Kein Aussichtsturm mehr auf dem Königstuhl
Früher konnten Besucher einen traumhaften Panoramablick aus der Höhe genießen. Ein Aufzug brachte sie hinauf.

Von Manfred Bechtel
Heidelberg. Eine Leserin bekam eine alte Ansichtskarte in die Hand, darauf ein Foto von einem Sandsteinturm und die Beschriftung "Der Königstuhlturm". "Wer kann dazu Auskunft geben?", fragte sie und fügte hinzu: "Ich bin ’68 nach Heidelberg gekommen". Da hat sie das historische Gemäuer nicht mehr gesehen, es war schon lange abgerissen.

Seit 1832 hatte der Turm den 567 Meter hohen Gipfel des Königstuhls gekrönt. Nachträglich war ein Außenaufzug angebaut worden. In den 1950er-Jahren wurde dann das Ende des Denkmals eingeläutet, aber die Ausflügler konnten sich freuen, "daß mit dem neuen Turm ihnen eine Aussichts-Plattform nebst Fahrstuhl geschenkt werden würde". So stand es 1960 im "Heidelberger Fremdenblatt". Inzwischen war dort ein Sendeturm aus Stahlbeton entstanden, mit Antenne 82 Meter hoch, die Heidelberger nannten ihn bald "Fernsehturm".
Von der Aussichtsplattform in 30 Meter Höhe bot sich ein traumhafter Rundblick über Täler und Höhen. Auch als Wasserturm für die Nachbarschaft war er von Nutzen. Eine Zeit lang stand der alte Turm noch daneben; man konnte sich vorstellen, dass Rapunzel von dort oben ihr langes Haar herunterlässt. Dann folgte der Abriss.
Rund vier Jahrzehnte konnten Ausflügler mit dem Aufzug zur offenen Besucherplattform hinauffahren. Aber dann war es aus mit dem Blick ins Land. Der Fernsehturm wurde für Besucher geschlossen, wegen "Schäden am Beton", wie es hieß. Schließlich verkaufte die Stadt das Bauwerk an den Südwestrundfunk. Der SWR sanierte es und demontierte den baufälligen Besucheraufzug.
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Die Plattform wurde für technische Anlagen gebraucht, zum Beispiel für Richtfunkspiegel samt Elektronik. Für Besucherverkehr sei keine geeignete Infrastruktur mehr vorhanden, teilte der SWR auf Nachfrage mit.
An das, was auf Heidelbergs Hausberg einmal war, erinnert eine Sandsteintafel unten am Zaun. "Zum Turmaufzug" ist darauf eingemeißelt, dazu ein Pfeil, der ins Nirgendwo weist. Eigentlich bedauerlich, dass es auf dem höchsten Berg der Stadt heute keinen Aussichtsturm mehr gibt, jedenfalls keinen, von dem aus die Öffentlichkeit den Ausblick genießen kann.