Von Jörn Ludwig
Reichenbuch. "Der Teufel soll euch holen, wenn ihr jemals was über mich in der Zeitung schreibt", hat er der Mosbacher RNZ-Redaktion zu seinem Abschied im Jahr 2001 mit auf den Weg gegeben. "tom" war schon immer ein Freund der klaren Worte. Fast zwei Jahrzehnte haben wir uns seinem Willen gefügt, doch heute setzen wir uns darüber hinweg. Natürlich mit seinem Einverständnis, denn bei aller Bescheidenheit hat der Mann, dessen Kürzel über 40 Jahre lang fast täglich im Mosbacher Lokalteil der RNZ zu lesen war, nach gutem Zureden dann doch noch eingesehen, dass wir seinen 90. Geburtstag nicht so einfach verschweigen können.
Journalisten von seinem Schlag gibt es heute gar nicht mehr. Allein schon, weil es im Jahr 2021 undenkbar wäre, dass ein gelernter Schuhmacher und ehemaliger Landwirt über seine Gelegenheitstätigkeit als Ortsberichterstatter zum Redakteur und schließlich zum Ressortleiter einer Tageszeitung wird. Als solcher war er immer unterwegs, immer mittendrin im Lokalgeschehen, Stift und Schreibblock stets gezückt, die Kamera jederzeit schussbereit. Der tägliche Frühschoppen am Stammtisch war seine "Sprechstunde", zu der Bürgermeister und Landräte, Land- und Bundestagsabgeordnete, mitunter sogar Minister kamen. Hier erfuhr er auch Dinge, die er am Redaktionsschreibtisch wohl niemals mitbekommen hätte.
Geboren wurde Thomas Ballenweg am 20. Februar 1931 als sechstes von acht Kindern in seinem Elternhaus im damals noch eigenständigen Dorf Reichenbuch. Nach der Volksschule in seinem Heimatort, dessen Bürgermeister Vater Karl von 1948 bis 1956 war, erlernte er in Neckarelz den Beruf des Schuhmachers, machte sich später selbstständig, bevor er die Schuhmacherei aufgab, um die elterliche Landwirtschaft zu übernehmen. Bereits seit 1950 schrieb "tom" gelegentlich als freier Mitarbeiter für die RNZ, ab September 1959 dann hauptberuflich. Für die Landwirtschaft blieb da nicht mehr viel Zeit, und so konzentrierte er sich fortan voll und ganz auf seine neue Tätigkeit als "rasender Reporter".
Im Sommer 1960 heiratete der Jungjournalist die Wirtstochter Renate Fischer aus Allfeld. Aus der Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor; zwei Enkelkinder komplettieren die Familie.
1969 übernahm Thomas Ballenweg die Leitung der Mosbacher RNZ-Redaktion, die er über 30 Jahre lang, bis zu seinem selbstbestimmten Eintritt in den Ruhestand im Alter von 70 Jahren, innehatte. In seinen Artikeln nahm er kein Blatt vor den Mund, scheute sich nicht davor, Partei zu ergreifen und damit auch mal anzuecken. Das hat ihm nicht nur Freunde beschert, aber auch Respekt verschafft.
Anfang der 1970er-Jahre wurde er bei einem Journalistenwettbewerb mit einem Bundespreis ausgezeichnet, und dieser Ehrung sollten noch weitere folgen. Dazu gehören u. a. die Würdigung "beispielhafter Arbeit in der Lokalredaktion" auf Bundesebene und die Auszeichnung für das "preisgekrönte Foto" durch die Konrad-Adenauer-Stiftung.
