Im Februar durften die Storchenküken der Walldorfer Karnevalsgesellschaft Astoria Störche noch als Minnie-Mäuse bei der Prunksitzung auftreten, für 2021 bleibt es noch ungewiss. Foto: Kerstin von Splényi
https://www.wicker-wacker.de/Von Sophia Stoye
Rund um Wiesloch/Walldorf. Nachdem sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor Kurzem dafür ausgesprochen hatte, die Faschingsveranstaltungen in diesem, aber auch im nächsten Jahr ausfallen zu lassen, folgten kontroverse Reaktionen der einzelnen Karnevalsvereine. Dabei deckt sich Jens Spahns Äußerung mit der Empfehlung der Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalsvereine, die sich bereits im Juni gegen eine Kampagne 2020/21 ausgesprochen hatte. Die Reaktionen und Entscheidungen der Karnevalsgesellschaften und Vereine in der Region um Wiesloch und Walldorf fallen teils sehr unterschiedlich aus.
> Die Faschingshochburg Malsch wird Anfang September eine Entscheidung fällen. Seitens der KG Blau-Rot berichtet Vorsitzender Konrad Becker, dass eine endgültige Entscheidung erst getroffen werde, wenn man sich im nächsten Monat mit dem Verkehrs- und Heimatverein zusammensetze. Dennoch gehe er davon aus, dass es Anfang 2021 keine Faschingsveranstaltungen in Malsch geben wird. "Zumindest sind wir besser dran als die größeren Vereine. Bewirtung oder Unterhaltung machen bei uns alles Einzelpersonen oder Vereine, wir mussten nicht eigens dafür jemanden von außen buchen", so Becker. Werner Keßler vom Verkehrs- und Heimatverein sieht für den beliebten Fastnachtsumzug, der jährlich mehrere tausend Besucherinnen und Besucher anlockt, ebenso schwarz: " Wir haben noch keine offizielle Entscheidung getroffen, aber meine Empfehlung wird sein, den Umzug abzusagen."
> Die Karnevalsgesellschaft (KG) Astoria Störche Walldorf hat zumindest für 2020 alle Aktivitäten abgeblasen. "Wir werden dennoch – nach Rücksprache mit der Bürgermeisterin Christiane Staab – eine Kampagneneröffnung im Rathaus machen", berichtet der Präsident der Walldorfer Karnevalsgesellschaft, Michael Hornig. "Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass nächstes Jahr etwas stattfindet. Aber natürlich geht für uns die Gesundheit vor, und wenn wir nächstes Jahr nichts machen können, wäre das auch kein Beinbruch. Dann ist ein Jahr eben kein Fasching", begründet er seine Entscheidung: Dennoch ist die Prunksitzung im Februar schon durch geplant, die Künstlerinnen und Künstler schon gebucht. "Bis spätestens Mitte Januar müssen wir ihnen absagen, bis dahin schauen wir, wie sich die Situation entwickelt. Sollte Jens Spahn bis dahin allerdings klare Verbote aussprechen, werden wir uns natürlich nicht dagegen stellen. Als Präsident habe ich da auch eine große Verantwortung", erklärt Hornig weiter. Für die Störche bedeute eine Absage keine finanziellen Probleme, "wir haben klug gehaushaltet".
> In Rauenberg ist noch nichts abgesagt worden: Auch hier warte man ab, was in der Zukunft noch komme, erklärt Kämmerer Thomas Dewald. Dem schließt sich auch Helmut Spannagel an: "So wie es im Moment aussieht, werden wir uns an die anderen Gemeinden anpassen. Anfang September wird ein Gremium darüber entscheiden", so der ehemalige Vorsitzende des Musikvereins. Jens Spahn habe den größeren Überblick und angesichts der steigenden Zahlen sei alles noch unsicher. "Bei so einer Veranstaltung sitzt man dicht an dicht zu sechst an einem 1,70 Meter Tisch – wenn ich der Hauptverantwortliche wäre, würde ich es nicht machen", so Spannagel. Somit laute die Empfehlung der Vorstandschaft: Absagen. Endgültig wird man im September entscheiden. Anders als in Walldorf würde eine Absage der Prunk- und Seniorensitzung einen "riesen finanziellen Verlust" bedeuten, weil laut Spannagel auch andere Einnahmequellen wie die Kerwe und wahrscheinlich auch der Weihnachtsmarkt wegfallen werden.
