Sie kümmern sich um 6500 städtische Bäume
Für ihre Schützlinge tun die Mitarbeiter des Amts für Infrastruktur fast alles. Und das mit großem Aufwand.
Von Christiane Barth
Sinsheim. Steffen Gschwind eilt manchmal nachts zu einem Notfall. So wie vor ein paar Wochen, als ein Blitz die mächtige Eiche am Hoffenheimer Rindweg zerriss. Das tat dem städtischen Mitarbeiter in der Seele weh. Denn er ist für das Baumkataster verantwortlich. 6500 Bäume im gesamten Stadtgebiet sowie 147 Baumgruppen hat er unter seiner Obhut – die Obstplantagen nicht mitgerechnet. Denn von diesen geht keine Verkehrsgefährdung aus, da sie auf Wiesen stehen und nicht an Straßen, Gehwegen, Bachufern oder auf Friedhöfen.
Schiefgehen darf nichts. Wenn ein herabfallender Ast eines städtischen Baumes eine Person verletzt, muss Gschwind persönlich dafür gerade stehen. Und nicht nur er, auch Amtsleiter Bernd Kippenhan. Gründlichkeit ist daher Voraussetzung für den Job, den die Leute im Amt für Infrastruktur in der Werderstraße machen.
Apropos Werderstraße: Vor etwa 40 Jahren, als der Bereich umgebaut wurde, sind dort auch der Spitzahorn, der rotblättrige Ahorn, der Bergahorn und die Eichen gepflanzt worden. Mittlerweile sind deren Wurzeln so mächtig geworden, dass sie schon längst die Baumscheiben sprengen. Wohl zu klein geplant, damals. Doch eine Sanierung wäre teuer. Mehrere 10.000 Euro, schätzt Gschind, pro Baumscheibe wohlbemerkt – und davon gibt es entlang der Werderstraße mehrere zu beiden Seiten. Wie unten, so oben: Jene Bäume, die in ausreichend großer Baumscheibe eingefasst wurden, haben eine viel größere Krone.
Ein Baumkataster ist so etwas wie die Vita eines Baumes und nur vermeintlich eine trockene Angelegenheit. Früher hat man sich mit der "visuellen Inaugenscheinnahme" begnügt. Doch dann häuften sich die Schadensereignisse. Daher bestückt Gschwind seit dem Jahr 2008 ein spezielles Computerprogramm: Darin ist der Standort der Bäume verzeichnet, und jeder bekommt eine Nummer. Jede Maßnahme wird dokumentiert. Das ist wichtig, um im Schadensfall belegen zu können, dass der Baum ordnungsgemäß gepflegt wurde.
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Alleine die Pflege des Baumkatasters umfasst genug Arbeit für eine Vollzeitkraft. Hinzu kommen zwei Fach-Agrarwirte und ein Forstwirt sowie ein Helfer, die die Maßnahmen umsetzen. "Doch das reicht nicht", erklärt Kippenhan. Für Spezialaufträge wie kniffelige Fällungen oder Sicherungen müssen Fachfirmen beauftragt werden. "An den städtischen Bäumen hängen sechs Mann plus Fremdvergabe", erläutert Kippenhan.
Der Baumkontrolleur dreht regelmäßig seine Runden. Das Kataster zu pflegen und zu erweitern, ist ein ständiger Prozess. "Wir haben es hier ja mit Lebewesen zu tun", betont Gschwind. Den Baum zu pflegen, hat zudem mit Wertschöpfung zu tun. "Man muss viel Arbeit reinstecken, um sie groß zu bekommen – und das kann schon mal bis zu 40.000 Euro ausmachen", berichtet Kippenhan. Dabei geht es aber nicht um den Wert des Holzes: "Bei uns geht es nur um den Wert, den der Baum aufgebraucht hat, bis er so aussieht wie jetzt", erklärt der Amtsleiter.
Darin enthalten ist auch die Zeit fürs Gießen, die deutlich zugenommen hat. Klimawandel und Trockenheit sind zum großen Problem geworden. "Buchen beispielsweise, die in Saft und Kraft stehen sollten, werden von heute auf morgen dürr", klagt Gschwind. Zwei Mitarbeiter sind im Sommer fast ausschließlich mit Gießen beschäftigt. Dafür wird das gereinigte Abwasser aus der Kläranlage verwendet.
Trockenheitsschäden, wie sie im Wald zutage treten, zeigen sich in der Stadt deutlicher. Eingeschränktes Wurzelwachstum, Kanäle, verdichtete Flächen, schlechterer Sauerstoff- und Wasseraustausch, ein ungünstigeres Luftgemisch, höhere Wärmeabstrahlung, Streusalz: Das alles sind Stressfaktoren, die dazu beitragen, dass die Bäume nicht so wachsen können, wie sie eigentlich möchten, und daher anfälliger werden für Schaderreger. Das Eschentriebsterben oder die Rußrindenkrankheit des Ahorns beschäftigt die städtischen Mitarbeitern genauso wie jene im Forst.
Die Planung von Jungpflanzen orientiert sich am Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021: Neue Bäume braucht das Land", mit dem das Amt für Infrastruktur eng zusammenarbeitet. Bevorzugt werden Bäume, die sich als resistenter gegen Umwelteinflüsse erwiesen haben.
Zu schaffen macht den Mitarbeitern auch, dass die "Lebensäußerungen eines Baumes" zuweilen in der Bevölkerung auf wenig Akzeptanz stoßen. Blätter und Früchte, die auf Gehwege fallen oder Kronen, die Fotovoltaikanlagen beschatten, sind so manchem ein Dorn im Auge: "Manchmal werden die Pflanzen sogar militant geschädigt", sagt Kippenhan. Eingreifen könne die Stadt jedoch selten: "Wir können das nicht nachweisen."
Die Mitarbeiter begleiten "ihre" Bäume von der Pflanzung bis ins hohe Alter. "Wir versuchen, bis zum Schluss alles Menschenmögliche zu tun, um die Bäume zu erhalten", erzählt Gschwind. Und wenn es dann doch zu Ende geht, weint er seinen Schützlingen schon mal eine Träne nach. Wie etwa bei der vom Blitz getroffenen Eiche in Hoffenheim, die nicht mehr zu retten war.