Ein brasilianischer Junge freut sich über ein Notfallpaket. Foto: privat
Von Anton Ottmann
Walldorf. Brasilien ist nach den USA und Indien das von der Coronapandemie am stärksten betroffene Land. Als endlich Ausgehverbote verhängt wurden, traf das die arme Bevölkerung besonders hart. Barbara Diehm, Erste Vorsitzende des Vereins "Hilfe zur Selbsthilfe Walldorf", schreibt dazu in ihrem aktuellen Jahresbericht: "Da die Eltern unserer Kinder fast alle Tagelöhner sind und in dieser Zeit kein Einkommen haben und eh von der Hand in den Mund leben, ist die Angst zu verhungern größer, als an dem Virus zu erkranken."
Nachdem die Schulen geschlossen worden waren, konnten sich die Kinder nur noch in den sehr beengten Wohnungen aufhalten und mussten durch die fehlende Schulspeisung häufig auf Frühstück und Mittagessen verzichten. Elsa Timm, die Projektleiterin vor Ort, organisierte für die betroffenen Familien, die teilweise weit auseinanderwohnen, die Möglichkeit, in ihrer Nähe Pakete mit Hygieneartikeln und Lebensmitteln abzuholen. Darüber hinaus besorgte sie Masken und sammelte bei Freunden kleine Spielsachen, um sie weiterzugeben.
"Gleich zu Beginn des Lockdowns im März erreichten uns von allen Projekten Berichte über ähnliche Probleme und über die verzweifelte Lage der Menschen vor Ort", informierte Diehm die Mitglieder des Vereins über die aktuelle Lage. So habe sich der Vorstand sehr schnell zur Soforthilfe entschieden und jedem der zehn Projekte zweimal 2000 Euro überwiesen, private Spenden seien dazugekommen. Dies ermöglichte den Projektleitern zuerst einmal, Lebensmittel und Hygieneartikel zu verteilen.
Eine Schneiderin näht Masken für Schüler in Chile. Foto: privatIn Chile wurden an das Kinderheim sowie an die Land- und die Behindertenschule mehrere Tonnen Hafer und Reis verteilt; eine arbeitslose Näherin fertigte 2500 modische und waschbare Masken an, die kostenlos weitergegeben wurden. Ein brachliegendes Schulgewächshaus wurde von fünf Familien beschäftigungsloser Tagelöhner übernommen. Den Ertrag verwerten sie in der eigenen Küche, überschüssiges Gemüse wird an bedürftige Familien verteilt.
In Peru engagiert sich seit 20 Jahren die Institution Canat. Das "Zentrum zur Unterstützung von arbeitenden Kindern und Jugendlichen" begleitet viele Kinder auf ihrem Weg aus Armut und Gewalt. Der Walldorfer Verein hat in der Vergangenheit Freizeiträume errichtet, um dort den Kindern spielerisch soziale Werte zu vermitteln. Hier erreichte die Soforthilfe 225 Familien.
In Nicaragua wurden in einer ersten Maßnahme Pakete an 183 Familien verteilt, Stoff eingekauft und mehrere tausend Masken genäht. Da die Schulen lange Zeit geschlossen waren, bekamen Kinder Papier, Schreib- und Malstifte. Ähnlich lief es in den Einrichtungen in Rumänien und Nicaragua.
Die namibische Fußball-Nationalspielerin Kasaona verteilt Lebensmittel. Foto: privatIn Namibia wurde die Soforthilfe an die Kinder der "Fußballschule" in Katatura, einem der Slums der Hauptstadt Windhoek, überwiesen. Sie wurde von der Nationalspielerin und Lehrerin Kasaona gegründet, um acht- bis 14-jährigen Mädchen und Jungen aus einfachen Verhältnissen die Möglichkeit zu geben, Fußball zu erlernen und daran zu wachsen. "Sport trägt zu einer gesunden kindlichen Entwicklung bei, es erhöht das Selbstwertgefühl und bildet Lebenskompetenz", sagt Kasaona. "Die Kinder werden eher nicht kriminell und fangen nicht mit Drogen an."
Die Mädchen der Fußballschule in Katatura in ihren neuen Trikots. Foto: privatSchon seit einiger Zeit übernimmt der Verein die Anschaffung von Schuhen, Trikots, Bällen und kleinen Trainingsutensilien, außerdem die Benzinkosten für die Fahrten zu Turnieren. Durch die zusätzliche Hilfe während der Pandemie stieg das Ansehen der Schule in der Bevölkerung.
Barbara Diehm zufolge sind die Fallzahlen der an Corona Erkrankten in den ländlichen Projekten in Burkina Faso, Togo und Uganda nicht sehr hoch; die Menschen wohnten hier weit auseinander, es werde wenig getestet und die Bevölkerung sei sehr jung. Das Geld sei in diesen Gebieten deshalb hauptsächlich für die Hygiene-Aufklärung der Bevölkerung verwendet worden. So seien etwa in Togo Poetry Slams auf Facebook geschaltet worden, die über Corona aufgeklärt und rund 20.000 Menschen erreicht hätten.
Neben den Corona-Sofortmaßnahmen sei die normale Arbeit in den Projekten weitergelaufen, so Diehm. In Uganda, wo in den Küchen noch viel am offenen Feuer gekocht wird, hat der Verein den Aufbau einer kleinen Krankenstation für Verbrennungen unterstützt und in Togo kann demnächst ein weiterer Brunnen eingeweiht werden. Hier wird auch die Renovierung von drei Klassenräumen in einer sehr baufälligen staatlichen Schule unterstützt, später sollen Latrinen und drei weitere Klassenräume entstehen. In der chilenischen Behindertenschule wird derzeit ein Arbeitsraum renoviert und in der Landschule ein naturwissenschaftlicher Raum neu eingerichtet. Zudem bezuschusst der Verein eine Elterninitiative in Nicaragua, die sich für die Förderung und Inklusion von Behinderten einsetzt.
Obwohl Benefizveranstaltungen nicht stattfinden konnten, bekam der Verein viele kleine Spenden sowie eine sehr großzügige Privatspende, mit denen sowohl die Soforthilfen als auch die laufende Arbeit finanziert werden konnten. Barabara Diehm freut sich besonders, dass der Verein gerade in dieser schweren Zeit vielen Familien mit Kindern helfen konnte, die darüber sehr glücklich sind.
Info: Weitere Informationen zu den einzelnen Projekten gibt es unter www.hilfe-zur-selbsthilfe-walldorf.de