Von Armin Rößler
"Am Ende steht der Tod", sagt Kirsten Karran. Das ist den Gästen im Hospiz Agape bewusst, kommen sie doch hierher, um in Würde zu sterben. Bewusst ist es aber auch jedem der rund 20 hauptamtlichen und zahlreichen weiteren ehrenamtlichen Mitarbeiter. Die machen "das Beste aus der Situation", nämlich "eine positive Arbeit", so die Pflegedienstleiterin. Deshalb ist diese Arbeit ihrer Ansicht nach trotz der täglichen Beschäftigung mit dem Thema Sterben auch "wenig belastend".
Kirsten Karran kommt nach wie vor "jeden Tag gerne" ins Wieslocher Hospiz, seit sie vor sieben Jahren hier angefangen hat. Direkt nach ihrer Ausbildung hatte sie zunächst im Krankenhaus gearbeitet, "da war das Sterben für mich schlimm". Verborgen hinter dem Paravent oder anonym im Vier-Bett-Zimmer, "das würdelose Sterben hat mich damals immer bewegt".
Dietmar Hopp - Engagement, Stiftung und ProjekteIm Hospiz Agape dagegen habe man ganz andere, "optimale" Rahmenbedingungen. Maximal acht Menschen sind hier zu betreuen, dafür stehen pro Schicht zwei Pflegefachkräfte zur Verfügung, oft unterstützt von Pflegeschülern. Dazu kommen ehrenamtliche Mitarbeiter, deren Einsätze von der Ökumenischen Hospizhilfe Südliche Bergstraße geplant werden: "Jeder hat seine Fachkompetenzen", übernehmen die Ehrenamtlichen laut Kirsten Karran ganz unterschiedliche, aber wichtige Aufgaben. Der eine kümmert sich um die Blumen im Haus oder im großzügigen Garten, die andere spielt zum Beispiel Flöte für die Gäste. "Das ist ein unheimlich guter Rahmen", um das schwierige Thema Sterben gut bewältigen zu können.
Pflegedienstleiterin Kerstin Karran kommt jeden Tag gerne zur Arbeit ins Hospiz Agape, um Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten. Foto: Helmut PfeiferDie Menschen, die hierher kommen, zu 95 Prozent mit Krebserkrankungen im finalen Stadium, werden nicht mehr gesund werden. Das Hospiz ist ausschließlich für schwerstkranke Menschen gedacht, die keine Alternative haben, nicht etwa als Ersatz für ein Pflegeheim. Von den Krankenkassen wird sehr genau geprüft, wer kommen darf. "Die Hoffnung wird den Gästen komplett genommen", formuliert Kirsten Karran die Ausgangslage. Gemäß dem Leitwort des Hospizes Agape, "der Zeit mehr Leben geben", möchte man ihnen die letzten Tage oder Wochen bei guten Bedingungen und in schönen Räumlichkeiten gestalten. Das gelingt, wie man aus den durchweg positiven Rückmeldungen der Gäste und ihrer Angehörigen weiß. Und es gelingt vor allem dank zwei Faktoren: dem Team, das hier arbeitet, und dem Haus, das dank Anneliese und Dietmar Hopp zur Verfügung steht.
Dietmar Hopp und die Promis"Wir haben ein sehr stabiles Team und nur eine sehr geringe Fluktuation", sagt Kirsten Karran. Auch und gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, die mit Quarantäne-Bestimmungen für neue Gäste und Besuchsverboten ganz besondere Herausforderungen mit sich gebracht hat, "leisten alle sehr viel", erklärt die Pflegedienstleiterin. Dank der umfangreichen Möglichkeiten zur Weiterbildung habe man unter anderem eine ausgebildete Trauerbegleiterin im Team, aber auch Spezialisten für Akupressur, Kinästhetik und gerontopsychologische Begleitung oder Aromafachkräfte und die "pain nurse", die eine schmerzspezifische Weiterbildung absolviert hat. Dazu kommt mit Michael Belschner ein Palliativmediziner im Haus, der "mit viel Empathie" und "auf eine ganz ruhige, feinsinnige Art" auf die Gäste eingeht. Und natürlich Zusatzangebote durch Wund-, Physio-, Kunst- und Musiktherapeuten, eine Psychologin oder die Pfarrer Alexander Hafner und Sandra Alisch, die regelmäßig zum Wochenausklang das Hospiz besuchen. Angebote, die gerne wahrgenommen werden, je nach den persönlichen Neigungen.