Was mit dem jährlichen Kinderfasching des Tierparks wird, bleibt ebenso offen. "Wir werden die Situation beobachten und Ende des Jahres entsprechend entscheiden. Bisher waren wir aber in allen Belangen in Hinblick auf Corona immer sehr vorsichtig und zurückhaltend", erklärt Timo Teufert, Vorsitzender des Vereins der Vogelfreunde.
> Auch St. Leon-Rot kann ähnlich wie die anderen Gemeinden noch wenig Auskunft geben, die Empfehlung von Jens Spahn hat laut der Roter Ortsvereinsvorsitzenden Ulrika Lawinger-Erhard bisher keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess genommen: "Die Prunksitzung des Gesangvereins wurde schon abgesagt, was den Umzug und die Seniorenfastnacht angeht, ist noch nichts geplant. Das werden wir erst Mitte November entscheiden."
> Die KG Blau-Weiß Wiesloch hält zumindest noch teilweise an ihrer Kampagne fest. Zwar wird laut Präsident Stefan Wolter die Karnevalseröffnung auf alle Fälle abgesagt, über die Prunksitzung wird erst am 30. September entschieden. So optimistisch wie noch im Juni, als die Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalsvereine die Absage der Kampagne 2020/21 empfohlen hatte, ist Wolter angesichts der steigenden Infektionszahlen allerdings nicht mehr. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu diesem Zeitpunkt Großveranstaltungen geben wird", meint er und ergänzt: "Im Palatin könnten unter den aktuellen Bedingungen 130 Menschen an einer Prunksitzung teilnehmen, normalerweise sind es aber zwischen 300 und 400 Teilnehmer. Da müsste ich den Eintrittspreis verdoppeln oder sogar verdreifachen, um die Kosten zu decken."
> Der Stadtteil Frauenweiler passt sich der Entscheidung Wieslochs an. "Wir haben wegen des Umzugs noch keine finale Entscheidung getroffen und werden erst einmal schauen, wie sich die Situation entwickelt. Nicht nur in Bund und Land, vor allem auch bei uns in der Region", sagt Adrian Seidler vom Stadtteilverein. Allerdings bereite die derzeitige Lage wenig Hoffnung, insbesondere weil manche Faschingsveranstaltungen sich Anfang dieses Jahres bereits quasi als Brutstätten des Coronavirus erwiesen hätten, so Seidler. "Deswegen sind wir skeptisch, aber mit der Hoffnung, dass es besser wird."
> In Östringen werde man erst im November entscheiden, was mit dem traditionellen Umzug und der Prunksitzung der KG Wicker Wacker geschieht, teilt Präsident Dominique Meid mit. "Wir haben uns die Entscheidung bis zum 30. November vorbehalten, wenn sie uns nicht schon vorher ,von oben’ abgenommen wird. Dann würden wir auch erst anfangen zu planen." Einen finanziellen Verlust bedeutet das auch für diesen Verein allemal, wie Meid erklärt: Fast 50 Prozent der Haupteinnahmen fehlen wegen der Absage des Jahrmarkts und nun vielleicht auch der Prunksitzung. "Das sind unsere Haupteinnahmequellen", erläutert Meid. Als Reaktion auf die Aussagen Spahns zitiert er seine Mainzer Kollegen frei: "Fastnacht ist ein fester Termin im Kalender wie Ostern oder Weihnachten. Das kann eine einzelne Person nicht einfach absagen."