Welt öffnen können. In diesem Fall ist es die Einladung zum "HD-Textsalon". Das ist ein Treff für Menschen, die in ihrer Freizeit kreativ schreiben. Der Salon lebt von Mund-zu-Mund-Propaganda. Jeden ersten Dienstag kommen Menschen zusammen, die ihre eigenen Texte vorlesen und sicher sein können, dass die anderen aufmerksam lauschen.
Der Textsalon hat eine acht Jahre lange Tradition. Alles begann mit einer kleinen Meldung in der RNZ, mit der eine Public-Relation-Beraterin andere Schreib-Enthusiasten suchte: "Meine Idee des Textsalons war es, sich mit anderen Schreibwütigen und Schreibinteressierten auszutauschen, über die eigenen Inspirations-Quellen zu reden, sich gegenseitig mit Tipps zu helfen, jemandem zum Austausch bei der Figurenentwicklung oder auch zum Gegenlesen zu haben und zu lernen, wie man es besser machen sollte."
Bärbel war von Anfang an dabei. Die frühere Chefsekretärin schreibt Kurzgeschichten und arbeitet an der Autobiografie. Auch Antje gehörte zu den Gründungsteilnehmern: "Jeder hat von seinen Geschichten erzählt." Sie arbeitet an einem autobiografischen Text über den Umgang mit ihrem demenzkranken Ehemann.
Der HD-Textsalon ist weder Verein noch Lehr-Werkstatt. Es gibt keinen Unterricht und keine sicheren Tipps, wie man einen Verlag findet. Aus dem einfachen Grund, weil das Schreiben etwas sehr Individuelles ist - und die Suche oder das Finden eines Verlags ebenfalls. Man ist nicht auf den öffentlichen Erfolg fixiert - aber man spricht offen und ehrlich von den Sehnsüchten und Träumen, dass ein eigener Text möglichst viele Leser finden möge. Der Treff lebt von einem gewissen Flair der Lockerheit und Toleranz.
Der Treff zählt rund 20 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Heidelberg und der Region. Eine Teilnehmerin kommt immer wieder aus Frankfurt dazu, eine andere aus Stuttgart. Zweimal hat der Salon den Treffpunkt gewechselt. Nun hat er im Heidelberger Caffé "Auszeit" im Stadtteil Neuenheim sein Zuhause. Jeder darf eigene Geschichten vorlesen. Für eine Teilnehmerin zählen diese Momente zu den schönsten Erlebnissen im Monat: "Eine Gruppe lauscht wohlwollend den Worten, die man sich ausgedacht hat - was für ein Geschenk. Der Text wird genauso ernsthaft diskutiert und kritisiert, als wäre man ein Nobelpreisträger der Literatur."
Kritik gehört dazu. Es ist ein Lernprozess, damit umzugehen. Die Zuhörer und Zuhörerinnen weisen auf Lücken in der Darstellung hin. Es gibt Anmerkungen zum Stil und zur Logik des Geschehens: Ist die Handlung plausibel oder nicht? Können sich die Zuhörer die Story vorstellen? Der frühere Gymnasiallehrer Winfried sagt dazu: "Ich nehme Kritik ernst und arbeite sie eventuell in mein Schreiben ein." Gertrud sagt: "Ich brauche Kritik, auch wenn ich ganz schön schlucken und mein Ego hintanstellen muss."
Das literarische Schreiben ist für die meisten etwas sehr Persönliches. Man offenbart einen Teil seiner Innenwelt. Einmal gab es bei Kritik schon fast Tränen. Es ist eben auch ein Lernprozess, Kritik zu formulieren. Gisela sagt: "Kritik kann deutlich sein, aber sie darf nicht vernichtend sein."
Einige Teilnehmer haben schon Bücher veröffentlicht. Sie zeigen die Vielfalt der Autoren. Die Historikerin Heide-Marie Lauterer hat neben ihren beruflichen Veröffentlichungen gleich mehrere Pferde-Krimis und jetzt einen zweiten Heidelberg-Frauen-Roman veröffentlicht. Der Physiker Hans J. Pirner hat das Buch "Das Unbekannte & Bestimmte" geschrieben, eine Auseinandersetzung mit den Grenzen der Wissenschaft. Der Diplom-Betriebswirt Gerhard Drokur hat Reiseführer für Rennrad-Fahrer recherchiert, auch Touren rund um Heidelberg, dazu einen Heidelberger Regionalkrimi. Astrid Arndt hält ihr erstes Jugendbuch "Die gläserne Seite" in Händen. Dazu gibt es einige weitere Veröffentlichungen.
Die Autorin Helga sagt: "Das Zusammensein mit Menschen, die gerne schreiben, bereichert mich und macht noch mehr Lust am Schreiben. Ihre lebendige Sicht macht mich neugierig!" Seit einiger Zeit gestaltet der HD-Textsalon einmal im Jahr eine gemeinsame Lesung, nun schon zum zweiten Mal beim Heidelberger Literatur-Herbst.
Info: Der HD-Textsalon trifft sich an jedem ersten Dienstag im Monat im Caffé "Auszeit" in Heidelberg-Neuenheim am Marktplatz, Schulzengasse 11, 69120 Heidelberg. Internet:. https://hdtextsalon.wordpress.com