Drei Künstler sind im "Haus am Wehrsteg" geblieben, um darüber zu diskutieren, wie sie in Zukunft leben wollen: Florian Dietrich, Klara Adam und der jüngste "Bewohner" Max Kubitschek (v.l.). Foto: Philipp Rothe
Von Birgit Sommer
Im Haus am Wehrsteg ist es doch recht eng. Wenn sechs Künstler hier ihr Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit und gleichzeitig Abgrenzung stillen wollen, kann es interessant werden. Drei von ihnen waren jedenfalls nach einer Woche aus dem "Art Ashram" abgereist - in aller Freundschaft, trotz allem, und indem sie ihre Statements für die Ausstellung hinterlassen haben, die vom 8. bis 29. Juli am Neckar zu sehen sein wird.
Dirk van Lieshout, der zu Frau und Kindern nach Rotterdam zurückging, empfand es so: "Ich sehe die Zusammenarbeit in Heidelberg als eine neue ,Ameisen’-Community (,art‘ wurde zu ,ant‘), wo die Möglichkeit, als Gruppe zu arbeiten und zusammen zu leben andere Perspektiven, Bedingungen und Begründungen erlangt."
"Eva Vargas hätte es gut gefallen, was wir hier machen, auch sie hat Leben und Kunst nicht getrennt", sagt Klara Adam. Die 36-Jährige, die sich Performance und Installationen verschrieben hat, lotet diese Grenze weiter aus, zusammen mit ihrem Mann, dem aus Stuttgart stammenden Künstler Florian Dietrich (36), und dem 16-jährigen Max Kubitschek, der sich in Jena bereits als Filmemacher betätigt. Hausherr Matthis Bacht hatte die Gruppe nach Heidelberg eingeladen, wo sie ihre Kunst im Freiluftatelier unter Beteiligung der Passanten am Neckar ausüben konnten - anders als ihr sonstiger zeitweiliger Rückzugsort, ein von Hans Scharoun entworfenes Haus einer Stiftung bei Berlin.
Aber anders als dort kann sich auch nicht jeder in einen kleinen Bungalow auf dem Gelände zurückziehen, und das Zeltlager im Garten macht bei Kälte und Wind wenig Spaß. Selbst das geplante Funkelfeuerfest am 1. Juli fiel deshalb aus. Wind, unruhige Luft, Regenfronten - das Wetter spielte eine extreme Rolle für die Stimmung. In den Augen von Klara Adam entstanden so lehrreiche und einzigartige Situationen. Wenn es ganz schlimm kam, wurde der Botanische Garten ihr erweitertes Wohnzimmer, wo sich der Installationskünstler und Bühnenbildner Florian Dietrich von einer fleischfressenden Pflanze, einem "organhaften Monstrum, schon auch ein Höllenschlund" faszinieren ließ.
Max Kubitschek beeindruckten dort die Schönheit und Architektur der Kakteen, die mit so wenig Ressourcen auskommen. Er hat ein stressiges Schuljahr hinter sich, die Arbeit im Jugendclub des Theaters Jena und an seinem Film. Jetzt genießt er einfach die künstlerische Freiheit in Heidelberg.
Natürlich mussten sie sich erst eine Art Küche aus Paletten, eine Dusche, die von romantischem Kerzenlicht erleuchtet wird, und auch die Schlafräume im Haus einrichten, weil es in den Zelten zu kalt war. In einer Art Meditation legte die Künstlergruppe dann fest, was sie erreichen will: die Grenze zwischen Kunst und Leben flüssig halten, das Haus und den Garten als ihren Körper sichtbar werden lassen, den Betrachter mit neuer Ästhetik überwältigen, entstanden mit minimalem Aufwand... So werden bis zum Wochenende also keine reinen Kunstobjekte reifen, sondern etwas, das aus dem Leben im Haus am Wehrsteg heraus entstanden sei und sich zu etwas Symbolischem entwickle, wie Klara Adam meint.
"Es gibt kein Werk, nichts, das wir produziert haben, um den Erwartungen an ein Kunstwerk zu entsprechen", sagt die Berliner Künstlerin. "Für uns stand mehr die Frage im Raum, ob wir Kunst und Leben getrennt halten wollen oder ob es einen Weg gibt, in der Kunst zu leben. Als konstanter Freiraum, in dem Gedanken und Gefühle verhandelbar bleiben."
Dass daraus ein extremes Experiment wurde - was soll’s? Das Haus am Wehrsteg, seit einigen Jahren vom Heidelberger Künstler und Kunsterzieher Matthis Bacht bespielt, bot Zeit und Raum. "Ein Sehnsuchtsort" für Klara Adam, "ich liebe dieses Haus. Ich finde es toll, dass Heidelberg einen solchen Ort hat."
Info: Die Ausstellung des "Art Ashram" ist ab Samstag, 8. Juli, bis zum 29. Juli in Haus und Garten am Wehrsteg zu sehen. Geöffnet ist immer donnerstags von 14 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr.