Wiesloch. (stoy) Vor allem Jugendliche waren es, die Alexandra Wolf vor sich sitzen hatte: Die Richterin am Wieslocher Amtsgericht verhandelte vor Kurzem einen Tag lang ausschließlich Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz. Eigentlich landen solche Ordnungswidrigkeiten erst gar nicht vor Gericht, es sei denn, die Betroffenen haben Einspruch eingelegt, weil sie die Strafe – häufig ein Bußgeld – nicht akzeptieren wollen oder sich unfair behandelt fühlen.
"Die Ordnungswidrigkeiten sind seit Beginn der Pandemie natürlich mehr geworden", erklärt Richterin Wolf, die zusätzlich auch für Betreuungen und Unterbringungen verantwortlich ist. Denn Missachtungen der Corona-Regeln fallen unter Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz und gelten deshalb als Ordnungswidrigkeit. Ursprünglich haben sieben oder acht Personen Widerspruch eingelegt, die gegen die Corona-Regeln verstoßen hatten. "Davon sind nur noch drei übrig geblieben", so Wolf. "Der Rest wurde zurückgezogen." Das sei nicht unüblich, ergänzt die Richterin, häufig würden es sich die Beschuldigten noch einmal überlegen und sich dann doch dafür entscheiden, das Bußgeld zu zahlen, statt vor Gericht zu ziehen.
Weil Wolf erst seit Dezember den Richterposten am Amtsgericht innehat – zuvor war sie am Heidelberger Landgericht – hat sie bisher nur einen Tag gehabt, an dem sie die Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz verhandelt hat. Ob diese Verfahren alle an einem Tag stattfinden, ist von Richter zu Richter unterschiedlich. Maskenverweigerer oder Verschwörungsgläubige hat Wolf bisher noch nicht erlebt: Am Verhandlungstag am letzten Montag waren es nur Jugendliche oder junge Heranwachsende, die Einspruch gegen ihr Bußgeld erhoben haben. Der häufigste Grund für diese Geldstrafe ist der Richterin zufolge ein Verstoß gegen die Aufenthalts- oder Kontaktbeschränkungen. "Bei solchen Verstößen gibt es in der Regel ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro", erklärt Wolf. Dann würden zum Beispiel Jugendliche oder Schüler Einspruch einlegen mit der Behauptung, die Summe sei unverhältnismäßig hoch.
Ob die Einsprüche Erfolg haben oder nicht, komme ganz auf den Sachverhalt an. "Bei Verkehrswidrigkeiten ist die Erfolgschance eher gering", so die Richterin, denn da gebe es meistens ein Gerät, das zum Beispiel die Geschwindigkeitsüberschreitung beweist. Bei Verstößen gegen die Corona-Regeln sehe es wiederum anders aus: "Da hängt es davon ab, ob man den Sachverhalt aufklären kann und wie überzeugend beispielsweise Zeugen aussagen", schildert Wolf.
So habe sie kürzlich ein Verfahren verhandelt, bei dem ein Mann behauptet hatte, er sei mit seinem Freund die Wieslocher Fußgängerzone entlang gelaufen und habe dabei zufälligerweise einen Bekannten getroffen. Diesen habe er lediglich kurz begrüßt. Die Polizistin aber, die als Zeugin geladen war, schilderte eine andere Situation: Die drei Männer seien mindestens 500 Meter gemeinsam gelaufen – und hätten so gegen die Kontaktbeschränkungen verstoßen. Bei zwei der drei "Corona-Verfahren", die Wolf vor Kurzem verhandelte, wurden die Einsprüche nach Aufklärung, dass ein Verstoß vorliege, zurückgenommen. Bei einem gab es ein Urteil mit einer reduzierten Geldbuße.
Im Jahr 2019 sind der Richterin zufolge insgesamt 128 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingegangen, davon vier gegen Jugendliche oder Heranwachsende. Im Vergleich zum Vorjahr waren es im "Corona-Jahr" 2020 mehr: Insgesamt 169 Ordnungswidrigkeits-Verfahren, davon 160 Verfahren gegen Erwachsene und neun gegen Jugendliche oder Heranwachsende. Bei welchen davon der Einspruch zurückgenommen wurde und wie viele der Verfahren tatsächlich verhandelt wurden, könne man allerdings nicht mehr ermitteln. Seit Beginn des Lockdowns im März 2020 sind insgesamt 38 Ordnungswidrigkeitsverfahren in Zusammenhang mit Verstößen gegen die Corona-Regeln beim Amtsgericht eingegangen. Davon stehen die Verhandlungen bei einigen noch aus.
So auch die Verfahren, die Wolf voraussichtlich im Frühjahr verhandeln wird: Mitte April 2020 sollen trotz eines Betriebsverbots in einem Wieslocher Fitness-Center zehn Personen trainiert haben. Ein Angestellter des Studios behauptete damals, dass lediglich Renovierungsarbeiten stattgefunden hätten, die Polizei traf im Fitnessstudio allerdings alle Personen in Sportkleidung und mit Sporttasche an.