Dabei versucht das Team, den Gästen den Tag so individuell wie möglich zu gestalten. Wenn jemand erst um 10 Uhr aufstehen möchte oder das Mittagessen abends um 8 einnehmen will – kein Problem, "wir geben unser Bestes", so Kirsten Karran, auch wenn es natürlich Grenzen gibt. Wenn zum Beispiel zwei Pflegekräfte gemeinsam auf einem Zimmer für zweieinhalb Stunden beschäftigt sind und es parallel einen ähnlich gelagerten Fall gibt, müssen andere Wünsche und Aufgaben verständlicherweise warten.
Neben den engagierten Mitarbeitern spielt aber auch das Gebäude selbst eine große Rolle: "Die Leute freuen sich über dieses helle, schöne Haus", sagt Kirsten Karran, "sie dürfen an einem schönen Ort sterben, sie fühlen sich hier wohl". Deshalb sei sie auch froh, dass Dietmar Hopp damals den Kauf und Umbau des ehemaligen Bierkellers ermöglicht habe.
Hopp selbst sagte dazu auf der Feier zum zehnten Geburtstag des Hospizes im Juni 2018, dass vor allem seine Frau Anneliese dafür verantwortlich sei. "Der Bereich Soziales ist meiner Frau schon immer eine Herzensangelegenheit gewesen", erklärte Hopp beim Festakt, sie sei "die treibende Kraft für viele Projekte gewesen". So habe er auch auf ihren Wunsch hin, nach der Lektüre eines RNZ-Artikels über Pläne für ein Hospiz, Kontakt zu Walldorfs damaligem Bürgermeister Heinz Merklinger aufgenommen. Dieser sei "so überzeugend" gewesen, "dass wir uns entschlossen haben, das Hospiz komplett zu finanzieren", blickte Hopp zurück.
Gründerväter des Hospizes bei der Einweihung 2008: (v.li.) Walldorfs damaliger Bürgermeister Heinz Merklinger, Dietmar Hopp, Wieslochs früherer Oberbürgermeister Franz Schaidhammer und der erste Hospiz-Geschäftsführer Hans-Dieter Weis. Foto: Helmut PfeiferIn vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Rathaus-Chefs aus Walldorf und Wiesloch (der damalige OB Franz Schaidhammer) sei mit dem alten Bierkeller in Wiesloch der ideale Standort gefunden worden. Die Zusage der Eheleute Hopp, das Objekt zu erwerben, umzubauen, zu erweitern, zu sanieren und auszustatten und die Finanzierung durch die Hopp-Stiftung zu übernehmen, nannte Merklinger beim selben Anlass "enorm" und "ganz beachtlich". Der Hospiz-Geschäftsführer und Bürgermeister von Reilingen, Stefan Weisbrod, sagte dazu einmal: "Berührte Seelen haben große Herzen gefunden."
Dietmar Hopp und der SportNeben den beiden Städten brachten sich von Anfang an die Ökumenische Hospizhilfe und das Psychiatrische Zentrum Nordbaden (PZN) mit ein. Da beim Hospiz mit Jahresdefiziten in sechsstelliger Höhe zu rechnen ist, sammelt der Förderverein fleißig Spenden. Auch deshalb ist bislang der Notfall noch nicht eingetreten, dass die beiden Städte das Defizit übernehmen mussten, wie einst von den Gemeinderäten beschlossen. "Die machen das wirklich mit Herzblut", sagt Kirsten Karran über den Förderverein, an dessen Spitze heute Peter Schäfer und sein Stellvertreter Hartmut Beck stehen. Ihre Vorgänger als Vorsitzende waren Dr. Gerd Grossmann und Hans Klemm.
Seit das Hospiz Agape im Jahr 2008 seine Tore geöffnet hat, haben gut 1400 Menschen ihre letzten Tage und Wochen in der segensreichen Einrichtung verbracht. Im Durchschnitt sind die Gäste 29 Tage lang im Haus. "Die meisten kommen sehr früh zu uns, wir können sie gut kennenlernen, das ist ein riesiger Vorteil", sagt Kirsten Karran. Denn Kommunikation sei nun einmal das Allerwichtigste, gerade auch, um "der Zeit mehr Leben zu geben".