Weihnachtsgebäck ist in Mexiko unbekannt. Umso mehr Spaß hatte der Mexikaner José Luis Farrera Pena (2.v.l.) beim Backen zusammen mit Betreuerin Melissa Meister (l.) und seinen Gasteltern Jutta und Pius Haaf (3. u. 4.v.l.) in Gundelsheim. Foto: Anton Zuber
Von Anton Zuber
Gundelsheim. Er liebt den Himmel über Gundelsheim, an dem die Sterne nachts so schön funkeln. Dort, wo José Luis Farrera Pena herkommt, kann er den Sternenhimmel zwar auch sehen, "aber ,deutsche’ Sterne sind schöner", meint der 23-Jährige. Seit Anfang Oktober lebt er für ein Jahr im Rahmen des weltkirchlichen Friedensdienstes bei der Familie Haaf in Gundelsheim. José stammt aus der mexikanischen Hauptstadt Oaxaca.
Überhaupt sei in Deutschland alles ein bisschen anders, als es sich die Mexikaner in seiner Heimat vorstellten. Viele würden Deutschland geradezu "vergöttern" als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Man habe den Deutschen vor Augen, der hart zu sich selbst und zu anderen sei. "Ich hatte dieses Bild nie. Denn in meiner Kirchengemeinde waren immer wieder jugendliche Gäste aus Deutschland, die ich als warmherzig und sympathisch erlebte", erklärt José in gebrochenem, aber gut verständlichem Deutsch. "Die Menschen hier sind keine Roboter. Sie haben ein gutes Herz."
Der schwarzhaarige junge Mann hat in Mexiko Chemie, Pharmazie und Biologie studiert und will den Bachelor und Master erwerben, um in der Forschung behinderten Menschen helfen zu können. Als er das Angebot für Deutschland bekam, habe er sich gedacht, "warum nicht". Er beherrschte zwar kein Wort Deutsch, aber für ein Abenteuer sei er immer zu haben. "Alles" käme ihm hier anders vor als in seinem Heimatland. "Das Essen in Mexiko ist schärfer, bunter, es gibt mehr Zutaten", stellt er fest. Die Deutschen seien weniger spontan als die Mexikaner. "Sie umarmen und küssen sich nicht sofort." José grinst breit, als seine deutsche Betreuerin Melissa Meister die Augenbrauen hochzieht. "Also, nicht so oft. Und nicht jeden", fügt die Mosbacherin hinzu, die ein Jahr weltkirchlicher Friedensdienst in Oaxaca hinter sich hat.
José findet Gundelsheim klasse. Bei seiner Gastfamilie, in der Deutschordenstadt und in der Astrid-Lindgren-Schule Neckarsulm fühlt er sich wohl. Im sozialpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum arbeitet er mit Kindern im Förderschwerpunkt geistige, körperliche und motorische Entwicklung. In der katholischen Kirchengemeinde Gundelsheim engagiert er sich ebenso wie bei Kolping gerne und bei der Guggenmusik "Kuhbergecho" schlägt er die Becken. Schon jetzt ist klar: Gundelsheim ist zu seiner zweiten Heimat geworden. Und für die Gasteltern gibt es immer wieder emotionale Momente, wenn er sie etwa dankbar in seine Arme schließt. Da sind Jutta und Pius Haaf sehr gerührt: "Wir hatten keinen Sohn. Nun haben wir einen." Bei den anfänglichen Sprachschwierigkeiten und beim Einleben haben sie ihm viel geholfen. Auch an das deutsche Essen hat er sich inzwischen gewöhnt. "Am liebsten mag ich Kässpätzle."
Die Haafs engagieren sich besonders gerne als Gasteltern. "Wir sind dankbar und wollen etwas zurückgeben", betont Jutta Haaf. Denn zwei ihrer vier Töchter waren zum Austauschjahr in Mexiko und Argentinien - und dort seien sie sehr herzlich aufgenommen worden. Die Töchter sind inzwischen aus dem Haus, und so ist José als Gast willkommen. Auch die Zeiten, in denen José in den falschen Bus stieg, sind vorbei; inzwischen kennt er sich bestens aus im öffentlichen Nahverkehr.
Vor wenigen Tagen stellte José zusammen mit seiner Gastmutter erstmals Weihnachtsgebäck her. Das kennt ein Mexikaner nicht. "Ich will deutsche Gerichte kochen und Kuchenbacken lernen", sagt José. Noch hat er zehn Monate Zeit dafür.