Harry ist ein Gentleman
Im Zoo leben seit Juni drei Weißscheitel-Mangaben – Die Affenart ist in freier Wildbahn stark gefährdet

Die Weißscheitelmangabe Madina lebt seit Ende Juni im Heidelberger Zoo. Hier sucht sie nach Futter in einem Beschäftigungsball. Foto: Rothe
Von Timo Teufert
Heidelberg. Im ehemaligen Orang-Utan-Gehege des Heidelberger Zoos sind neue Bewohner eingezogen: Seit Ende Juni leben drei Weißscheitelmangaben im Menschenaffenhaus und nutzen grazil und leichtfüßig die Klettermöglichkeiten in ihrem neuen Gehege. Mit der im Freiland stark gefährdeten Affenart baut der Tiergarten sein Engagement für bedrohte Affenarten weiter aus: Neben den Weißscheitelmangaben leben im Zoo auch die vom Aussterben bedrohten Roloway-Meerkatzen, ein Kronensifaka, Kattas und Flachland-Gorillas.
"Wir haben uns bewusst dafür entschieden, die zweite Affenart zu halten, um die sich WAPCA kümmert", berichtet Zookuratorin Sandra Reichler. Das Artenschutzprogramm West African Primate Conservation Action (WAPCA) kümmert sich vor allem um die im westafrikanischen Regenwald lebenden Roloway-Meerkatzen und Weißscheitelmangaben. Nach einiger Vorbereitung leben die dreieinhalbjährige Madina aus Dublin, die viereinhalbjährige Nika aus Barcelona und der neue, fünfeinhalb Jahre alte Gruppenchef Harry aus Landau auf der Anlage. "Die Zusammenführung war völlig problemlos, das war eine Bilderbuchintegration", freut sich Reichler, die in der Zukunft auf Nachwuchs bei den Mangaben hofft.
Hintergrund
Das Affenschutzprogramm West African Primate Conservation Action (WAPCA) hat der Zoo Heidelberg 2001 ins Leben gerufen. Unter seiner Führung haben sich viele europäische Zoos und Organisationen zusammengefunden, die sich für den Schutz der Affen in den
Das Affenschutzprogramm West African Primate Conservation Action (WAPCA) hat der Zoo Heidelberg 2001 ins Leben gerufen. Unter seiner Führung haben sich viele europäische Zoos und Organisationen zusammengefunden, die sich für den Schutz der Affen in den westafrikanischen Regenwäldern einsetzen.
Grund für die Initiative waren die laut Roter Liste der bedrohten Arten als vom Aussterben bedrohten Roloway Meerkatzen, die der Zoo seit 1999 hält. In ihrem natürlichen Lebensraum in Ghana und der Elfenbeinküste leben schätzungsweise nur noch 100 bis 200 Tiere in freier Wildbahn. WAPCA kümmert sich auch um die Weißscheitelmangabe, die als stark gefährdet gelten.
Der Bestand dieser Arten hat sich durch die Abholzung der Regenwälder und den kommerziellen Handel mit Fleisch von Wildtieren enorm dezimiert. Für den Schutz der Tiere werden Zählungen organisiert, eine Auffang- und Zuchtstation in Accra und ein Freigehege in Kumasi betrieben, die Einrichtung von Schutzgebieten vorangetrieben und die Ausbildung und Bezahlung von Wildhütern übernommen. tt
Die Weibchen kamen per Flugzeug am gleichen Tag in Frankfurt am Flughafen an. "Sie sollten nur möglichst kurz alleine sein", erklärt die Biologin. Im Zoo konnten sie dann bereits nach einem Tag ins gemeinsame Gehege gelassen werden: "Nika ist eher schüchtern, doch Madina ist sofort auf sie zu und hat sie gepflegt", berichtet Reichler. Die soziale Körperpflege stärkt die Bindung der Tiere untereinander, fördert die Sozialstruktur und ist ein gutes Zeichen dafür, dass sich die Primaten vertragen. Eine Woche später traf dann Harry in Heidelberg ein: "Er ist ein richtiger Gentleman und war nie aggressiv gegenüber den Weibchen." Er sei nach den ersten Tagen immer souveräner geworden, obwohl er vorher nie in einer Führungsposition innerhalb einer Mangabengruppe war.
Schließlich lebte Harry im Familienverbund in Landau mit seinem Vater Charles zusammen. Er wurde mit einem Seil um den Bauch privat in Ghana gehalten und von den Behörden beschlagnahmt und schließlich an das WAPCA-Projekt abgegeben. "Charles war total abgemagert und hatte vereiterte Wunden vom Seil", sagt Reichler. In der WPACA-Station in der ghanaischen Hauptstadt Accra wurde Charles wieder aufgepäppelt, bevor er 2010 nach Landau kam.
Auch interessant
"Sein Sohn Harry ist deshalb genetisch für das europäische Erhaltungszuchtprogramm sehr wertvoll", betont die Kuratorin. Schließlich gelangten so frische Gene aus dem Freiland in die europäische Zoo-Population, die von der Zuchtbuchführerin Maria Teresa Abelló aus Barcelona für das Erhaltungszuchtprogramm koordiniert wird. Insgesamt leben 119 Weißscheitelmangaben in 17 europäischen Zoos sowie in der Zuchtstation in Ghana. In Deutschland halten neben Heidelberg nur die Tiergärten von Duisburg, Landau und Osnabrück die Tierart.
Vorerst müssen die Weißscheitelmangaben noch mit ihrem Innengehege vorlieb nehmen, doch sobald der Rasen angewachsen ist, dürfen sie auch das neue Außengehege benutzen. Dort mussten - nach dem Auszug der Orang-Utans - die Gitter verkleinert werden, Rasen und Büsche angepflanzt sowie neue Beschäftigungsmöglichkeiten und ein Wasserbecken zum Planschen installiert werden. Über neue Scheiben erhalten die Besucher zudem bessere Einsichtsmöglichkeiten.
Im September sollen auch die Roloway-Meerkatzen ins Menschenaffenhaus umziehen. Sie sollen dann direkt neben den Weißscheitelmangaben leben. Da sich beide Arten auch in freier Wildbahn den Lebensraum teilen - Mangaben halten sich gerne am Boden auf, während sich die Roloway-Meerkatzen in den Baumwipfeln wohl fühlen -, will Reichler nicht ausschließen, dass in Zukunft beide Arten auch in einem gemeinsamen Gehege gehalten werden könnten.



