Energiewende

"Wasserstoff ist der Champagner unter den Energieträgern"

Ökonomin Claudia Kemfert sieht im Wasserstoff einen wichtige Stütze bei der Energiewende

19.06.2020 UPDATE: 19.06.2020 18:50 Uhr 1 Minute, 36 Sekunden
Claudia Kemfert. Foto: dpa

Von Annette Dönisch, RNZ Berlin

Berlin. Professorin Claudia Kemfert (51) ist Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaft

Die Bundesregierung fördert Wasserstoff als Energieform – mit neun Milliarden Euro und einem Wasserstoff-Innovationsbeauftragten. Die richtige Strategie?

Durchaus. Grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, kann eine konsequente Energiewende in zwei Weisen unterstützen: Zum einen als Energiequelle zur CO2-Reduktion in einzelnen Industrien, etwa der Stahl- und Schwerindustrie, und zum zweiten als Langfristspeicher. Wenn man aus überschüssigen Erträgen erneuerbarerer Energieanlagen Wasserstoff produziert, müsste man die Anlagen nicht abregeln und auch nicht auf den Bau unbeliebter und überflüssiger Übertragungsnetze warten.

Welchen Beitrag kann Wasserstoff leisten, um die Klimaziele zu erreichen?

Auch interessant
Energie und Klimaschutz: Deutschland soll Wasserstoff-Land werden
Energie: Hoffnungsträger Wasserstoff - Allzweckwaffe für den Klimaschutz?
Energie-Ökonomin Claudia Kemfert: "Dürfen den Klimaschutz nicht aus dem Blick verlieren"

Er ist ein Baustein von vielen. Wasserstoff ist kostbar. Unsere Klimaziele erfordern, dass der Wasserstoff nicht aus Kohle, Öl oder Gas, sondern zwingend aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Das ist aber sehr aufwändig. Von der Herstellung bis zur Nutzung gehen leider bis zu 80 Prozent der Energie verloren. Man braucht also bis zu acht Mal mehr Strom als wenn man den Strom direkt nutzen würde. Wer also davon träumt, mit Wasserstoff seinen SUV zu betanken oder sein Haus zu heizen, der muss sich auf happige Preise einstellen. Wasserstoff ist nicht das neue Öl, sondern der Champagner unter den Energieträgern. Er dürfte vernünftigerweise nur da eingesetzt werden, wo es keine direkte Ökostrom-Alternative gibt, beispielsweise im Schiffs-, Schwerlast- oder Flugverkehr.

Die Regierung sieht auch eine Chance darin, Wasserstoff aus Schwellenländern zu importieren. Ist das ratsam?

Für den absehbaren Wasserstoffbedarf können wir die notwendigen erneuerbaren Energien gut in Deutschland produzieren. Auch produziert werden sollte der Wasserstoff mit erster Priorität in Deutschland. Dann wäre auch sichergestellt, dass er grün – und nicht blau oder grau, also aus fossilen Energien – produziert ist. Langfristig könnte man grünen Wasserstoff sicher auch in Kooperation mit anderen Ländern etwa in Nordafrika produzieren; auch die Unterstützung im Rahmen von EU-Nordafrika-Kooperationen wäre bedenkenswert.

Deutschland will während seiner EU-Ratspräsidentschaft den Klimaschutz vorantreiben. Welche Erwartungen haben Sie?

Subventionen fossiler Energien müssen sofort abgeschafft werden; fossile Infrastrukturprojekte dürfen nicht länger unterstützt werden; Kohle darf nicht durch Erdgas ersetzt werden. Und stattdessen muss alles dafür getan werden, dass alle EU-Länder zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umsteigen. Wirtschaftshilfen gibt es dann nur noch für den Ausbau erneuerbarer Energien, für Kreislaufwirtschaft, für nachhaltige Landwirtschaft, zur Stärkung der Elektromobilität inklusive Schienen- und Ladeinfrastruktur und zur Senkung des Energieverbrauchs. Darauf müssen wir uns konzentrieren, die Unternehmen darauf verbindlich einschwören und durch entsprechende Regularien alle Kräfte bündeln.