Eine „milde Strafe“ forderten die einen, bis zu sechs Jahre Haft die anderen. Das Urteil fällt am 16. Februar. Foto: Falk-Stéphane Dezort
Bad Rappenau/Heilbronn. (fsd) Was war nach einem Club-Besuch im Dezember 2018 der Auslöser einer Schlägerei mehrerer junger Männer auf dem Parkplatz des Kraichgau-Raiffeisen-Zentrums, in deren Rahmen ein 24-jähriger Deutscher in eine Personengruppe gefahren ist und dabei drei Menschen verletzt hat? Auf diese Frage gab es auch am fünften Verhandlungstag vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Heilbronn keine Antwort. Und sie wird es wohl auch nicht mehr geben. Denn am Ende einer achtstündigen Sitzung verlasen Staatsanwaltschaft, Nebenkläger und Verteidiger ihre Plädoyers. Ein Urteil steht noch aus.
"Wir haben unterschiedliche Versionen gehört, wie die Auseinandersetzung begonnen haben soll", führte der Staatsanwalt aus. Fakt sei jedoch, dass der sechsfach vorbestrafte Angeklagte A. sowohl in die Schlägerei verwickelt gewesen war, als auch ein Fahrzeug in die Personengruppe gesteuert hat. A. habe sich "bewusst ins Auto gesetzt" und dieses "gezielt als Waffe genutzt". Dabei habe er einen möglichen Tod "billigend in Kauf genommen".
Diese Annahme bestätigten für den Staatsanwalt auch Zeugenaussagen. Etwa von Ö., von dessen Mutter das Auto stammte. Dieser hatte in seiner polizeilichen Vernehmung gesagt, dass der Angeklagte die Autoschlüssel haben wollte, "um die Gruppe zu verscheuchen". Somit sei das Tatgeschehen "kein Zufall" oder eine "Verkettung unglücklicher Umstände", sondern vielmehr versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung sowie ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr in insgesamt drei Fällen. Hinzu kommt das unerlaubte Entfernen vom Tatort.
Zuvor bestätigte auch der technische Gutachter in seinen Ausführungen, dass "es möglich gewesen ist, einen Kontakt zwischen Auto und Opfer zu vermeiden". Der Staatsanwalt forderte eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie den Entzug der Fahrerlaubnis.
Ein Nebenkläger-Vertreter ging sogar noch einen Schritt weiter. Für ihn sei das Rückwärtsfahren mindestens versuchter Totschlag. "Oder ist es sogar versuchter Mord durch den Einsatz gemeingefährlicher Mittel?" Denn dem Angeklagten sei es "schlichtweg nicht mehr möglich gewesen, abzusehen, wen er trifft". Nach der Erkenntnis des Gutachters hat A. beim Rückwärtsfahren die beiden Nebenkläger mit der maximalen Geschwindigkeit angefahren. Der Angeklagte erfasste die Opfer mit 15 beziehungsweise 17 Stundenkilometer und schleifte sie einige Meter mit zurück, ehe er abbremste und mit dem Auto zum Stillstand kam.
Strafmildernd sei für den jungen Mann, dass es bei einem Adhäsionsverfahren zu einer Einigung über die Höhe des Schmerzensgeldes kam. Allerdings erst, nachdem dies dem Angeklagten vom Gericht nahegelegt wurde. Erschwerend seien Vorstrafen. Der Nebenkläger forderte sechs Jahre Freiheitsstrafe.
"Naturgemäß sehen wir das anders", eröffnete die Verteidigung ihr Plädoyer. Dank zahlreicher Videos habe man das objektive Geschehen vielfältig nachempfinden können, "doch beim subjektiven sind es nur Mutmaßungen". So sei die Situation sehr dynamisch gewesen. Man wisse nicht, ob der Angeklagte ein Opfer vor seinem Auto hatte liegen sehen und bewusst auf ihn zufuhr. Ebenso könne das Rückwärtsfahren ein Fluchtreflex gewesen sein, da der Angreifer versucht hatte, das Auto zu öffnen. "Es war keine rühmliche Leistung. Aber versuchter Totschlag oder gar Mord auch nicht." Die Verteidiger wollten kein Strafmaß fordern, baten aber um eine "milde Strafe", denn die Haft, die der Angeklagte nach der Tat wegen eines Urteils aus einem Verfahren vor dem Vorfall verbüßen musste, habe ihn geändert. "Es tut mir leid. Ich kann die Sache nicht zurücknehmen. Wir sind alle hier, um mit der Sache abzuschließen. Ich möchte mich bei euch entschuldigen", wandte sich der Angeklagte an die Geschädigten.
Info: Das Urteil wird voraussichtlich am Dienstag, 16. Februar, 13.30 Uhr, verlesen.