Hintergrund - Der lange Weg zur schnellen Strecke

13.11.2020 UPDATE: 13.11.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden

Ex-Bahnchef wollte die Trasse einst an Mannheim vorbeiführen lassen

Was haben sie damals in der Region getobt, als sich der Ex-Bahnchef vor knapp 20 knapp Jahren zu einer überheblichen Aussage hinreißen ließ: "Wenn die Bahn weiterhin alle 70 Kilometer anhalten soll, brauchen wir keine ICE mehr zu kaufen, sondern S-Bahnen", sagte Hartmut Mehdorn. Und setzte noch einen drauf: Es müsste alle Stunde einen Zug geben, der für die Strecke Köln–Stuttgart nur zwei Stunden brauche. Dies gehe nur, "wenn wir nicht jede Milchkanne mitnehmen". Gemeint war Mannheim. Rumms, das saß.

Mehdorn wollte, dass die ICE über einen Bypass an der Quadratestadt und der Kurpfalz vorbeifahren. Politiker werteten die Herabsetzung Mannheims zur "Milchkanne" als Unverschämtheit und Zeichen der Ignoranz. Denn die Region drängte angesichts knapper Kapazitäten auf der Schiene damals schon darauf, die Lücke in den Korridoren Rhein-Main und Rhein-Neckar für den Güter-, Fern- und Nahverkehr zu schließen.

"Hätte man auf uns gehört, wäre die Neubaustrecke längst gebaut worden", ärgerte sich Mannheims Erster Bürgermeister Christian Specht noch 2016 im RNZ-Interview. Es sei doch "irrsinnig", in einem transeuropäischen Netz einen Flaschenhals der Kurpfalzmetropole und Frankfurt lassen zu können.

Damals hatte das Bundesverkehrsministerium gerade die zweigleisige Trasse in den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen und sie mit "vordringlichem Bedarf zur Engpassauflösung" eingestuft. "Endlich", wie Specht sagte. Doch es zeichneten sich drei Knackpunkte ab: die Trassenführung, der Lärmschutz und die Frage, ob und wie sowohl Güter- als auch Personenfernzüge aufs Gleis gesetzt werden können.

Die Region positionierte sich klar. Nachts sollten die Güterzüge über die neue Trasse rattern, tagsüber die schnellen ICE. Dazu machte der Verkehrswegeplan aber keine Angaben. Specht, zugleich Vorsitzender des Zweckverbands Verkehrsverbund Rhein-Neckar (ZRN), appellierte an Bahn und Bund, auf dem gesamten Korridor den Lärmschutz im Blick zu haben.

Das sei angesichts von rund 200 Güterzügen mehr pro Tag ein wesentliches Thema für die Anwohner in Mannheim, Schwetzingen, Hockenheim und Südhessen. Der Ausbau der Rheintalbahn machte der Region Hoffnung. Im südbadischen Offenburg wird ein Eisenbahntunnel gebaut, um die Bürger entlang der Strecke zu entlasten. "Auch wir müssen dort, wo die Lärmbelastung besonders hoch ist, über Tunnellösungen nachdenken", sagte Specht.

Wichtig aus Mannheimer Sicht sind die Schienentrassen, die durch die Stadtteile führen. Schon heute leiden die Anwohner der Östlichen Riedbahn unter dem Krach der Güterzüge. Sie fürchten, dass der Lärm nach der Fertigstellung der Neubaustrecke weiter zunehmen wird.

Der Verband Region Rhein-Neckar forderte in einem Positionspapier, einen Güterzugtunnel unterhalb der Stadt mit Anbindung an den Rangierbahnhof zu prüfen. Die leiseren Personenzüge sollen dagegen weiterhin oberhalb in Mannheim halten. Weil die Bahn bei der ICE-Neubaustrecke ohnehin teilweise in Tunnellage plane, komme die Trasse auf einem niedrigen Höhenniveau an, und es seien keine langen Rampen nötig, um die Güterzüge nach unten zu führen, argumentierte der Verband. Diese Fragen spielten bei der Trassenführung (s. obiger Artikel) keine Rolle, sie müssen beim Ausbau des Bahnknotens Mannheim beantwortet werden. Auch dieser wird im Bundesverkehrswegeplan 2030 mit der höchsten Priorität bewertet. (alb)