Erpresser drohen mit anzüglichen Aufnahmen
500 Euro fürs Löschen gefordert - Doch bisher fiel wohl niemand herein - Polizei registrierte seit April 115 Fälle

Von Micha Hörnle
Heidelberg. Eine neue Erpressungsmasche per E-Mail versucht, die etwaige Scham von Internetsurfern auszunutzen. Unter der Betreffzeile "Dein Ruf steht auf dem Spiel!" behauptet ein Unbekannter, er habe sich in den Computer und dessen Kamera gehackt und den Empfänger gefilmt, als er vor dem Bildschirm onanierte.
Angeblich habe der sich den Virus beim Besuch einer Porno-Seite im Internet eingefangen, und der Unbekannte habe nun die vollkommene Macht über den Rechner. Nun droht der Schreiber, das angeblich kompromittierende Filmchen an Freunde und Bekannte weiterzuschicken - was man nur verhindern könne, wenn man 500 Euro in der Internet-Währung Bitcoin zahlt. Dann würden angeblich die Aufnahmen gelöscht.
Ein Mann aus dem Pfaffengrund informierte die RNZ über die E-Mail, die er bekommen hatte, und er fühlte sich in ein falsches Licht gestellt ("Ich habe mit Porno-Seiten nichts zu tun") und natürlich erpresst - weswegen er die Polizei informierte. Die bestätigte gegenüber der RNZ, dass der Mann nicht allein ist.
Seit April häuften sich die Fälle, seitdem wurden im gesamten Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim 115 Fälle angezeigt; die Polizei geht aber von einer hohen Dunkelziffer aus und vermutet, dass es wohl Zehntausende dieser Erpresser-E-Mails gab. Geld gezahlt wurde in keinem Fall. Die 500 Euro zu überweisen, sagt Polizeisprecher Norbert Schätzle, wäre das Dümmste, was man machen kann, denn niemand kann garantieren, dass die Erpressung damit aufhört.
Bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kennt man dieses Phänomen, das Fachleute "Sextortion" nennen - ein Kunstwort aus den englischen Worten "Sex" und "Extortion" (Erpressung): "Erpresser-E-Mails gibt es immer wieder, und immer wieder spielt man mit der Scham der Absender", sagt Oliver Buttler. Sein Rat: "Am besten nicht reagieren und löschen."
Das sieht auch Jürgen Schmidt, Redakteur bei der Computerfachzeitschrift "c’t" so: "Löschen, und gut ist." Seine Zeitschrift hat auch über diese neue Masche berichtet und nennt die E-Mails schlicht "Fakes", also einen Schwindel. Denn mitnichten habe der Absender irgendetwas in der Hand.
Das bestätigt auch die Polizei, die davon erfahren hat, dass manchmal die E-Mail an Personen ging, die gar keine eingebaute Kamera hatten. Und Schmidt macht auch darauf aufmerksam, dass der Empfänger nicht mit Namen angeschrieben wird. Es handelt sich also stets um dieselbe Massen-E-Mail, die versandt wird - übrigens an Männer wie an Frauen. Wie die Unbekannten an die E-Mail-Adressen gekommen sind, ist nicht ganz geklärt, Polizist Schätzle vermutet, dass sie im "dunklen" Teil des Internets gekauft wurden.
Aber wäre es nicht theoretisch denkbar, dass sich ein Unbekannter einer Computerkamera bemächtigt? "Hacker haben schon mehrfach demonstriert, dass sie es können", sagt Experte Schmitt, "es ist also prinzipiell möglich. Das Abkleben der Linse ist die gängigste Vorbeugemaßnahme." Allerdings sei ihm kein Fall bekannt, bei dem ein Hacker dann jemanden mit verfänglichem Material erpresst habe. "Bisher liegen keine Hinweise vor, dass die Computer der Empfänger tatsächlich gehackt wurden oder dass die von den Tätern genannten Videos tatsächlich existieren", sagt Polizeisprecher Schätzle. Also eine leere Drohung, die allerdings ein Straftatbestand ist: "versuchte Erpressung", nennt das Schätzle. Und er rät auch ausdrücklich, solche E-Mails der Polizei zu melden.
Das hat auch der Betroffene aus dem Pfaffengrund getan. Als er allerdings erfuhr, dass es praktisch keine Chance gibt, der Erpresser habhaft zu werden, zog er die Anzeige zurück. Denn, so Schätzle: "Nach den bisherigen Erkenntnissen sind die Täter bandenmäßig organisiert und agieren vom Ausland, insbesondere von Osteuropa aus." Daher führt das Landeskriminalamt in aller Regel die Ermittlungen.
Das rät die Polizei, wie man auf erpresserische E-Mails reagiert:
> Niemals antworten, denn sonst weiß der Absender, dass er jemanden erreicht hat.
> Niemals Geld überweisen, denn dann besteht die Gefahr, dass die Erpressung weitergeht.
> Anzeige bei der Polizei erstatten, auch wenn man die Täter möglicherweise nie fasst; dann wissen die Ermittler wenigstens etwas über das Ausmaß der Masche.
> Virenschutzprogramme auf Smartphone, Laptop, Tablet oder Computer sollten immer auf dem neuesten Stand sein; nach dem Löschen der E-Mail sicherheitshalber das Programm drüberlaufen lassen.