Beitrag zum Klimaschutz: Diana Neuhauser vom Kreisforstamt zeigt eine Aufforstungsfläche im Mühlhausener Wald. Fotos: Sabine Hebbelmann
Von Sabine Hebbelmann
Mühlhausen. Im Vergleich zu Kiefernforsten in der Rheinebene sieht der Laubmischwald der Gemeinde Mühlhausen im Kraichgau noch intakt aus. Unter die Hauptbaumarten Buche und Eiche mischen sich Eschen, mehrere Ahorn-Arten, Elsbeere und Vogelkirsche. Eine Waldgesellschaft, wie sie hier auch natürlich vorkommen könnte, meint Forsträtin Diana Neuhauser vom Kreisforstamt. Auf Anfrage der Rhein-Neckar-Zeitung nimmt sie sich Zeit für eine Begehung und weist dabei besonders auf Auswirkungen des Klimawandels hin.
Unten sieht alles schön grün aus, doch blickt man nach oben, nimmt man wahr, dass einige der hohen Wipfel Federn lassen. Oder besser gesagt: Zweige und Blätter. Wie Finger strecken sie ihre Äste in den Himmel. "Krähenfüße" nennt Neuhauser das Phänomen. Einen trockenen Sommer könne der Wald verkraften. Doch nun sei es schon drei Jahre hintereinander deutlich zu trocken und zu warm. Die Folgen könne man inzwischen an fast allen Baumarten ablesen.
Die 27-jährige Forsträtin, seit Kurzem im Kreisforstamt für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, wohnt in Stuttgart. "Dort sind bereits viele Bäume braun, die haben den Herbst schon eingeläutet", berichtet sie. Grundsätzlich rät sie Spaziergängern im Wald zur Vorsicht. So habe sie kürzlich erst erlebt, dass von einem grünen Baum unerwartet ein Ast heruntergekracht sei.
In der Nähe des Waldparkstadions zeigt sie eine kleine Lichtung, wo der Forst junge Elsbeeren gepflanzt hat. "Das ist ein Kandidat, der mit Extremjahren klarkommt", erläutert die Försterin. Da er aber nicht so konkurrenzstark ist, wird er durch Wuchshüllen und Pflegemaßnahmen vor schneller wachsender Vegetation und hungrigem Wild geschützt. Allerdings sind die jungen Elsbeeren in rund der Hälfte der Plastikröhren abgestorben. Dafür aber gibt es in der Umgebung Naturverjüngung, also Bäume und Sträucher, die ohne Zutun aus herabgefallenen Samen heranwachsen.
Entlang der B 39 kann man erkennen, dass einige Buchen abgestorben sind. Diese „Krähenfüße“ entstehen, wenn es über lange Zeit zu trocken im Wald ist.Sind sie gestresst, produzieren manche Pflanzen vermehrt Samen. Neuhauser erzählt, dass sich in den letzten Jahren die Mastjahre, also Jahre maximaler Samenproduktion, häufen. Forscher vermuten, dass dies mit dem Klimawandel zusammenhängt. Eine große Buche beim Sportplatz hängt voll mit Bucheckern. "Die verausgabt sich noch einmal richtig, das nächste Jahr wird sie nicht überleben", prophezeit die Forsträtin. An der B 39 sind bereits einige Bäume kahl. Wachsen Buchen im schattigen Waldverbund auf, können sie durch zu viel Sonneneinstrahlung "Sonnenbrand" bekommen und geschädigt werden, räumt Diana Neuhauser ein. Um den Wald klimastabil zu machen, sei es die Strategie des Forstes, ihn möglichst vielfältig zu gestalten. Ziel seien "vitale, junge, wüchsige Bestände", so Neuhauser.
Dass gerade die Alterungs- und Zerfallsphase von entscheidender Bedeutung für die biologische Vielfalt und die Gesunderhaltung des Waldes ist, darauf weist Gemeinderat Bernhard Drabant hin. "Erst hier entstehen in ausreichender Häufigkeit diejenigen Lebensraumstrukturen, auf die eine große Zahl von waldbewohnenden Arten angewiesen ist und die dem gesamten Wald ökologische Stabilität verleihen." Für die Grünen in Mühlhausen hat er sich intensiv mit der Materie befasst. Der Aufbau möglichst vielfältiger Mischbestände als Strategie zur Anpassung der Wälder an die Herausforderungen des Klimawandels wurde bereits 2007 in der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt empfohlen. Das Ziel, bis 2020 fünf Prozent der gesamten Waldfläche in Deutschland dauerhaft der natürlichen Entwicklung zu überlassen, wird jedoch voraussichtlich deutlich verfehlt.
Zumindest in Mühlhausen aber könnte das Ziel annähernd erreicht werden. Einmütig unterstützte der Gemeinderat den Antrag der Grünen, bis Ende des Jahres sieben Prozent (18 Hektar) des kommunalen Waldes als "Naturwald" aus der forstlichen Nutzung zu nehmen und dauerhaft seiner natürlichen Entwicklung zu überlassen. Hierfür wurden gemeinsam mit der Forstverwaltung sechs kleinere Flächen sowie Einzelbäume ausgewählt. Hochgerechnet auf die gesamte Mühlhausener Waldfläche von 400 Hektar, die auch Staats- und Privatwald einschließt, ergibt sich damit ein Anteil von rund 4,5 Prozent Naturwald.
Drabant bezeichnet den Beschluss als einen großen Fortschritt für den Wald- und Klimaschutz in Mühlhausen: "Unbewirtschaftete Wälder leisten im Vergleich zu Wirtschaftswäldern einen größeren Beitrag zur langfristigen Kohlenstoffspeicherung. Insbesondere in den Bäumen selbst und im Boden werden große Mengen an Kohlenstoff gebunden."
Beschlossen wurde außerdem, den Gemeindewald auf angrenzende Flächen zu erweitern und dadurch zu vergrößern. Laut Bürgermeister Jens Spanberger bemüht sich die Gemeinde schrittweise, die für das Vorhaben nötigen Flächen zu bekommen. In diesem Zusammenhang weist er auch darauf hin, dass die Gemeinde an der Aktion "1000 Bäume für 1000 Kommunen" des Gemeindetags Baden-Württemberg teilnimmt. Ziel ist, in den Jahren 2019 und 2020 landesweit in tausend Städten und Gemeinden jeweils tausend neue Bäume zu pflanzen und damit CO2 zu binden.