Der Nachtragshaushalt sorgte für Konflikte im Heidelberger Gemeinderat. Foto: Stadt
Von Denis Schnur
Heidelberg. Während der Heidelberger Gemeinderat Ende März noch einmal unter strengen Auflagen tagte, sind sich mittlerweile Stadträte und Verwaltung einig: Derzeitig wäre eine weitere Sitzung mit physischer Anwesenheit unverantwortlich. Schließlich gehören viele Gemeinderäte aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe, andere pflegen Angehörige oder arbeiten in Kliniken.
Dennoch sollen auch in den nächsten Wochen Entscheidungen gefällt werden. "Es ist wichtig, dass wir auch in Krisenzeiten handlungsfähig bleiben und politische Beschlüsse zu stadtrelevanten Projekten herbeiführen", betont Oberbürgermeister Eckart Würzner. Deshalb greift der Heidelberger Gemeinderat derzeit erstmals in seiner Geschichte auf das elektronische Umlaufverfahren zurück.
Die baden-württembergische Gemeindeordnung sieht dies für sogenannte "Gegenstände einfacher Art" vor. "Das elektronische Verfahren ist nicht für alle Projekte möglich. Aber es geht gut bei Themen, bei denen keine kontroversen politischen Debatten und Abwägungsprozesse zu erwarten sind", so Würzner.
Denn der Prozess funktioniert nach dem Motto: Wer schweigt, stimmt zu. Die Stadträte erhalten Vorlagen und können sich diese mehrere Tage anschauen. Sind sie mit den vorgeschlagenen Beschlüssen einverstanden, müssen sie überhaupt nichts tun. Sind sie das nicht, können sie schriftlich widersprechen. Dabei reicht es jedoch schon aus, wenn ein einziger Stadtrat dagegen ist. Dann muss über den Tagesordnungspunkt in einer regulären Sitzung diskutiert werden – oder er wird schlicht nicht beschlossen.
Entsprechend sind die 22 Punkte, die sich die Räte noch bis zum morgigen Dienstag anschauen können, auch ziemlich unstrittig. Darin finden sich etwa die Beteiligungsverfahren zum Einzelhandels- und Stadtentwicklungskonzept, die Geschwisterermäßigung in Kindertageseinrichtungen freier Träger und die Fortschreibung des Straßenzustandskatasters. Strittige Themen – wie die Zukunft des Ankunftszentrums für Geflüchtete und der Masterplan für Patrick-Henry-Village – werden in dem Verfahren nicht thematisiert. "Dafür brauchen wir nach wie vor Sitzungen des Gremiums", so Würzner.
Diese sollen bald digital stattfinden: "Wir brauchen eine echte Alternative zu regulären Gemeinderatssitzungen, in der eine kontroverse Debatte und ein nicht einheitliches Abstimmungsverhalten möglich sind", betont auch Grünen-Fraktionschef Derek Cofie-Nunoo. Deshalb hatte sich der Gemeinderat im März einstimmig für Sitzungen in Videokonferenzen ausgesprochen. Und OB Würzner hat daraufhin die Landesregierung aufgefordert, diese möglich zu machen.
Dass das nötig ist, hat man in Stuttgart erkannt: Innenminister Thomas Strobl erklärte bei einer Pressekonferenz am 31. März, das Land wolle eine Regelung in die Corona-Verordnung aufnehmen, nach der Gemeinde- und Kreisräte in Video- oder Telefonkonferenzen tagen können. "Freilich muss dabei der Öffentlichkeitsgrundsatz gewährleistet bleiben, etwa durch die Übertragung der Sitzung in den Ratssaal", so der Minister.
OB Würzner geht von einer baldigen Umsetzung aus: "Ich hoffe, wir haben nach den Osterferien eine klare Regelung." Klar sei aber auch: "Entscheidungen etwa über den Masterplan Neuenheimer Feld, wo Bürgerforen vorgesehen sind, können momentan nicht getroffen werden."
Info: Die Beschlussvorlagen für das Umlaufverfahren sind wie bisher auch hier abrufbar