Kreisjägermeister Heinz Kaltschmidt und Hündin Thea beim Aussichtsturm Posseltslust auf dem Königstuhl. Foto: Hebbelmann
Von Sabine Hebbelmann
Rhein-Neckar. "Jeder hofft, dass sie nicht kommt, aber es heißt, sie wird kommen", sagt Kreisjägermeister Heinz Kaltschmidt von der Heidelberger Jägervereinigung. Gemeint ist die Afrikanische Schweinepest (ASP), eine Viruserkrankung, die bei Wild- und Hausschweinen auftritt und in der Regel tödlich verläuft. Sie breitet sich seit einigen Jahren über Russland und das Baltikum in Richtung Westeuropa aus. In Polen mehren sich die Fälle, zuletzt wurden infizierte Wildschweine rund 40 Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt gefunden.
Für die menschliche Gesundheit ist das Virus ungefährlich, für Schweinehalter hätte ein Ausbruch der Tierseuche in Deutschland dagegen immense wirtschaftliche Folgen. Unter anderem wäre die Vermarktung von Schweinefleisch und Produkten aus Schweinefleisch in Länder außerhalb der EU verboten. Betroffene Betriebe müssten ihre gesamten Bestände töten und beseitigen lassen.
"Der Rhein-Neckar-Kreis hat sich bereits seit Beginn des Bekanntwerdens der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest mit dieser Thematik intensiv beschäftigt und ist für einen möglichen Ausbruch gut gerüstet", erklärt Sprecherin Silke Hartmann auf Nachfrage. Verantwortlich sei in erster Linie das Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz. Die im Falle eines Ausbruchs erforderlichen Maßnahmen gingen jedoch über die Zuständigkeit der Behörde hinaus, weshalb ein regelmäßig tagender "Runder Tisch ASP" unter der Leitung des Veterinäramts ins Leben gerufen wurde.
Aus Sicht der Jäger gewährt Heinz Kaltschmidt einen Einblick in die Arbeit des Gremiums. Erlegte Tiere, vor allem aber Tiere, die der Jäger tot im Wald findet, sollen untersucht werden. Mit der App "Hilfe im Wald" werden die Tiere geortet und die Koordinaten durchgegeben. Für die Probenahme hat jeder Jagdpächter Tupfer und Röhrchen bekommen. Der Kreis hat sechs sogenannte Verwahrstellen eingerichtet, die gleichmäßig im Landkreis verteilt sind. Dort können verendete Wildschweine nach der Beprobung abgelegt werden. Sie werden dann von der Tierkörperbeseitigungsanstalt abgeholt und entsorgt.
Sollte bei einer solchen Untersuchung das Virus nachgewiesen werden, muss um den Fundort ein drei Kilometer großer Ring gezogen werden. Innerhalb soll absolute Ruhe herrschen, außen gejagt werden. Der Krankheitserreger überlebt in der Natur lange und kann auch durch den Menschen verschleppt werden. Daher darf der Bereich nicht betreten werden.
"Vieles musste vorab geklärt werden", sagt der Kreisjägermeister. Für den Ernstfall wurde ein Krisenstab mit Telefonnummern eingerichtet. Es wurden Schilder gedruckt, die auf ein mögliches Sperrgebiet hinweisen. Im Einzelfall wird geprüft, ob das Gelände es ermöglicht, einen Zaun zu stellen.
Um infizierte Kadaver ordnungsgemäß zu beseitigen, steht ein Bergungstrupp bereit – mit Schutzanzügen, speziellen Behältern sowie geeigneten Fahrzeugen. Es gibt mobile Waschanlagen, um die Fahrzeuge einschließlich Unterboden nach dem Transport zu reinigen. Dabei muss auch das Waschwasser aufgefangen und desinfiziert werden.
Der Jäger berichtet von einem Planspiel, bei dem man einen fiktiven Fundort angenommen hat. Dabei zeigte sich, dass es stark darauf ankommt, wo ein infiziertes Tier entdeckt wird. Verläuft in der Nähe der Neckar oder eine Autobahn? Stehen dort Wohnhäuser? Gibt es einen Maisacker oder einen Weinberg, der dann zeitweise nicht bewirtschaftet werden kann? Oder reicht das Sperrgebiet gar über die Landesgrenze nach Hessen? Für den Fall der Fälle haben die jeweiligen Veterinärämter bereits Kontakt aufgenommen.
Infizierte Tiere sterben meist innerhalb von ein bis zwei Tagen. Die Schwierigkeit besteht darin, sie zu finden. In Schönau wurde bei einer Übung im Sommer der Ernstfall simuliert. Die Teilnehmer sollten zwei im Wald versteckte Wildschweine finden, die zuvor bei einem Verkehrsunfall getötet worden waren. Mit seiner Hündin Thea machte sich auch Heinz Kaltschmidt auf die Suche. Als sogenannter Schweißhund – in der Jägersprache heißt schweißen bluten – ist sie darauf spezialisiert, verletztes Wild zu finden und zu stellen. "Doch das funktioniert nicht, wenn keine Spur da ist. Das haben wir bei der Übung festgestellt", berichtet der Jäger.
Auch Drohnen wurden bei der Suche eingesetzt – vergeblich, denn die Bäume waren zu stark belaubt. Klar wurde auch, dass man den Wald systematisch durchkämmen muss, was aber in dem unwegsamen Gelände mit seinen Felsen und Kuhlen schwierig war. "Man braucht ortskundige Personen, Jagdpächter mit ihren Jägern und den Förster", betont der 71-Jährige. "Das sind die wichtigsten Leute überhaupt."