Der Mensch macht sich im Idyll des Kallenbergs breit. Foto: Elke Finger (2)/Orths
Von Friedemann Orths
Eschelbronn. Hier wohnen die Gelbbauchunke, der Berg- und Teichmolch, die Wechselkröte. Im Frühjahr laichen Grasfrösche und Erdkröten am Ufer des Sees. In dem Gewässer tummeln sich Rotaugen, Rotfedern, und auch Große Flussmuscheln sind hier heimisch. Zahlreiche Libellen schwirren an den Tümpeln, Schwalbenschwanz-Schmetterlinge flattern vor den steilen Klippen. Doch in letzter Zeit stört der Mensch die Ruhe im Naturschutzgebiet auf dem Kallenberg. RNZ-Leserin Elke Finger aus Eschelbronn macht sich große Sorgen um das Idyll im ehemaligen Steinbruch.
euerstellen und Müll zeugen davon, dass gegen die Regeln verstoßen wird. Foto: Elke Finger/Orths"Das Gebiet liegt uns am Herzen", sagt Finger. Regelmäßig ist sie dort mit Mann und Sohn unterwegs, genießt die Stille und Schönheit der Natur, hat sich eingelesen über Flora und Fauna. Aber sie berichtet auch von Spaziergängern, die ihre Hunde ohne Leine und abseits der Wege springen lassen, von den Hinterlassenschaften der Vierbeiner, die im Gras vertrocknen. Sie hat Grill- und Feuerstellen entdeckt, Müll liegt ebenfalls herum. Den sammelt sie mit ihrem Sohn auch ein, mehrere Tüten haben sie schon zusammengetragen. Finger ärgert sich über eine "zunehmende Ignoranz", es seien auch nicht nur junge Leute, die sich auf dem Kallenberg träfen, sondern dass "auch Menschen in fortgeschrittenem Alter ungeniert im See baden gehen".
Im See rostet das Boot vor sich hin, Foto: Elke Finger (2)/OrthsDoch es hört nicht auf: Das alte Boot, das am Ufer dümpelte, wurde in den See geworfen, Reste eines Feuers voller Zigarettenstummel und Kronkorken zeugen von nächtlichen Partys im Naturschutzgebiet. Offenbar hat sich herumgesprochen, dass der Kallenberg ein in der Region einmalig schönes Rückzugsgebiet ist. Was sich wohl nicht herumgesprochen hat, ist, dass dieses Gebiet nicht Rückzug für den Menschen, sondern für Flora und Fauna bieten soll. "Das Verständnis fehlt einfach", glaubt Finger. Lediglich ein kleines, schwer lesbares Schild weist auf das Naturschutzgebiet hin.
Das Problem ist Bürgermeister Marco Siesing bekannt. Er weiß auch, dass manche ein Schild aber sowieso nicht beeindruckt. "Wir wissen, den Leuten ist heiß, die wollen baden", sagt er im Gespräch mit der RNZ. Deshalb habe man sich bei der Polizei gemeldet, die das Gebiet jetzt "bestreifen" soll. Auch der Müll auf dem Gelände sei ein "großes Problem", aber "das interessiert die Leute nicht so arg". Wenn der Bürgermeister auf dem Berg Verstöße beobachtet, weise er die Leute selbstverständlich darauf hin. Zuständig für den Kallenberg sei die Gemeinde allerdings nicht, Siesing verweist an die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts Rhein-Neckar.
Die Behörde könne bei sämtlichen Ordnungswidrigkeiten Anzeige erstatten. Die höchste Geldstrafe könne sogar 50.000 Euro betragen. Allerdings schaue man dort nur "sporadisch" nach dem Rechten. Nähere Angaben machte das Landratsamt dazu nicht. Eigentümer des Gebiets ist laut Landratsamt die Gemeinde Eschelbronn, aber es gebe auch Teile, die sich in privatem Besitz befänden. Sollte sich ein Unfall auf dem Gelände ereignen, dann hafte der Eigentümer.
Das Zuständigkeitsproblem wird deutlicher, als dann auch die Untere Naturschutzbehörde an das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe verweist. Auf die Frage, ob eine zeitweilige Sperrung des Gebiets infrage kommt, antwortet die Pressestelle des Präsidiums schriftlich: "Der Bereich ist bereits gesperrt." Zu den Gewässern gebe es "keine legalen Wege", der einzige Weg in dem Areal sei ein etwa 70 Meter langer Wirtschaftsweg, der mit einer Schranke versehen ist. Der Weg sei nur "zu Zwecken der Landschaftspflege" angelegt. Das Problem sei, dass "inzwischen ein Trampelpfad um die Schranke herum" führe und es auch mittlerweile von Menschen gemachte Pfade bis zum Gewässer gebe. So denken die Spaziergänger, dass das Betreten des Gebiets erlaubt sei: "Es gibt viele attraktive Stellen in Naturschutzgebieten, bei denen die Menschen durch häufige Begehung Trampelpfade schaffen und dann behaupten, das wären doch Wege", schreibt das Präsidium. Die vom Menschen geschaffenen Schleichwege mit Gehölzen oder Ähnlichem zu bedecken, sei laut RP auch keine Option: Die Wiese in dem Gebiet sei "sehr mager", weshalb man um potenzielle Sperren einfach herumlaufen könnte.
Ein weiteres zunehmendes Problem ist die Trockenheit, die auch nicht vor den Lachtümpeln in dem Naturschutzgebiet Halt macht. Finger weiß, dass sich die verbliebenen Tiere "in die letzten Wasser- und Feuchtgebiete zurückziehen müssen", aber jetzt dringe der Mensch "auch noch in diesen Lebensraum ein".
Was das Wasserproblem am Kallenberg angeht, befülle ein Landwirt im Auftrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe regelmäßig "einige Vertiefungen" mit Wasser, teilt die Pressestelle des RP mit. Dies geschehe nach Bedarf, der abhängig sei "vom Niederschlag vor der Laichzeit der Amphibien". Dies komme vor allem den Gelbbauchunken zugute, die auf dem Kallenberg "eines ihrer größten Vorkommen im Rhein-Neckar-Kreis" haben. Ohne diese Wasserauffüllungen "gäbe es keinen Laicherfolg". Bislang habe das zwischen 1000 und 2500 Euro im Jahr gekostet, schreibt das RP
Eine endgültige Lösung für das Problem wird es wohl nicht geben, schließlich kann das Areal nicht rund um die Uhr von Polizei oder Unterer Naturschutzbehörde bewacht werden. Das RP bittet daher "um Einhaltung der Vorschriften". Und auch Elke Finger appelliert an alle Bürgerinnen und Bürger: "Und vielleicht sollte jeder die Zivilcourage haben, für unseren Kallenberg Stellung zu beziehen und bei Bedarf einzugreifen."