Von Micha Hörnle
Heidelberg. Marc Massoth ist der neue Leiter des städtischen Amtes für Wirtschaftsförderung und folgt damit Ulrich Jonas nach, der im Juli 2017 in den Ruhestand gegangen ist. Auf seiner jüngsten Sitzung berief der Gemeinderat den 43-Jährigen in das neue Amt. Auch wenn Massoth, der aus Mosbach stammt, erst seit einem Jahr in dem schmucken Gebäude an der Ecke Mönchgasse/Heiliggeiststraße - es beherbergte früher das Stadtarchiv - arbeitet: Er ist schon ein alter Hase in der Branche.
Zehn Jahre lang war er vorher Wirtschaftsförderer in Walldorf, wo er heute noch mit seiner Familie wohnt. Studiert hat er Geografie, Politikwissenschaft und Geologie in Heidelberg, bei der hiesigen Verwaltung begann sein Arbeitsleben: Er startete einst im Umweltamt und schrieb seine Diplomarbeit über das Projekt "Nachhaltiges Wirtschaften". Der RNZ verrät er, was er alles vorhat - und wie Heidelberg wirtschaftlich dasteht.
Hört man Heidelberg, denkt man an die alles dominierende Universität. Wieso braucht es da überhaupt einen Wirtschaftsförderer?
Weil die Wirtschaft in der Stadt allgegenwärtig ist und von uns allen gebraucht wird. "Wirtschaft-findet-Stadt", um einmal das Motto der Internationalen Bauausstellung, "Wissen-schafft-Stadt", abzuwandeln. Natürlich sind die Universität und die Wissenschaftseinrichtungen ein massiver Wirtschaftsfaktor; und erst unlängst beim Bürgerfest landete die Universität bei den Besuchern an unserem Stand auf dem ersten Platz, als wir nach deren Lieblingsunternehmen in Heidelberg fragten. Unsere Herausforderung ist, das Bewusstsein für die gewerbliche Wirtschaft hochzuhalten, auch wenn vielen Bürgern deren Konsequenzen nicht so bewusst sind.
Und die wären?
Ganz banal: Wo kaufe ich ein? Wo gibt es einen Handwerker? Oder wo soll ich arbeiten? Außerdem schafft die Wirtschaft mit ihren Steuern erst die Grundlage für all die Aufgaben, die die Stadt erbringt. Ohne Gewerbesteuer - die die Universität übrigens nicht zahlt - wäre das sehr schwer.
Wie sehr schmerzt es, wenn eine Firma wie die "Druckmaschinen" weggeht?
Das schmerzt schon, aber das kam ja mit Ansage - wegen der Anpassungsprozesse in dieser Branche. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es ein anderes Unternehmen mit Heidelberg im Namen gibt, das sich ausdrücklich für unsere Stadt als Firmensitz entschieden hat: HeidelbergCement. Diese Entscheidung kann man nicht hoch genug wertschätzen.
Wie gut ist denn der Ruf des Wirtschaftsstandortes Heidelberg?
Als ich das noch durch meine Walldorfer Brille sah, musste ich schon sagen, dass wir im Umland von Oberzentren wie Mannheim oder Heidelberg profitierten. Vor allem, weil bei uns oft die Genehmigungsprozesse schneller waren und die Grundstücke sowie die Gewerbesteuern günstiger. Daher ist nun unsere Aufgabe in Heidelberg, schneller zu werden. Denn es macht für die meisten Unternehmen wenig Unterschied, ob sie in Wieblingen oder in Edingen sitzen. Aber generell hat Heidelberg einen klingenden Namen - und ich bin immer wieder überrascht, wie stark der ist. Das liegt am Innovationspotenzial in der Stadt - und dass viele mit dieser Stadt etwas Gutes verbinden.
Wonach richten Unternehmen ihre Ansiedlung aus? Am Ruf der Stadt? Oder nicht doch eher am Gewerbesteuersatz?
