Hintergrund - Verdunkelt und rationiert

30.08.2019 UPDATE: 30.08.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 26 Sekunden

Was sich zum Kriegsbeginn in den Heidelberger Zeitungen findet

Der Beginn des Zweiten Weltkrieges schlug sich auch in den - damals nicht sehr umfangreichen - Lokalteilen der beiden in Heidelberg erscheinenden Zeitungen nieder: den "Heidelberger Neuesten Nachrichten" und dem NSDAP-Blatt "Volksgemeinschaft". Auf der einen Seite, die den Nachrichten aus Heidelberg gewidmet war - ansonsten lag der Umfang meist bei 16 Seiten - ging es vor allen Dingen um zweierlei: Verdunkelung und Lebensmittelrationierung. Kein Hinweis auf Versammlungen, Kundgebungen oder Paraden - man weiß also nicht, wie die Heidelberger in den ersten Tagen nach dem Kriegsausbruch reagiert haben.

Bereits am 31. August, einen Tag vor dem Krieg, informierten die "Neuesten Nachrichten" über "Einzelfragen der Bezugsscheinpflicht". Auf "Marken" gab es pro Person "200 Gramm Fleisch oder Fleischwaren (auch in Konserven)". Dass Butter, Vollmilch und Öl bereits vorher knapp waren, erkennt man an dem Hinweis, dass die Geschäfte einfach ihre alten Kundenlisten weiter laufen lassen sollten.

Die "Volksgemeinschaft" informiert in ihrer Ausgabe vom 1. September 1939 über "Schnellkurse im Luftschutz" und fragt den Leser: "Hast du deine Selbstschutzgeräte schon bereit?" Bereits in der zweiten Nacht des Krieges, von Samstag auf Sonntag, fuhr, "auf Einladung der Polizei", ein Reporter der "Volksgemeinschaft" durch das nächtliche Heidelberg: "Die Häuserfronten lagen da in einem gespenstischen Schwarz. Man muss schon sagen: Die Heidelberger haben sorgfältig abgedunkelt." Der Artikel, erschienen am Mittwoch, 4. September, war gut vorbereitet: In der Ausgabe zuvor war "Das Thema des Tages: Ist der Luftschutz richtig durchgeführt?"

Ansonsten war auch viel Normalität in den Zeitungen zu finden: Das Musikhaus Hochstein schaltete wie gewohnt Anzeigen für "Radios sämtl. Fabrikate. Verlangen Sie unverbindl. Vorführung!" Die Kosmetikerin "Frau G. Burkholder-Klopp, ärztl. gepr." aus der Altstadt empfahl ihre Dienste: "Auch die stärksten Sommersprossen entferne ich unter Garantie, ebenso starke Falten in 2 Sitzungen". Im "Capitol"-Kino (Bergheimer Straße) kam zwar noch einen Tag vor Kriegsbeginn der Streifen "Flucht ins Dunkel", dessen Handlung im Ersten Weltkrieg spielte, aber ansonsten liefen - erst recht nach Kriegsbeginn - Filme zum Ablenken: Die Komödie "Gastspiel im Paradies" mit Hilde Krahl oder der Kunstfälscher-Krimi "Ich bin Sebastian Ott" mit Willi Forst - ebenso wie Krahl aus dem 1938 "angeschlossenen" Österreich und ein noch größerer Publikumsliebling. Und wer dann noch ausgehen wollte - zum Beispiel ins Café Arnold (Hauptstraße 37) - hatte zwei gute Gründe: "Jeden Abend Tanz! Trotz Verdunklung keine Unterbrechung!" (hö)