Hirschhorn

Julia Oelkers Webdoku "Eigensinn im Bruderland" wurde ausgezeichnet

Für eine Web-Doku zum Blick auf Migranten hat die aus Hirschhorn stammende Julia Oelkers den Grimme Online Award erhalten

09.07.2020 UPDATE: 10.07.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
„Migration und Rassismus“ wurden zu ihren Themen, sagt die Berliner Web-Doku-Produzentin und Filmemacherin Julia Oelkers. Sie stammt aus Hirschhorn und ist in den 1980er Jahren bei der RNZ-Redaktion Eberbach in den Journalismus eingestiegen. Foto: privat

Von Barbara Nolten-Casado

Hirschhorn/Berlin. Ihre ersten journalistischen Gehversuche machte Julia Oelkers – kaum hatte sie das Abiturzeugnis in der Tasche – 1987 bei einem mehrmonatigen Praktikum in der Eberbacher Redaktion der Rhein-Neckar-Zeitung. "Das war das erste Mal, dass ich journalistische Arbeit vor Ort sehen konnte, dass ich verstand, wie das alles funktioniert", erinnert sie sich heute.

Was damals mit Bildunterschriften und ersten kleinen Berichten über Veranstaltungen des Hirschhorner Jugendzentrums, dessen Mitglied sie war, begann, gipfelte vor wenigen Tagen nun in einem großen beruflichen Erfolg: Für ihre gemeinsam mit Isabel Enzenbach vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin produzierte Web-Dokumentation "Eigensinn im Bruderland" erhielt die aus Hirschhorn stammende Journalistin und Filmemacherin und ihr Kollektiv "out of focus Medienprojekte" am 25. Juni den Grimme Online Award 2020.

Seit 2001 zeichnet das Grimme-Institut, das auch den Fernsehpreis "Grimme-Preis" verleiht, mit dem Online Award qualitativ hochwertige Online-Angebote aus. Oelkers und Enzenbach erhielten ihn in der Kategorie "Wissen und Bildung" für eine Web-Doku, die 30 Jahre nach dem Mauerfall die Geschichte der Vertragsarbeiter und -arbeiterinnen, der ausländischen Studierenden und der politischen Emigranten in der DDR beleuchtet. Sie kamen aus Vietnam, Mosambik, Angola oder Kuba mit der Hoffnung auf eine gute Zukunft, die nur zu oft enttäuscht wurde.

"Eigensinn im Bruderland" bietet mit Texten und Videos persönliche Einblicke in die damalige Lebenswelt der Migranten in der DDR zwischen strikten Wohnheimregeln, ungerechter Bezahlung und offener Ausländerfeindlichkeit.

Schon lange treiben Julia Oelkers die Themen Migration und Rassismus um. Bereits während ihres Publizistikstudiums, das sie 1988 in Berlin aufgenommen hatte, arbeitete sie an einem Film mit, der sich mit den Ausschreitungen in Hoyerswerda 1991 beschäftigte.

Damals interviewte sie nach den Angriffen auf Wohnheime mosambikanischer Vertragsarbeiter dort einen Betroffenen. Es folgten Fernsehfilme für den RBB und ihr preisgekrönter Dokumentarfilm "Can’t be silent" von 2013.

Darin porträtierte Oelkers Asylbewerber, die als Musikband bei einer Tournee durch Deutschland versuchten, der Tristesse der Flüchtlingslager zu entfliehen. Seit fünf Jahren widmet Oelkers sich verstärkt Web-Dokus. "Da ich viel im Bildungsbereich unterwegs bin, bot es sich an, im Netz zu produzieren", erklärt sie. Dort sei man nicht auf das Medium Film begrenzt, sondern könne multimedial arbeiten, etwa auch mithilfe von Texten und Dokumenten.

Wie kam sie nun dazu, sich des Themas "Migranten in der DDR" anzunehmen? "Wir beide, Isabel Enzenbach und ich, kennen persönlich Migranten und Migrantinnen aus der DDR und ihre Geschichten" sagt Oelkers. Man habe deren Erzählungen spannend und interessant gefunden und beschlossen, zu dem Thema weiter zu forschen.

Dabei sei das ganze von Anfang an mit dem Gedanken verbunden gewesen, Wissenschaft und Journalismus zusammenzubringen. Herausgekommen ist eine "Mischung aus kuriosen Archiv-Fundstücken, seltenen Bildern, kurzweiligen Interview-Videos und liebevoll animierten Illustrationen", wie es in der Begründung der Jury für die Verleihung des Grimme Online Awards heißt. Sie mache "Eigensinn im Bruderland zu einer Webdokumentation, die zeigt, wie interessant und nahbar Geschichte vermittelt werden kann".

Hat sie in ihrer Jugend auch in Hirschhorn Erfahrungen mit Migration und Rassismus gemacht? "Nein", sagt Oelkers. "Als Weiße, Deutsche und Angehörige der Mittelschicht hatte ich kaum Kontakte zu Migrantenkindern."

Allerdings hat das Thema sie inzwischen sehr direkt und hautnah erreicht. Seit sie vor sechs Jahren ihren Mann, einen Mosambikaner, kennenlernte, sei es zur "Alltagssituation" geworden. "Hautfarbe ist immer ein Thema – auch in Kreuzberg, wo wir wohnen", so Oelkers. "Die Leute reagieren immer darauf – nicht immer negativ, aber immer besonders." "Und", sagt sie, "das gibt es auch in Hirschhorn. Als etwa die indischen Karmelitenpatres damals kamen, waren viele Leute sehr skeptisch." Wie haben Julia Oelkers und ihre Mitstreiter die Auszeichnung mit dem Grimme Online Award erlebt? "Wir haben uns natürlich riesig gefreut", sagt sie. "Das ist eine tolle Anerkennung und lenkt Aufmerksamkeit auf das Projekt." Werden die Trophäen gewöhnlich bei einer großen Gala überreicht, so erfolgte die Preisverleihung in diesem Jahr Corona-geschuldet online.

28 Nominierte aus über 1000 Einreichungen waren dazu eingeladen. "Dann wurden die von einer Fachjury ermittelten Gewinner verkündet", berichtet Oelkers. Und dann gab es nur noch Jubel.

Welches Projekt wird sie als nächstes angehen? "Ich bin gerade mit der Web-Doku ‚Gegen uns‘ beschäftigt", informiert Julia Oelkers. "Darin geht es um rechte Gewalt nach der Wende." Der erste Teil ist bereits online auf "www.gegenuns.de" zu sehen. Bis Oktober sollen drei weitere Teile folgen.

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