Was Maschinen können und was nicht - eine Fragestellung, mit der man sich beim ersten interdisziplinären Expertenforum an der DHBW Mosbach unter dem Titel "Heilsbringer Digitalisierung und Künstliche Intelligenz" beschäftigte. Foto: Ursula Brinkmann
Von U. Brinkmann
Mosbach. Watch it - gib’ acht, pass’ auf! Nicht von ungefähr stand wie ein Wink der englische Imperativ über dem Expertenforum, das am Donnerstag in der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach Fachleute unterschiedlicher Herkunft im Lohrtal zusammenführte und Antworten suchen ließ auf die Frage: Sind Digitalisierung und Künstliche Intelligenz Heilsbringer? Die leicht abgewandelte Schreibweise - "watch.it" - lieferte aber zugleich den Hinweis auf den Kern dessen, was hier als Weiterentwicklung jenes Formats verstanden wird, das als Bankforum bereits vier Mal für ein volles Hauses ebenso wie für ein volles Programm des DHBW-Studiengangs BWL-Bank gesorgt hatte, zuletzt im September 2016.
Prof. Wolf Wössner, Studiengangsleiter BWL-Bank und Initiator des Forums, hatte es auch 2019 wieder geschafft, die Referentenliste mit namhaften Experten zu füllen. Neu ist der interdisziplinäre Ansatz, denn an der DHBW startete im Frühjahr 2018 ein Kooperationsprojekt der Studiengänge Bank und Angewandte Informatik. Letzterer wird von Prof. Dr. Dirk Saller geleitet, der rund 60 Studierende der Deutschen Bundesbank in angewandter Informatik unterrichtet: "Wir sind die einzige Hochschule in Deutschland, bei der die Deutsche Bundesbank ihren Informatik-Nachwuchs akademisch ausbildet." So ist das Expertenforum unter diesem Kooperationsdach entstanden. "Die Spitze des Eisberges" hatte Wolf Wössner gut 130 Gäste im Audimax begrüßt, denn weitere Veranstaltungen mit neuen Schwerpunkten sind schon geplant. Beides - Forschungsprojekt und Forum - werde, so Saller, von der zentralen Notenbank gefördert.
Der Schwerpunkt des Forums 2019 lag auf den "Möglichkeiten und Grenzen neuer Technologien aus der Perspektive von Banken und Bankenaufsicht." Eine Expertin und sechs Experten wussten das Thema so fachkundig wie kontrovers zu beleuchten. Sie sind nicht alle in der Finanzwelt zuhause, kamen aus den Branchen Social Media, Software und IT-Beratung. Mancher hat seine Karriere als Banklehrling begonnen, wie etwa Prof. Dr. Uwe C. Swoboda, der als DHBW-Kollege aus Stuttgart nach Mosbach gekommen war und verriet, wie die Mediennutzung von Topmanagern deren Entscheidungen beeinflusse. Soziale Medien spielen als Informationsquelle demnach bei Entscheidungsprozessen eine eher geringe Rolle, der Stellenwert persönlicher Kontakte und Gespräche ist hingegen sehr hoch.
Ob Künstliche Intelligenz (KI) "Hype oder mehr" sei, hinterfragte die einzige Referentin, Britta Daffner, selbst ein DHBW-Gewächs (aus Mannheim). Mittlerweile berät sie im Auftrag des IT-Riesen IBM. "Banken", sprach sie ihr überwiegend männliches Publikum an, "haben von je her große Datentöpfe." Wer sie am besten verarbeiten und nutzen könne, sei der Gewinner. Und weil man auch bei IBM weiß, dass Menschen das menschliche Gegenüber brauchen, hat man dort auf der Basis der Software "Watson" digitale Doppelgänger echter Kundenberater geschaffen - zunächst für eine Schweizer Bank.
Nach Ansicht von Dirk Huppert müssen die Banken aufpassen, dass sie im Wettlauf mit anderen (auch branchenfremden) Anbietern des Finanzdienstleistungssektors mitkommen. Da das Kundenverhalten sich stark verändert habe, drohe Kundenverlust. "Wir haben die Daten und müssen den Anschluss finden", warb der Vertriebsstratege der "DekaBank" dennoch für einen optimistischen Blick in eine profitable Zukunft.
Die Verschmelzung von Mensch und Maschine, sie kann als Segen oder Fluch verstanden werden: Hatte Thomas F. Dapp gezeigt, wie bis zum 20. Jahrhundert eine klare Trennung herrschte, im 21. Jahrhundert die Annäherung stattfindet und künftig die Verschmelzung von beidem kommt, so verbinden sich für den Volkswirtschaftler zwangsläufig Fragen der Ethik mit dieser "Cyborgisierung". Dapp analysiert für die KfW-Bankengruppe digitale Technologien, in seinen Vortrag war er eingestiegen mit der vorgetragenen Lektüre aus einem echten (!) Buch: Hararis "Homo Deus - eine Geschichte von morgen". Solche "tischte" auch Dapp auf - wie die von einem (digital erzeugten) Rembrandt-Gemälde oder jener von einem (ebenfalls im Computer geschaffenen) Gedicht, das einen bedeutenden Lyrik-Wettbewerb gewann. Von Gastgeber Wössner danach befragt, ob er ein digitaler Optimist sei, antwortete der zweifache Vater: "Ja, ich muss es sein." Mit Blick auf die vor ihm sitzenden Studierenden empfahl Dapp, das Thema Digitalisierung breit in die Bildung einzubringen und bewusst mit unseren Daten umzugehen.
Zu einer "Demystifizierung" digitaler Technik rief danach Dr. Udo Milkau auf. "Ich will die KI heute auf den Boden der Tatsachen zurückholen", wertete der Physiker mit Auftrag zur strategischen Bankgeschäftsentwicklung der "DZ Bank" die "Rembrandt-Kopie" weder als kreative noch kognitive Leistung. "Das können allein Menschen - etwas ganz Neues schaffen."
Einen "Mensch-Maschine-Wettlauf" konstruierte anschießend Carsten Krah (SAS Analytik-Software), um bald darauf zu beruhigen: "Die Maschine ist nur so gut, wie wir ihr dabei helfen." Der Mensch, der "facebook" nutzt, stand im Mittelpunkt der Betrachtungen des Beraters von Facebook Germany für die Finanzdienstleistungsindustrie, Gerrit Dietz. Keine Kommunikationsform wachse so schnell wie das Messaging, verlagert sich für den gelernten Bankkaufmann Kundennähe in die Hosentasche, wo das Smartphone stecke und facebook als App auch für Finanzangelegenheiten immer mehr an Bedeutung gewinne.
"Wir Menschen stellen uns den Problemen, in dem wir darüber reden", hatte Prof. Wössner einleitend zum Forum und seiner Fragestellung gesagt. Mit einer bewusst langen Mittagspause und einem "Get together" am Schluss der Veranstaltung wurde diesem Bedürfnis der entsprechende Rahmen gegeben.