„Mirage“ heißt die Installation der Künstlerin Lila Karbowska im Rittersaal des Barockschlosses. Foto: Gerold
Von Heike Warlich-Zink
Mannheim. Der Kurfürst hat zum Ball geladen. Carl Theodor empfängt dazu eine illustre Gästeschar im Mannheimer Schloss. Seine Gemahlin Elisabeth Auguste überstrahlt mit ihrer diamantbesetzten Brosche in Form eines Falters alle anderen Damen. Doch auch die Edelsteine in den Krönchen der Prinzessinnen sprühen Funken, sobald sie sich im Kerzenschimmer zur Melodie der Hofmusiker bewegen. So oder so ähnlich könnte es ausgesehen haben Mitte des 18. Jahrhunderts im Rittersaal des Mannheimer Schlosses. Bilder, die unweigerlich vor dem geistigen Auge entstehen, während man als Besucher Teil des "Lüsterlichtballs" wird.
"So funktioniert Erinnerung. Die Rekonstruktion findet allein im Kopf statt", kommentiert Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, die Lichtchoreografie von Joachim Fleischer. Eine von zwei Installationen, die den Festsaal bis 16. August in einen lebendigen Ereignisraum verwandeln.
Lichtspiel Nummer zwei ergibt sich durch eine direkt unter einem der Kronleuchter angebrachte Plexiglasschale mit einem Durchmesser von 2,50 Meter, gefüllt mit unzähligen Spiegelscherben. "Mirage" nennt die Lila Karbowska ihr Kunstwerk. Als "Diamant mitten im Raum" bezeichnet es Ricarda Geib, deren Aufgabe als Kuratorin es war, zeitgenössische Künstler zur Auseinandersetzung mit dem Denkmal passend zum Themenjahr "Unendlich schön. Monumente für die Ewigkeit" einzuladen.
300 Jahre nach der Grundsteinlegung am 2. Juli 1720 hätte das Barockschloss mit seiner besonderen Geschichte von Glanz, Zerstörung und Wiederaufbau eine der zentralen Spielstätten im Themenjahr werden sollen. "Corona hat alles durcheinandergebracht", sagt Hörrmann und ist daher froh, dass zumindest die beiden Kunstinstallationen gesehen werden können. Alle 30 Minuten werden Klänge der berühmten Mannheimer Hofkapelle vom Band eingespielt. Joachim Fleischer steuert mittels Computerprogramm die großen Deckenlüster und Wandleuchter an. Lässt sie im Licht tanzen. Alle zusammen oder nur vereinzelt. Manchmal grell und laut, manchmal nur sanft und kaum wahrnehmbar aufflackernd.
Das Ganze verkörpert Opulenz und Kraft und vermittelt eine Ahnung davon, wie die Festkultur des 18. Jahrhunderts ausgesehen hat. Glanz, der zerbrechlich und vergänglich ist, wie der Blick in die Spiegelscherben von Lila Karbowska offenbart. In ihnen spiegeln sich fragmentartig das Deckenfresko, die prachtvollen Kronleuchter und auch derjenige, der sie betrachtet. "Die ursprüngliche Idee war, ein Scherbenmeer auf dem gesamten Boden auszulegen, um das Deckengemälde komplett zu brechen", so die Kuratorin. Schließlich sei Glas neben Textilien das gewesen, was eine Schlosseinrichtung teuer machte.
Zugleich verkörpert der Spiegel wie kein anderes Objekt das barocke Lebensgefühl zwischen der Sinnenlust und der Klage über Vergänglichkeit. Am Ende entschied Karbowska sich jedoch für eine Schale, deren Konturen das historische Verlegemuster des Parkettbodens aufnimmt. Beide Künstler greifen mit ihren Installationen nur sehr zurückhaltend in das historische Ambiente ein. Fleischer arbeitet ausschließlich mit dem Vorhandenen. Karbowska erzeugt ihre Effekte mit Spiegelglas als einem der zentralen Elemente des Barock. Beiden gelingt es, mit ihrer zeitgenössischen Kunst die Fantasie des Betrachters anzuregen und ihm so einen Einblick in die barocke Lebenswelt bei Hofe zu geben.
Info: Das Schlossmuseum ist von Dienstag bis Sonntag sowie an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet.