Von Birgit Sommer
Heidelberg. Der Schauspieler Steffen Gangloff (46) gehört zu den Publikumslieblingen am Heidelberger Theater. Der zweite Lockdown im Land aufgrund der Corona-Pandemie habe alle viel härter getroffen, erklärt er. "Beim ersten im Frühjahr haben wir gedacht, das kriegen wir schon hin", sagt Gangloff im RNZ-Gespräch.
Herr Gangloff, wann haben Sie das letzte Mal vor Publikum gespielt?
Gute Frage. Gefühlt vor einer Ewigkeit. Es war bei "Bunbury" und muss Ende Oktober gewesen sein. Man verliert das Zeitgefühl.
Was passiert denn zur Zeit im Theater, das bis zum 31. Januar geschlossen wurde? Finden Proben statt?
Derzeit gibt es für mich persönlich keine Proben. Wir hatten ja noch die Generalprobe für das Stück "Endspiel", dessen Premiere dreimal verschoben wurde. Ich werde mich jetzt immer mal wieder mit dem Kollegen Hans Fleischmann treffen und mit ihm den Text durchgehen, damit das nicht verschüttgeht.
Kann man die Saison überhaupt planen?
Nein. Alle befinden sich im Schwebezustand, alles schiebt sich immer weiter nach hinten. Das kommt einem vor wie ein Stau auf der Autobahn. Ich denke, das Theater muss ein paar Produktionen herausnehmen. Wenn man wenigstens irgendeinen Termin für den Neubeginn hätte!
Hoffen Sie, dass die Schlossfestspiele im Freien stattfinden werden?
Ich hoffe, dass sich die Lage entspannt mit den Impfungen. Bis Sommer ist noch ein bisschen Zeit. Ich glaube aber nicht, dass wir in dieser Spielzeit noch einmal ein ganz normal volles Haus haben und keinen Maskenschutz mehr brauchen werden.
Was macht ein Schauspieler ohne die Bühne? Endlich ausspannen? Laufen gegen die Langeweile statt Laufen gegen Stress, wie Sie früher mal sagten?
Es ist schrecklich. Proben und Bühne fehlen extrem. Man muss schauen, dass man etwas findet, das einen aus dem Loch herausholt. Zusammen mit sechs Kolleginnen und Kollegen bereite ich eine Lesung vor, ein Stück, das noch im Januar auf der Internetseite des Theaters erscheinen soll: "Die Beleidigten", ein Drama des weißrussischen Schriftstellers Andrej Kurejtschik. Ansonsten schlägt man sich den Tag um die Ohren, geht an die frische Luft, läuft, liest ein Buch. Oder ich mache was Schönes zu essen.
Was kochen Sie denn so?
Ich versuche gerade, mir selbst das Kochen beizubringen, Rezepte auszuprobieren. An Silvester gab es zum Beispiel Karpfen blau. Normalerweise hat man ja einen eher hektischen Alltag, und es geht dann in die Kantine.
Beim Lockdown im letzten Frühjahr gab es im Theater die Aktion "Bei Anruf Wort". Da bekamen Anrufer etwas vorgelesen und konnten mit den Schauspielern plaudern. Wie war das?
Es war erst mal sehr ungewöhnlich, so anonym vor nur einer Person am Telefon zu lesen. Nur in einem Altenheim wurde das Telefon auf Lautsprecher gestellt und es konnten zwanzig Leute zuhören. Aber das Feedback war großartig. Die Anrufer waren sehr dankbar, sie sagten, dass sie mich persönlich vermissten, dass ihnen die Kultur fehle. Das waren schöne Momente.
Wissen Sie, wie es Ihren Kollegen im Lockdown geht?
So viel ich weiß, geht es allen gut, und es sind alle gesund. In letzter Zeit bin ich aber nur Hans Fleischmann, Andres Seifert und Elisabeth Auer begegnet in den "Endspiel"-Proben. Ansonsten sah man sich höchstens mal in Zoom-Konferenzen. Das ist schon schade, früher hat man auch manchmal zusammen in Kneipen gesessen. Und dann sind die jüngsten Stücke noch mit wenigen Personen! Die Kollegen fehlen schon extrem.
Sie kamen 2011 nach Heidelberg – mit dem Intendanten Holger Schultze. Wie geht es Ihnen inzwischen in der Stadt? Denken Sie manchmal an eine Veränderung?
Ja, da denkt man schon dran. Die neun Jahre sind auch die längste Zeit in meiner Schauspielkarriere an einem Ort. Ich war vorher sechs Jahre in Essen und sechs Jahre in Osnabrück. Ich fühle mich wohl in der Stadt und im Haus und habe auch gut zu tun. Aber man denkt immer darüber nach, weiterzuziehen und eine neue Herausforderung zu suchen. Im Moment bin ich allerdings froh, dass ich in einem festen Ensemble bin. Ich befinde mich hier in einer Komfortzone und in einer super Position. Da bin ich sehr glücklich drüber. Ich habe ja Kollegen und Freunde, die jetzt kein Geld verdienen. Ich hoffe, dass es für sie schnell besser wird.
So frisch im neuen Jahr – was wünschen Sie sich für 2021?
Erst mal, dass meine Familie gesund bleibt – ich habe ja Eltern in Rostock –, und dass der Dornröschenschlaf bald zu Ende geht und das öffentliche Leben wieder stattfindet. Vielleicht sind wir mit dem Frühling, wenn alles anfängt zu wachsen und zu sprießen, aus dem Gröbsten raus.