Neben Kunsthandwerker- und französischem Markt lockte auch der verkaufsoffene Sonntag zahlreiche Besucher in die Mosbacher Altstadt. Foto: Jörn Ludwig
Von Peter Lahr
Mosbach. "Sind das schöne Häuser", freute sich am Samstagvormittag eine Besucherin des "Mosbacher Markterlebnisses" in der Hauptstraße. Was für die Einheimischen Alltag ist, bedeutet für angereiste Gäste das Eintauchen in eine pittoreske Fachwerkwelt. Dass das Leben darin alles andere als museal sein muss, zeigte sich beim Kunsthandwerker- und französischen Markt am Wochenende wieder einmal exzellent. Da schlenderten zahlreiche Einheimische sowie Gäste und genossen ein buntes Panoptikum an Schönem und Nützlichem.
Die Händler, Künstler und Handwerker genossen den direkten Kontakt zu den (potenziellen) Kunden an vielen Ständen ganz bewusst. Allgemeiner Tenor: "Viel schöner als im Internet." Und auch der Trend zum "Upcycling", also dem kunstvollen Umgestalten und Aufwerten von gebrauchten Materialien, dauert an und führte zu manch schönem Unikat.
Beim Mosbacher Kunsthandwerkermarkt gab es eine Fülle an schönen und nützlichen Dingen zu sehen und zum Mitnehmen. Foto: Peter Lahr
Ein gutes Beispiel hierfür ist Ela Tkotz. "Ich habe die Säcke gesehen und angefangen, Taschen zu nähen", beschreibt die Michelstadterin ihre "Berufung". Erst nur für sich und die Familie, dann für Freunde und mittlerweile für "alle Welt" fertigt sie aus Kaffeesäcken schicke Taschen an. "Ich nehme einfach die Schere. Ich habe keine Unterlage. Der Plan ist im Kopf", skizziert Tkotz den Werdegang eines Werkstücks. Zur Jute der Säcke kombiniert sie Teppichbodenstücke oder Leder.
"Das war mal ein Ledersofa", erklärt sie lachend, wie sie die Spende von Freunden zum Boden einer Tasche umfunktionierte. Genäht wird auf einer uralten Pfaff-Nähmaschine. Denn: "Die näht einfach alles." Am besten gefallen der Autodidaktin ihre Einkaufstaschen, denn die seien sehr robust. Zu Abwechslung kreiert Ela Tkotz Upcycling-Ohrringe aus gekämmter Wolle oder Leder. Zusammenfassend meint sie: "Ich bin das erste Mal in Mosbach. Aber bestimmt nicht das letzte Mal. Der Markt ist super für mich."
Einen echten Hingucker hat der Pforzheimer Claus Schwarz geschaffen. Sein origineller Bierkasten-Tischaufsatz erhält zahlreiche begeisterte Kommentare von Passanten. Wen wundert’s. Der gelernte Schreiner setzt auf drei übereinandergestapelte Bierkästen einen rechteckigen hölzernen Aufsatz, und schon hat er einen Stehtisch.
Beim Mosbacher Kunsthandwerkermarkt gab es eine Fülle an schönen und nützlichen Dingen zu sehen und zum Mitnehmen. Foto: Peter Lahr
Besonderer Clou bei der Sache: Dank einer eingebauten Klappe können Durstige leicht an den Nachschub kommen. Den Aufsatz gibt es auch aus Buche und geflammt - eben in bester "Grill-Optik". "Zu schade zum Zerschneiden", findet auch Schwarz Kaffeesäcke. Deshalb polstert er sie auf zu Sitzkissen oder rahmt besonders dekorative Motive wie eine Eidechse.
"Speckstein ist schnitzbar wie Holz", erläutert Harry Martin. Er ist seit 30 Jahren Illustrator und "zeichnet" nun eine reich gefüllte Menagerie auf Speckstein - auf Wunsch sogar das Porträt der eigenen Katze, des Hundes. Alles, was er früher zeichnete, bannt er nun mithilfe eines Stahlstichels auf geschliffenen und geölten Speckstein. "Bären brauch ich immer", weiß er von seinen bisherigen Mosbach-Märkten. Inspirieren lässt sich Martin auch in den Museen der Welt - von der Antike bis in die Moderne findet er spannende Vorlagen.
Direkt ins Mittelalter versetzt wähnt sich der Marktbesucher am Stand von Sy Elisabeth Geis. Auch sie hat schon Jahrzehnte Erfahrung gesammelt, allerdings gilt ihr Interesse der alten "Färberey". Sie färbt Stoffe mit Pflanzen. Die Rinde von Granatäpfeln kommt dabei ebenso zum Einsatz wie Pilze von Apfelbaumstämmen. "Cochenille ist das einzige nichtpflanzliche Färbemittel", berichtet Sy Elisabeth Geis und zeigt auf ein Gläschen. Darin befinden sich getrocknete Läuse, die für ein intensives Pink verantwortlich zeichnen.
Kaum zu glauben, dass dabei ein solcher farbenprächtiger "Regenbogen" herauskommt, an dem sich mancher Besucher gar nicht sattsehen kann. Schon ihre Großmutter habe sich gut mit Pflanzen ausgekannt, so die Färberin. Mit Geduld und Experimentierfreude geht sie ihrem Handwerk bis heute nach. Wie ein selbst geschriebenes Buch aufzeigt, geht es dabei mitunter zu wie in einer Alchemistenküche.
Ans Schlaraffenland gemahnt dagegen der "französische Markt". Hier hängt der Himmel voller Flammkuchen und Salamis. "Est-ce que vous voulez Käse?", fragt ein Händler. Très charmant!