Der 26-jährige Leon Maria Spiegelberg trat sein erstes Engagement am Theater Heidelberg an. Foto: Friederike Hentschel
Von Birgit Sommer
Heidelberg. "Ödipus" von Sophokles – das ist am Samstagabend im Alten Saal des Theaters die erste Premiere von Leon Maria Spiegelberg. Eine Geschichte von Schuld, vom Kampf gegen eine Seuche und vom Schrecken der Erlösung. Der Schauspieler aus Berlin ist einer der Neuen am Heidelberger Theater und hat von der Stadt erst Schloss, Alte Brücke und Neckarwiese gesehen – so viel wie ein Tourist.
Aber er weiß schon, dass es ihm hier auf der Bühne gut gehen wird. "In der Schauspielschule lernt man, dass man als junger Kollege in die Ecke gespielt und von älteren Diven schlecht behandelt wird", meint Spiegelberg und schmunzelt. Doch das gibt es alles nicht in Heidelberg. "Die erste Theatererfahrung ist ganz toll", sagt der 26-Jährige.
Er ist in der Tragödie Bote und Diener und gehört auch zum Chor. "Das klingt nicht so spannend", meint Spiegelberg, "doch das können die besten Rollen sein: Boten kommen aus der Not heraus, haben was Wichtiges zu erzählen und müssen aufpassen, dass sie nicht abgeschlachtet werden". Die großen Rollen kommen sicher noch im Laufe der Karriere auf der Theaterbühne. Was wohl sein Traum wäre? "Das hängt total vom Ensemble und der Regie ab – wenn man Leute hat, mit denen man sich versteht, wäre etwa Hamlet schon eine Hammersache."
Leon Maria Spiegelberg ist Mitglied des Chores from Berliner Ensemble on Vimeo.
Dass der Alte Saal des Theaters bei den Aufführungen wegen der Corona-Pandemie halb leer sein wird, kann er sich noch nicht richtig vorstellen. Nicht, weil der Beifall dünner als sonst ausfallen wird – es geht ihm um das Vibrieren im Saal, das die Schauspieler durch ein Stück trägt. Aber er bleibt positiv: "Wir werden alles dafür tun, dass es ein toller Abend wird."
Mit Abstand zu spielen, sich auf der Bühne nicht zu nahe zu kommen, findet Spiegelberg persönlich gar nicht so schlimm. Eigentlich ist er froh über diese Herausforderung, denn "ein Anfassen die ganze Zeit über", das kann ihn schon nerven. Die Schauspieler verhandeln die Dinge des Lebens diesmal mit Worten. Und das Bühnenbild, das wie ein aufgeschnittenes Haus sei, in dem jeder sein eigenes Zimmer bewohne, helfe beim Abstandhalten, findet Leon Maria Spiegelberg.
Dabei steht die körperliche Aktion genauso wie das Sprechen bei der Ausbildung in der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" (HfS) an vorderster Stelle. Das hat Spiegelberg auch sehr genossen, als er nach seinem Studium von Soziologie und Politikwissenschaft dort angenommen wurde. "Man lernt, dass man seinen Impulsen auf der Bühne direkter folgen kann." Aber das Nachdenken über Menschen und Gesellschaft war ihm wichtig, ebenso wie die Zeit zum Lesen. Schauspielschüler haben sie nicht. Deshalb war das Erststudium für Spiegelberg auch kein Umweg hin zur wahren Berufung, sondern echtes "Futter für den Weg zum Schauspiel". Die Grundlage für den künstlerischen Beruf wurde bei ihm auf dem Berliner Gymnasium gelegt. Eine Vertretungslehrerin, die auch Schauspielerin war, hat ihn für den Unterricht namens "Darstellendes Spiel" begeistert. Er entdeckte sein Talent und begann, die Theater der Hauptstadt zu besuchen.
Doch vor dem Studium hatte Leon Maria Spiegelberg noch Lust auf eine besondere Auszeit: Er ging für die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste nach Israel. Ein Schritt, der ihm in jungen Jahren sehr am Herzen lag. Überlebende des Holocaust in Israel wurden seine Gesprächspartner, allen voran der Künstler Jehuda Bacon, der im Vernichtungslager Auschwitz gewesen war und den der Autor, Theologe und Psychiater Manfred Lütz vor einigen Jahren den "eindrucksvollsten Menschen, dem ich je begegnet bin" nannte. Leon Spiegelberg lernte in Israel auch das moderne Hebräisch, Ivrit. In einer Schule für Menschen mit Behinderungen hat er es sogar unterrichtet, zumindest einzelne Buchstaben gelehrt.
Die Figur des Boten, der die Nachricht bringt, wird Leon Maria Spiegelberg in Heidelberg nicht so schnell los. Doch nächstes Mal wird er in einer Komödie auftreten: in Miroslava Svolikovas "Der Sprecher und die Souffleuse", das im Dezember im Zwinger 1 als deutsche Erstaufführung Premiere hat.
Info: Ödipus, Tragödie von Sophokles, Alter Saal des Theaters, 10., 13., 14., 16., 24. und 25. Oktober, 20 Uhr. Kartentelefon: 06221 / 5820.000.