"Humor und Melancholie sind ja Kehrseiten der selben Medaille", glaubt Epikur-Liebhaber Jürgen von der Lippe. "Voll fett!" mag es der 70-Jährige am liebsten und brachte damit die ausverkaufte Alte Mälzerei zum Rudellachen. Foto: Peter Lahr
Von Peter Lahr
Mosbach. "Ich könnte eine 30 Jahre jüngere Freundin haben. Das könnte so ein jüngerer Mensch gar nicht." Die unendlichen Geschichten über das spannungsreiche Verhältnis zwischen Mann und Frau - oder umgekehrt - erweiterte Jürgen von der Lippe am Sonntagabend in der ausverkauften Alten Mälzerei noch um das Kapitel "Alt und Jung". Der mittlerweile 70-jährige Entertainer titelt sein aktuelles Soloprogramm "Voll fett!" und bietet darin ein Panoptikum mit einigen "Best-of"-Momenten.
Doch ganz gleich ob es um Jugendsprache, Rudelsingen oder eingespielte Tierfilmchen ging - der notorische Hawaiihemd-Träger brauchte oft nur Schlüsselwörter in den Mund zu nehmen, schon lachte der ganze Saal schallend.
Wer Kinder im Grundschulalter hat, der kennt das Phänomen. Am tollsten sind die verbotenen Worte, bei denen sich die Großen immer gleich riesig aufregen. Ob Kind genau weiß, von was es redet, ist zweitrangig. Allein der Aufreg-Faktor zählt. Diese alte Weisheit aller Klassenclowns hat auch der anstudierte Germanist, Philosoph und Linguist Hans-Jürgen Hubert Dohrenkamp, so der bürgerliche Name des Entertainers, im Laufe seiner 45 Bühnenjahre stets beherzigt. Und der Erfolg scheint ihm Recht zu geben. Im Plauderton eines Gute-Nacht-Onkels erläutert der einstige "Bruder Blattschuss" gleich zu Beginn einige Worte aus der Jugendsprache. Wer "Biotonne" als Synonym für eine korpulente Vegetarierin lustig findet, der hat am gesamten Programm seine helle Freude.
Fiktive Alltagsgeschichten berichten von den großen Unterschieden zwischen Alt und Jung. Klar, was besser ist: Hier steht "70 und immer noch spitz", dort die erschreckend schlechte Qualität der Spermien 20-Jähriger. Doch zeigen gleich drei potenzielle Grabinschriften den unverstellten Blick auf das Unausweichliche. Mit "Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe", habe selbst der Friedhofsbesucher noch etwas zu lachen.
Das Publikum wurde immer wieder miteinbezogen. "Wenn Sie Leute fotografieren und wollen, dass die lächeln, was sagen sie?" Klar, dass der Meister bei "Cheese, Spaghetti oder Ameisenscheiße" nur milde lächelnd abwinkt und eine bedeutend derbere Variante vorschlägt. Und zu der gleich noch eine wilde Japanische-Touristen-Geschichte hinzu spinnt, die in ihrer Skurrilität beinahe von Helge Schneider stammen könnte.
Aber schnell geht es wieder um die Romantik, sprich die Psychologie des Beziehungslebens. "Wie oft furzt ein Mensch am Tag", will von der Lippe von seinen Gästen wissen. Und er belehrt: "Frauen deflatieren auch - aber leiser."
Höchste Zeit für eine Runde Musik. "Du bist die Muse, ich der Pampel", säuselt Jürgen von der Lippe. Später verbeugt er sich vor den Schlagerhelden seiner Kindheit und lädt zum "Rudelsingen" seiner größten Hits ein. Da darf "Guten morgen, liebe Sorgen" nicht fehlen; für Textunkundige auf die Großleinwand eingeblendet. Das Lied belegte im Sommer 1987 zwei Monate lang Platz 1 der ZDF-Hitparade.
"Sind sie schon mal beim Sex eingeschlafen?" will von der Lippe vor der Pause wissen, um hernach als berlinernder Rocker Kalle lautstark für "Laff and pies" zu plädieren. Wie man mithilfe eines "Spezialsmutzi" eine ganze Reihe Fluggäste zum "Reihern" bringen könne, das verrät der liebenswerte Zeitgenosse natürlich ebenfalls.
Lieber ein Glas Rotwein als eine Stunde Muckibude. Auch das Thema Prävention greift der Hypochonder gerne auf. Dass er ganz spontan Scherze dreschen kann, beweist eine Publikumsrunde, die - wie sonst bei "Stadt, Land, Fluss" üblich - einen Buchstaben des Alphabets wählt, worauf von der Lippe so kräftig wie passgenau improvisiert. Selbst auf das hämische Y weiß er zu parieren und erzählt von Yoga und einer "Duftkerze" (siehe: deflatieren).
Eine Maffay-Udo-Grönemeyer-Parodie vervollkomnet den Abend und als Zugabe gibt es voll fette "Fake Fuck News". Da erlebt Trump bei Putin eine ganz besondere Nummer - natürlich im Bereich unterhalb der Gürtellinie. Klare Moral von der Geschichte: "In Amerika geht das: Man muss sich nur einbilden, intelligent zu sein, dann wird man Präsident."