Gegen diese Kurden-Demonstration im November 2016 hatte die Mannheimer Stadtverwaltung keine Einwände. Foto: Gerold
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Asylpolitik, Klimakrise, Rüstungswettlauf - es gibt viele Gründe, weshalb Menschen auf die Straße gehen. In Deutschland sind Demonstrationen durch das Versammlungsrecht abgedeckt. Das ist im Grundgesetz verankert.
Doch nicht nur die große Weltpolitik treibt die Bevölkerung um - auch lokale Themen wie zu wenig Betreuungsplätze, neue Baugebiete oder die Furcht, den Arbeitsplatz zu verlieren. 210 Demonstrationen wurden im vergangenen Jahr in Mannheim laut Verwaltung angemeldet. 2017 waren es mit 189 ein bisschen weniger. Eine davon hat die Stadt jedoch verboten. Dagegen hat die Veranstalterin eine Klage eingereicht, die am Montag, 27. Mai, vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe verhandelt wird.
Am 16. April 2017 fand in der Türkei das umstrittene Verfassungsreferendum statt. Für den 10. April meldete Silke Makowski im Namen eines breiten linksgerichteten Bündnisses eine Demonstration unter dem Titel "Staatsterrorismus stoppen! Weg mit dem Verbot der PKK!" in Mannheim an. "Demonstrationen können nur von Einzelpersonen und nicht von Organisationen oder Bündnissen angemeldet werden", erklärt sie. Deshalb fungierte sie als Anmelderin und Versammlungsleiterin.
Ein Treffen mit den Vertretern des Ordnungsamts sei vielversprechend verlaufen. Lediglich auf ein paar Änderungen der Route aufgrund von Baustellen sei bestanden worden. "Damit hatten wir aber kein Problem", betonte Makowski. "Doch wenige Tage später vollzog das Ordnungsamt eine 180-Grad-Wende und verbot unsere Veranstaltung komplett." Die Begründung konnte sie nicht nachvollziehen. Angeführt wurden ein "angestiegenes "Aktions- und Aggressionsniveau der gewaltbereiten Linksextremisten". Zudem wirft sie der Verwaltung vor, mit der Aussage "bei den jungen Kurden vorhandenes Gewaltpotenzial" diese pauschal zu kriminalisieren.
Da das Verbot sehr kurzfristig erfolgt sei, habe man sich gegen eine Klage im Vorfeld entschieden. "Wir wollten unsere Klage sorgfältig vorbereiten", erklärt Makowski. Sie wählte den Weg über eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage, bei der ein Gericht im Nachgang Unrechtmäßigkeiten feststellen kann. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Zwei Mal ist der Gerichtstermin vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe mittlerweile verschoben worden. Am Montag, 27. Mai, soll jetzt endlich über den Sachverhalt entschieden werden. "Wir sehen in dem Verbot einen eklatanten Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien und hoffen, dass die Richter feststellen, dass die Verbotsgründe keine Rechtfertigung darstellen."
Wenn eine Kommune entscheidet, das Recht auf Versammlungsfreiheit zu beschneiden, müssen die Gründe schwerwiegend sein. Beispielsweise, wenn mögliche Gefahren für die Allgemeinheit entstehen könnten. Genau das befürchtete man im Mannheimer Rathaus. "Nachdem sich kurzfristig neue Erkenntnisse hinsichtlich der Gefährdungslage ergeben hatten, die in Zusammenhang mit dem Verfassungsreferendum standen, entschloss sich die Stadt Mannheim schließlich dazu, die Demonstration zu verbieten", so ein Stadtsprecher.
Dass solche Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, haben die Eskalationen bei kurdischen und türkischen Demos - zuletzt im September 2015 - gezeigt. Damals war es bei Demonstrationen und Kundgebungen von beiden Seiten zu Ausschreitungen in der Mannheimer Innenstadt gekommen. Oberbürgermeister Peter Kurz, der das Zusammenleben in seiner Stadt gefährdet sah, zitierte kurdische und türkische Vertreter zu einem Gespräch ins Rathaus.
Sie sei damals über die Entscheidung sehr überrascht gewesen, erinnert sich Silke Makowski - zumal ihr auch jegliche Ersatzveranstaltung innerhalb des Stadtgebiets untersagt worden war. Die einzige Option sei eine von der Polizei komplett umringte Kundgebung gewesen. "Da kommen sich die Teilnehmer kriminalisiert vor, und man erreicht keine Öffentlichkeit. Und das ist schließlich der Sinn einer solchen Veranstaltung." Deshalb habe man diesen Vorschlag ausgeschlagen.
"Dass eine solche Entscheidung getroffen wird, kommt sehr selten vor. Aber in dem Fall gab es konkrete Anhaltspunkte, dass es zu massiven Verstößen gegen das Vereinsgesetz kommen könnte. Außerdem waren gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Türken zu befürchten, sodass die Gefahrenprognose ein Verbot unbedingt notwendig gemacht hat", erklärt Carola Wacker, Leiterin der Versammlungsbehörde. Mit dem Verbot sei die Stadt Mannheim der einschlägigen Rechtsprechung bezüglich des Vereinsgesetzes gefolgt: Erst im März 2017 hatte das Innenministerium die Verwendung von Bildnissen von PKK-Gründer Abdullah Öcalan während Versammlungen untersagt, so Wacker. Was schwerer wiegt, die öffentliche Sicherheit oder das Recht auf Versammlungsfreiheit, muss jetzt die Justiz entscheiden.