Blick über die Dächer der Altstadt: Nicht nur in diesem Stadtteil ist das Wohnen teuer. Foto: Hörnle
Von Sarah Hinney
Heidelberg. Seit 20 Jahren befindet sich im Herzen der Altstadt eine Wohngemeinschaft, in der vornehmlich Studierende und junge Berufsanfänger leben. Aktuell sind es neun Personen, die sich zehn Zimmer auf zwei Etagen teilen und eine gemeinsame Küche nutzen. Jetzt hat der Eigentümer Eigenbedarf angemeldet und das Mietverhältnis gekündigt – die Bewohner sollen raus, und zwar flott. Eigentlich ist die Geschichte damit fertig erzählt. Nur wollen die Studierenden nicht ausziehen – oder jedenfalls nicht so schnell, wie es der Vermieter möchte. Letzterer hat nun auf Räumung geklagt und jetzt stehen sich Vermieter und Bewohner vor Gericht gegenüber.
Am Dienstagvormittag bemühte sich Richter Stephan Maier intensiv darum, die Parteien von einer Einigung zu überzeugen, weil ein langwieriges Verfahren für alle keine Lösung sein könne – allerdings ohne Erfolg. Anfang Februar entscheidet nun der Richter. Rückendeckung bekommen die Studierenden vom Heidelberger Wohnraumbündnis. Sogar ein paar Protestierende hatten sich am Dienstag vor der Verhandlung vor Gericht eingefunden. Juristisch hilft ihnen das freilich nichts.
"Die Tatsache, dass der Kläger insgesamt elf Verfahren eröffnet hat, verdeutlicht, dass das Ziel keine einvernehmliche Lösung ist, sondern dass die Wohngemeinschaft Platz für hohe Mieten machen soll", erklärt Raoul Fessler vom Wohnraumbündnis, der das Geschehen schon lange mitverfolgt. Der Konflikt bestehe seit gut drei Jahren.
"Ausgangspunkt war eine Mieterhöhung um 200 Euro pro Stockwerk", berichten die Bewohner der RNZ. Inzwischen ist zwischen den beiden Parteien quasi alles zu spät. Von fünf, sechs verschiedenen Kündigungen sprechen die Bewohner: "Er hat auch alle einzeln verklagt." Vor dem Amtsgericht geht es jetzt um Mietverträge, Kündigungsgründe und viele Details. Beispielsweise um die Frage, ob der Mietvertrag mit der Hauptmieterin überhaupt noch besteht. Sie wohnt nämlich gar nicht mehr dort.
Für den Eigentümer war das Grund genug für eine fristlose Kündigung, weil es bislang nie so gewesen sei, dass die Hauptmieter nicht im Haus wohnen. Richter Maier muss auch entscheiden, ob eine Bewohnerin nun ihr Zimmer räumen muss oder nicht. Und letztlich geht es vor allem darum, wann. Geht es nach dem Eigentümer, wären die Bewohner längst weg. Die hingegen forderten am Dienstag, mindestens noch das laufende Jahr über dort wohnen zu dürfen. Den Kompromiss, den Richter Maier vorschlug, das Mietverhältnis am 30. Juni zu beenden, bei gleichzeitigem Recht für jeden, vorher auszuziehen, lehnte die Beklagte am gestrigen Donnerstag nach kurzer Bedenkpause ab. "Die Wohnungssuche ist schwer, und alle haben schon genügend Herausforderungen im Beruf oder durch die schwierigen Studienbedingungen", begründet sie die Entscheidung.
Dazu kommt, dass die WG-Bewohner in Zweifel ziehen, dass der Eigentümer tatsächlich mit seiner Rechtsanwaltskanzlei in die Räume ziehen möchte. Damit begründete er aber seinen Eigenbedarf am Dienstag vor Gericht. Dass die Stimmung zwischen den Parteien inzwischen eisig ist, war mit Händen zu greifen. Kalt sei es indes auch in den WG-Räumen, berichtete eine Bewohnerin. Die Fenster seien undicht, einige gingen nicht zu, die Wohnungen seien insgesamt in sehr schlechtem Zustand. Pro Etage zahlten sie dennoch 1180 Euro Miete – kalt.
Und das beschreibt das eigentliche Problem. Dass Wohnraum in Heidelberg derart knapp ist, dass Studierende wegen einer zugigen, kalten Wohnung lieber vor Gericht ziehen, als auszuziehen.