Nicht nur bei seinen unzähligen Terminen war "tom" immer ganz nah dran am Tagesgeschehen der Region, besonders wichtig war ihm der direkte Kontakt mit den Leserinnen und Lesern. So initiierte und organisierte er etliche öffentlichkeitswirksame Aktionen wie Räderbobrennen, Sparsamkeitstestfahrten oder die mit einer Spendenaktion für das Kinderkrankenhaus in Bethlehem verbundene vorweihnachtliche Herbergssuche in der Mosbacher Innenstadt. Die Christbaumaufstellung auf dem Marktplatz machte er zum großen Spektakel, dessen Erlös ebenso wohltätigen Zwecken zugute kam wie der des jährlichen Preisskats im KWO.
Seit dem erfolgreichen Abschluss seiner Aktion "Wasser für Finike" gibt es in Mosbachs türkischer Partnerstadt sogar einen nach ihm benannten Platz, den "Ballenweg-Maydani". Auch der traditionelle sommerliche Daheimgebliebenentreff der CDU, in der er über ein halbes Jahrhundert lang Parteimitglied war, geht auf eine Ballenwegsche Initiative zurück. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen ...
"Die Zeitung gehört den Lesern, nicht uns", war seine Devise und auch der Grund dafür, dass es über seinen Texten grundsätzlich keine Autorenzeilen gab und auch die Fotos nur mit "tom" gekennzeichnet waren. Bilder von ihm selbst durften schon gar nicht ins Blatt. Mit einer Ausnahme: als er sich – natürlich wieder für einen guten Zweck – öffentlich seinen markanten Vollbart abrasieren ließ.
Urlaub nahm "tom" selten. Wenn er verreiste, dann waren es in aller Regel Dienstreisen. Auch krank war er fast nie. Und wenn es doch einmal passierte, kam er trotzdem zur Arbeit. So schleppte er sich etwa mit einem Bandscheibenvorfall in schmerzgebeugter Haltung und im Schneckentempo täglich in die Redaktion, von dort aus zum Frühschoppen und wieder zurück, tippte am Schreibtisch den Aufmacher für den nächsten Tag und nahm nachmittags Termine wahr.
Auch im Ruhestand ließ er sich von gesundheitlichen Rückschlägen nicht unterkriegen. Einer war besonders dramatisch: Als er im Jahr 2006 eine steile Böschung hinabstürzte und hart mit dem Kopf aufschlug, erlitt er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Die behandelnden Ärzte machten der Familie keine großen Hoffnungen, dass er seine Verletzungen überleben wird. Und wenn doch, dann mit erheblichen Folgeschäden. Doch mit seiner unglaublichen Zähigkeit kämpfte er sich innerhalb eines halben Jahres, in dem er vier Krankenhäuser durchlief, zurück ins Leben. Kraft gab ihm dabei auch seine Frau Renate, die zeitweise sogar auf einer Matratze auf dem Boden des Krankenzimmers schlief.
Im Gespräch mit seinem einstigen Volontär ist ihm von dieser schweren Zeit nichts mehr anzumerken. Wenn er Anekdoten aus seinem langen Lokaljournalistenleben erzählt, blitzt auch bei dem nun 90-Jährigen noch immer das für ihn so typische schelmische Lächeln auf. Wie etwa bei der vom Minister, der nach einem Mosbach-Besuch wegen eines langen Staus beinahe nicht mehr rechtzeitig zu seinem Anschlusstermin, einer Autobahneinweihung, gekommen wäre. Hätte "tom" nicht die rettende Idee gehabt, vom Lohrbacher Flugplatz aus mit einem Sportflugzeug dorthin zu fliegen und auf der (noch nicht freigegebenen) Autobahn zu landen ... Happy End – und das, obwohl vorher niemand bedacht hatte, dass eine Hochspannungsleitung über die Landeautobahn führte.
Auch wenn seine 90 Lebensjahre nicht immer einfach waren, blickt Thomas Ballenweg mit großer Dankbarkeit zurück und mit Zuversicht auf das, was noch vor ihm liegt. Bescheiden wünscht er sich lediglich, "dass es nicht schlechter wird. Wenn es so bleibt, wie jetzt, bin ich zufrieden." Das wünschen wir ihm auch! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, tom!