Das kommt auf das Unternehmen an. Viele Firmen kommen aus der Region, während komplette Neuansiedlungen eher selten sind. Und da ist oft das Fachkräftepotenzial entscheidend, auch wenn die Universität keine technologieorientierte Ausbildung wie Karlsruhe hat.
Gibt es denn Firmen, die Sie nicht wollen - ich denke da an den Korb, den Heidelberg Amazon gegeben hat?
Die Einzelheiten dieser Geschichte kenne ich nicht, allerdings sind wir bei klassischen Logistikunternehmen zurückhaltend. Aber wir sind bei Anfragen offen und bilden uns dann eine Meinung. Unsere Maßgabe ist: Wie viele Arbeitsplätze entstehen pro Hektar? Und bei klassischen Logistikfirmen sind das meist nicht sehr viele.
Ein anderes Thema: War vor 20 Jahren Heidelberg noch die Einkaufsstadt in der Region, hat es diese Position nun an Mannheim abgegeben. Wie dramatisch ist die Lage unseres Einzelhandels?
Gar nicht dramatisch, sie ist gut. Noch vor zehn Jahren hatten wir etliche Ein-Euro- und Backshops, heute haben wir viel hochwertigere Läden. Insofern hat sich die Gesamtsituation verbessert. Was fehlt, sind Sportartikel und hochwertige Textilien. Generell sollten wir das Einkaufserlebnis stärken - also die Frage, wie man einen Tag in der Stadt verbringen kann, mit Einkaufen, Museumsbesuch oder Kaffeetrinken.
Wie groß ist die Konkurrenz von Amazon mit Riesenauswahl und unschlagbarem Preis, ohne dass man aus dem Haus muss?
Die ist schon massiv. Und der müssen wir uns stellen. Daher rücken wir ja auch das Einkaufserlebnis in den Vordergrund. Und man darf sich nicht täuschen: Es hat im Handel immer Veränderungen gegeben: Vor 40 Jahren kamen die ersten Einkaufszentren auf der grünen Wiese auf, die damals bereits die Innenstadt schwächten.
Wäre nicht ein "lokales Amazon" denkbar, also dass sich Händler vor Ort zusammenschließen und ihre Waren auch im Internet verkaufen?
Die Idee an sich ist gut, krankt aber an der Umsetzung: Die Händler werden dann von den Kunden oft mit Amazon verglichen - und können nicht mithalten, gerade was die Lieferzeiten angeht. Wir sollten nicht an den ganz großen Rädern drehen, sondern eher versuchen, einen Stamm an engagierten Händlern zusammenzubringen, der offen für Neues ist.
In Mannheim eröffnete vor anderthalb Jahren das neue Einkaufszentrum Q6/Q7. Werden Sie da nicht neidisch?
Nein. Denn wir brauchen in Heidelberg kein Einkaufszentrum. Was ich mir aber schon vorstellen könnte, sind neue Chancen auf bestehenden Flächen. Ich denke da an das Carré im Menglerbau, das vielleicht ganz neu konzipiert wird. Und wir sollten versuchen, die Segmente zurückzuholen, die uns verloren gegangen sind. Wieso sollten wir nicht versuchen, so etwas wie "Sport Scheck" in die Innenstadt zu holen? Das sollte man einfach mal ausprobieren.
Was wünschen Sie sich für den Handel?
Dass er gut erreichbar bleibt und dass die Schwelle, in die Stadt zu kommen, nicht zu hoch gesetzt wird - zumindest, was das Umland angeht. Ich will die inhabergeführten Geschäfte stärken und auch die Seitenstraßen noch attraktiver machen. Aber in Zeiten der Hochkonjunktur ist es schwierig, Leute zu finden, die sich mit Läden selbstständig machen wollen. Und die bekommen für ihre Ideen momentan kaum Geld von den Banken.
Wie sieht der Einzelhandel in Heidelberg in zehn Jahren aus?
Es wird Konzepte und Läden geben, die man heute noch nicht kennt. Der Handel wird wahrscheinlich auch individueller werden. Was ich aber nicht glaube: dass wir dann eine reine Ausgehstadt sein werden.