Hochburg der Spitzenjuristen

Rettigheim hat eine Bank, einen Bäcker, aber zwei Verfassungsrichter

Mit Stephan Harbarth und Josef Christ leben zwei der sechzehn Robenträger im Mühlhausener Ortsteil

15.01.2019 UPDATE: 16.01.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 6 Sekunden

Die Verfassungsrichter Josef Christ (l.) und Stephan Harbarth beim Spaziergang im Rettigheimer Brettwald. Foto: Busse

Von Matthias Busse

Mühlhausen-Rettigheim. Rettigheim, ein lebens- und liebenswerter Ortsteil der Gemeinde Mühlhausen, hat für seine rund 2600 Einwohner einiges zu bieten: Die Infrastruktur stimmt, die Nahversorgung ist gewährleistet, es gibt ein kleines Lebensmittelgeschäft und einen Bäcker, eine Bank, zwei Kindergärten, eine Grundschule und Sportplätze. Weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt ist die Tongrube Rettigheim, die in Fachkreisen zu den bedeutendsten Fossilienfundstätten der Welt gezählt wird.

Wer gerne im Grünen ist und Erholung sucht, der kann im Rettigheimer Brettwald spazieren gehen. Dabei kann es durchaus passieren, dass man zwei leger gekleideten Herren begegnet, die dort gemeinsam unterwegs und ins Gespräch vertieft sind und auch sonst vieles gemein haben.

Josef Christ und Stephan Harbarth sind beide in Rettigheim mit ihren Familien beheimatet, der jeweilige Karriereweg führte die beiden Spitzenjuristen bis nach Karlsruhe ans Bundesverfassungsgericht. Dort sind beide, dann in scharlachrote Roben mit weißem Jabot gekleidet, als Richter im 1. Senat tätig. "Richter am Bundesverfassungsgericht zu werden, das kann man nicht planen", sagen sowohl Christ als auch Harbarth, die sich beide bestens verstehen

"Dass zwei der insgesamt 16 Bundesverfassungsrichter in Rettigheim wohnen, das ist für uns natürlich eine Sensation und zugleich eine große Ehre, darauf sind wir stolz", freut sich Mühlhausens Bürgermeister Jens Spanberger, "das Bundesverfassungsgericht genießt bei allen Bürgern höchstes Ansehen."

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Christ (Jahrgang 1956) schloss zunächst eine Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl ab, bevor er von 1982 bis 1986 Rechtswissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg studierte und dort auch promovierte.

Nach seinen Examina war er als Richter am Verwaltungsgericht Karlsruhe tätig, es folgten Abordnungen an das Bundeskanzleramt in Bonn (1993-1995), an das Bundesverfassungsgericht als wissenschaftlicher Mitarbeiter (1996-1999) und an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim (1999-2000).

Dort wurde er 2001 zum Richter ernannt und erhielt noch im selben Jahr wiederum eine Abordnung an das Bundesverfassungsgericht. Weitere Stationen: Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim (2002-2007), Abordnung an das Staatsministerium Baden-Württemberg (2007-2008), Richter am Bundesverwaltungsgericht (2008-2014), Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts und Vorsitzender Richter des 8. Revisionssenats (2014-2017). Am 5. September 2017 wurde Josef Christ zum neuen Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt, nach einer Gesetzesänderung war er der Erste, der direkt vom Plenum des Bundestages gewählt wurde.

Harbarth (Jahrgang 1971) studierte ebenfalls an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Rechtswissenschaft (1991-1996), wo er auch promovierte. Nach zwei glänzenden Examina erwarb er an der Yale Law School in New Haven (Connecticut/USA) den Abschluss Master of Laws (1999-2000). Von 2000 bis 2018 war er als Rechtsanwalt und Partner (seit 2006) einer wirtschaftsrechtlich tätigen Rechtsanwaltssozietät tätig. Der Juristischen Fakultät der Heidelberger Universität blieb Harbarth stets treu: Von 2004 an fungierte er als Lehrbeauftragter, seit 2018 als Honorarprofessor.

Von seiner Jugend an engagierte sich Harbarth auch politisch, zunächst bei der Jungen Union (ab 1987), dann bei der CDU (ab 1993). Von 2009 bis 2018 war der dreifache Familienvater Mitglied des Deutschen Bundestages und gewann bei den Wahlen 2009, 2013 und 2017 stets das Direktmandat. Von 2016 bis 2018 war Harbarth stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Am 22. November 2018 wurde Harbarth vom Plenum des Bundestages zum Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählt, am 23. November 2018 wählte zudem der Bundesrat Harbarth einstimmig zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, der damit auch Vorsitzender des Ersten Senats ist. Im Juli 2020 wird Harbarth nach Ausscheiden von Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle dessen Spitzenposten übernehmen.

Wer also den beiden Verfassungswächtern im Wald begegnet, der kann davon ausgehen, dass sich deren Gespräch mit hoher Wahrscheinlichkeit um Normenkontrollverfahren und Verfassungsbeschwerden dreht.

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