Bestens aufgelegter Paradiesvogel: Elton John in Mannheim. Foto: Gerold
Von Alexander Albrecht
Mannheim. "The Bitch Is Back!" - und ein Weltstar zurück in Germany. Es war ein handfester Skandal, als Elton John Mitte der 70er-Jahre die Nummer aufnahm, die beim Konzert in der ausverkauften SAP Arena der Opener ist. Radiostationen weigerten sich damals, den Song wegen des Wortes "bitch" (Hure) zu spielen. Die wilden Zeiten im Leben des Elton John sind längst vorbei - dafür erstaunt er mit penibler Pünktlichkeit.
Exakt um 19.30 Uhr erklingt am Mittwochabend der erste Ton, und unter großem Jubel wird der Mann im schwarzen Glitzeranzug begrüßt, der charmant lächelnd seinen Fans zuwinkt. Man mag es während der folgenden mehr als zwei Stunden kaum glauben: 70 Lenze zählt der Kerl inzwischen. Nur der gebückte Gang und kleinere Probleme bei den hohen Tönen zum Finale des Auftritts deuten sein Alter an. Geschenkt! Der bestens aufgelegte Elton John lässt es in der Halle ordentlich krachen. Eingängige Hits wie "Levon" oder "I’m Still Standing" kommen schneller, härter und vor allem lauter daher. Manchmal übertönt das Klavier sogar die Sologitarre des virtuosen Davey Johnstone, während der dauergrinsende Nigel Olsson - der den pummeligen Brillenträger schon seit seiner Anfangszeit Ende der 60er-Jahre begleitet - an den Drums mitunter die Sau rauslässt.
Doch das ist nichts gegen Elton Johns virtuoses XXL-Intro am Piano zu "Rocket Man". Ein Wahnsinn, wie der Altmeister seine Finger filigran über die Tasten fliegen lässt. Bei der Ballade "Your Song" holt das Publikum noch einmal Luft. Dann drehen auch die Fans im bestuhlten Innenraum auf, die zuvor nach den Stücken brav applaudiert haben. Viele pfeifen auf die Sitzordnung, rennen zur Bühne vor, wippen und klatschen mit.
Manchmal sagt ein Bild mehr als 1000 Worte. Das ist nicht nur eine Phrase: Als Elton John "Don’t Let The Sun Go Down On Me" anspielt, ist auf der Leinwand ein riesiges Foto seines verstorbenen Duettpartners George Michael zu sehen. Ein echter Gänsehautmoment. Ebenso emotional wird es, als zu "I Want Love" abgekürzte Städtenamen im Bühnenhintergrund eingeblendet werden, die an die Terroranschläge von Berlin, London, Manchester, Paris, Orlando, Nizza und Stockholm erinnern.
Der eher unpolitische Paradiesvogel wirkt nachdenklich. Er sei zwar nur ein Musiker und Sänger, sagt Elton John, aber er wünsche sich, in einer Welt zu leben, in der es weniger mega-reiche und bettelarme Menschen gibt. So gesehen wäre "I Want Love" auch ein guter Soundtrack zum G 20-Gipfel in Hamburg.
Vor der ersten und zugleich letzten Zugabe schreibt Elton John Autogramme (!), und kündigt an, noch ein paar Jahre dranhängen zu wollen. "Vielleicht sitze ich mit 91 noch hier." Danach kommt das, was auf keinem seiner Konzerte fehlen darf: "Candle In The Wind". Stark!