Die lärmenden Straßenbahnen brächten ihn manchmal um den Schlaf, sagt Hans Struve – hier in der Nähe der Haltestelle am Rohrbacher Eichendorff-Platz, wo er wohnt. Foto: Philipp Rothe
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Eigentlich könnte das Leben für Hans Struve wunderbar sein: Er hat ein charmantes Häuschen am Rohrbacher Eichendorff-Platz, einen schönen Garten – und einen unschlagbar guten Anschluss an die Straßenbahn, denn die Haltestelle liegt direkt an seinem Haus. Und genau das ist das Problem: Denn Struve bringen die bremsenden und beschleunigenden Bahnen vor seiner Haustür an seine Grenzen: "Es ist oft sehr laut, alles vibriert." Das alles beginne mit der ersten Straßenbahn in aller Frühe um 4.20 Uhr und gehe bis nach Mitternacht: "Wir haben garantiert keine acht Stunden Schlaf. Da kann ich über die Sperrzeitendiskussion in der Altstadt nur lachen!"
Allerdings raube nicht jede Straßenbahn Struve um seine Ruhe: "Es gibt sozusagen gute und schlechte Bahnen. Die mit 30 Metern Länge sind okay, die mit 40 Metern machen die Probleme." Das äußert sich in einem tiefen, grollenden Ton, der auch die Vibrationen verursacht. Nun kann man nicht sagen, dass Struve die Verhältnisse nicht kennt: Er wohnt in seinem hübsch renovierten Elternhaus, er ist hier aufgewachsen, aber er sagt, früher war das Klangbild der Bahnen anders – und kaum jemand fühlte sich gestört, wenn man mal vom Rumpeln der Autos auf dem einstigen Kopfsteinpflaster der Karlsruher Straße absieht. "Wir hatten die Hoffnung, dass es mit der Sanierung besser wird", sagt Struve. Aber das war nicht der Fall: "Wir machen seit 2011 mit der RNV herum": "Es gibt Tage, da haben wir Angst ums Haus", sagt Struve und verweist auf die Risse an der Mauer, "und oft stehen wir aufrecht im Bett".
Struve belastet ein ganzes Problembündel: Da gibt es Straßenbahnen, die besonders viel Lärm machen: Es handelt sich um die mit der Supercap-Technologie (auch als "Energy Saver" bekannt), die dafür sorgt, dass die Bahnen auch teilweise ohne Oberleitungen auskommen: Beim Bremsen wird ein Dynamo angeworfen und so der auf dem Dach montierte Akku gespeist. Und dieses surrende Geräusch bringt Struve um den Verstand. "Die RNV spart Strom auf unserem Rücken", empört sich Struve. Die alten, vor 2009 gebauten Straßenbahnen seien deutlich leiser: "Es ist doch verrückt, dass die neuen in der Regel viel lauter sind als die alten."
Nicht zu vergessen das Bremsgeräusch, manche Fahrer steigen laut Struve zu abrupt in die Eisen. Das kann, so mutmaßt er, auch am Stress liegen – gerade zu den Zeiten, in denen Schüler unterwegs sind, komme das häufiger vor. Und schließlich gibt es, so meint der 66-jährige, ehemalige Grafikdesigner, auch schlecht gewartete Bahnen, die einfach irrsinnig rumpeln – und die machen für Struve und seine Frau die meisten Probleme: "An meinem Haus fahren am Tag 394 Bahnen, und wenn nur eine beschädigte dabei ist, fährt die hier drei Mal die Stunde durch!". Er selbst habe ja nichts gegen die Bahnen, aber eigentlich dürfte man nur absolut technisch einwandfreie auf die Gleise schicken.
Zu guter Letzt ärgert sich Struve auch noch über die klappernden Kanaldeckel, bis vor Kurzem dröhnte es besonders laut in der Toilette, wenn die elf Deckel überfahren werden – allerdings hat das doch nach Reparaturarbeiten irgendwann aufgehört. Mit der RNV stehe er in regem Austausch, es gab auch schon einmal vor vier Jahren ein Treffen vor Ort, aber oft genug geschehe einfach nichts. Nur im Moment, so gibt Struve beim Ortstermin mit der RNZ zu, sei es ziemlich ruhig. Ob er mit dem Problem alleine sei, könne er nicht sagen, Struve wollte vor ein paar Jahren einmal eine Flugblattkampagne entlang der Straße starten, ließ es aber dann doch. Ein Lärmgutachten für knapp 2000 Euro ist ihm zu teuer, schließlich gibt es immer etwas am Haus zu reparieren.
Bei der RNV weiß man von Struves Problem, aber den Vorwurf mangelnder Wartung will man nicht auf sich sitzen lassen: "Wir fahren ja Stahl auf Stahl. Und da die Schienen härter sind als die Reifen, gibt es bei den Reifen Abrieb, der die Geräusche, also das Rumpeln, erzeugt", so ein Unternehmenssprecher. Alle sechs Wochen würden die Radreifen überprüft und neu vermessen – oder auch früher, wenn es den Fahrern auffällt, dass die Bahn nicht mehr "rundläuft"; allerdings würden dann die Fahrzeuge nicht aus dem Verkehr gezogen, sondern erst nach Betriebsende, um den Fahrplan aufrechtzuerhalten. "Ganz können wir diese Probleme nicht abstellen", so der RNV-Sprecher: "Aber Wartungsmängel in diesem Sinne gibt es nicht."
Was die Geräusche der Supercaps" und der Klimaanlagen auf dem Dach angeht, "bewegen wir uns innerhalb der gesetzlichen Norm, und außerdem gehören sie zum normalen Betrieb des Öffentlichen Nahverkehrs dazu". Ganz generell seien Beschwerden, wie sie Struve hervorgebracht habe, relativ selten. Immerhin gebe es Hoffnung: Die bestellten neuen Straßenbahnen seien deutlich leiser als die alten – und auch die heute noch recht laute Elektronik sei "deutlich besser verkleidet".