Causa Normannia

Innenministerium hält Zweifel an neutraler Aufklärung für nicht angebracht

"Wir nehmen den Vorfall sehr ernst" - Viele offene Fragen werden erst jetzt beantwortet

14.09.2020 UPDATE: 15.09.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 47 Sekunden
Das Haus der Burschenschaft Normannia in direkter Nachbarschaft zum Schloss. Foto: Rothe

Heidelberg. (shy) Warum wurde die Öffentlichkeit nach dem antisemitischen Übergriff auf einen Studenten im Haus der Burschenschaft Normannia am 29. August erst so spät informiert? Wieso hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg in ihrer Pressemitteilung das Schlagen mit dem Gürtel als "gängiges Ritual" dargestellt, obwohl dieses Ritual unbekannt ist? Weshalb wird das Innenministerium erst jetzt aktiv, obwohl seit Jahren bekannt ist, dass die Burschenschaft Normannia Bezüge in die rechtsextreme Szene hat? Wie kann gesichert werden, dass der Vorfall lückenlos aufgeklärt wird, wenn Vertreter von Polizei und Justiz zu den Alten Herren der Normannia gehören? Und hatte Innenminister Thomas Strobl – der selbst seit Studienzeiten Mitglied der "Landsmannschaft Afrania" ist, zu der auch das mutmaßliche Opfer des aktuellen Vorfalls gehört – durch seine Verbindungen frühzeitig Kenntnis von dem Vorfall?

Das Haus der Burschenschaft Normannia in direkter Nachbarschaft zum Schloss. Foto: Rothe

Es sind viele Fragen offen – einige davon haben Strobl und das Innenministerium jetzt beantwortet. "Ich habe zur Landsmannschaft Afrania überhaupt keinen regelmäßigen Kontakt mehr", sagte Strobl gegenüber der RNZ. Er selbst habe von dem antisemitischen Vorfall Kenntnis bekommen, als er von der Polizei bearbeitet wurde. Zur Normannia habe er auch zu seiner eigenen Studentenzeit als Afrania-Mitglied in Heidelberg kaum Kontakt gehabt, sagte der Minister weiter. "Besuche aus dem anderen Haus waren sehr selten – was auch damit zusammenhängt, dass die Normannia eine Burschenschaft ist, wir eine Landsmannschaft. Das sind unterschiedliche Dachverbände. Deswegen hatten wir – obwohl wir Nachbarn waren – mit anderen Verbindungen viel mehr Kontakt."

Warum das Innenministerium sich erst im Zuge des antisemitischen Übergriffs mit der Normannia beschäftigt, dazu sagt ein Ministeriumssprecher: "Die Burschenschaft ist kein Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz." Unabhängig davon würde die Polizei bei konkreten Gefahren oder dem Verdacht von strafbaren Handlungen tätig. "Bei antisemitischen Vorfällen sind wir dabei in hohem Maße sensibel und gehen jedem Hinweis auf strafbares Verhalten konsequent nach."

Zweifel an der neutralen Aufklärung des Falles seien nicht angebracht, heißt es weiter aus dem Ministerium. Es gehe darum, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären, und es werde – ohne Ansehen der Person – jedem noch so geringen Verdachtsmoment umfassend nachgegangen. Dabei habe das Ministerium den Fortgang der Ermittlungen eng im Blick und stehe auch im Austausch mit der jüdischen Gemeinde in Heidelberg und dem Antisemitismus-Beauftragten des Landes, Michael Blume.

Blume hatte vergangene Woche die Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei kritisiert, weil dort das Schlagen mit dem Gürtel als "gängiges Ritual" dargestellt wurde. Auf die Frage, wie es dazu kam, gibt das Ministerium lediglich eine ausweichende Antwort: "Die konkrete Tathandlung ist Gegenstand der aktuellen Ermittlungen. Wir nehmen den Vorfall im Innenministerium sehr ernst und haben Vertrauen in die polizeiliche Arbeit und die lückenlose Aufklärung."

Auch interessant
Normannia-Affäre: Nach antisemitischem Angriff kommt es nun zum Prozess (Update)

Völlig offen bleibt indes die Frage, warum die Öffentlichkeit nicht spätestens nach der Hausdurchsuchung bei der Normannia am 2. September informiert wurde. Die Information der Öffentlichkeit sei am Verlauf der Ermittlungen auszurichten und obliege der Staatsanwaltschaft, heißt es dazu aus dem Ministerium.