Großen Spaß hatten die Kinder, als sie gestern die Blumenstraße in der Weststadt verschönern durften. Foto: Philipp Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die Parole, die Barbara Holborn ausgibt, ist klar: "Wir machen weiter, bis die letzte Sprühdose leer ist." Die rund 20 Kinder und Eltern, die am Freitag in der Blumenstraße in der Weststadt riesige und kleine, fantasievolle und kunstvolle Blumen auf den Asphalt zaubern, haben einfach viel zu viel Spaß und sind so eifrig am Werk. Da wäre es schade, am Material zu sparen.
Was wie eine kunterbunte Spielaktion aussieht, hat einen ernsten Hintergrund. Seit Jahren setzen sich Holborn und ihre Mitstreiter von der Interessengemeinschaft Verkehr (IG Verkehr), die 2016 nach dem tödlichen Unfall eines Neunjährigen in der Theaterstraße entstanden ist, für die Sicherheit von Kindern ein. Holborn ist besonders in ihrem Stadtteil, der Weststadt, aktiv - dem Quartier mit dem größten verkehrsberuhigten Bereich Heidelbergs. Mit selbst gemalten Plakaten machte die Künstlerin in der Vergangenheit die Autofahrer darauf aufmerksam, dass sie sich an die Schrittgeschwindigkeit halten müssen. Zusammen mit anderen Eltern malte sie außerdem "7 km/h"-Piktogramme auf die Straße. Doch damit handelte Holborn sich Ärger ein. "Die Polizei sah darin einen Eingriff in die Straßenverkehrsordnung", erinnert sich Holborn. Und drohte mit einer Anzeige.
Ganz anders die Aktion am gestrigen Freitag: Sie wurde im Vorfeld vom städtischen Amt für Verkehrsmanagement genehmigt. Allerdings dürfen die Kinder nur Blumen, keine Hinweise auf Tempolimits oder sonstige Verkehrszeichen auf den Asphalt sprühen. Und: Das bunte Kunstwerk ist vergänglich. "Wir benutzen Sprühkreide", so Holborn: "Das hält vielleicht sechs Monate."
"Guck mal, was ich gemalt habe", ruft ein Mädchen stolz, während die Freunde Julius (11) und Peter (12) an ihrer Blume feilen und darüber diskutieren, an welchem Blatt sie jetzt noch in anderer Farbe einen Schatten hinmalen könnten. Angesichts der recht eigenwilligen Kreation seines Sohnes Julius, lacht dessen Vater Hans-Peter Gruber: "Ich glaube, er hat mein künstlerisches Talent geerbt." Kurz darauf belehrt der Elfjährige ihn aber eines Besseren: Mit Kreide zeichnet er eine formschöne Blume. "Ich bin eben eher ein Zeichner und kein Maler", kommentiert der Elfjährige sein Werk.
Auf einer Länge von rund 100 Metern entstehen auf diese Weise die unterschiedlichsten Blumen. Während immer wieder hoch konzentrierte Autofahrer ganz vorsichtig an den Kindern und Erwachsenen vorbeifahren und manch einer dabei auch den Kopf schüttelt, finden einige Passanten die Aktion nachahmenswert. "So etwas brauchen wir auch bei uns in der Kaiserstraße", sagt eine Frau. Holborn schlägt vor, dass man dort ja Krönchen hinmalen könnte. Heike Hawicks, die sich als Mutter ebenfalls in der IG Verkehr engagiert, wünscht sich auch Straßenkunst für die Altstadt - vor den Kindertagesstätten in der Karl-Ludwig- und in der Friedrichstraße würden sich die Bilder gut machen. Begeistert sind auch einige Kinder, die an den Sprayern vorbeikommen, spontan schließen sie sich der Aktion an. Nicht jeder zeigt dafür Verständnis. "Gerade eben wollte uns ein Mann wegen Sachbeschädigung anzeigen", berichtet Hawicks. Und kann darüber nur den Kopf schütteln.