Von Martina Birkelbach
Eberbach. Kein Frühlingsfest, kein Apfeltag, keine Flohmärkte, keine Spenden des Flohmarktteams. Dagegen gibt es aber bei der Schuldnerberatung des Diakonischen Werks seit Ausbruch der Corona-Pandemie doppelt so viele Anfragen wie im Januar. Zudem wenden sich immer mehr Hilfesuchende zwischen 18 und 25 Jahren wegen psychischer Belastungen und Zukunftssorgen an die Beratungsstelle. Angestiegen sind auch "häusliche Gewalt" und Altersarmut. Wir haben mit Christine Straßer gesprochen, die im Januar frisch die Bezirksleitung übernommen hat.
Frau Straßer, Sie haben Anfang des Jahres Karl-Heinz Konnerth abgelöst, der nach etwas über zwei Jahren von der Bezirksleitung Neckargemünd-Eberbach des Diakonischen Werks im Rhein-Neckar-Kreis in die Diakonieverbands-Geschäftsführung nach Heidelberg gewechselt ist. Wie hat sich Ihr Aufgabenbereich verändert?
Ich arbeite zu 50 Prozent als Bezirksleitung. Meine Aufgaben umfassen die Teamleitung, Verwaltungstätigkeiten sowie die Netzwerkarbeit, ich bin regionale Ansprechpartnerin für Kooperationspartner, Fachbereichskoordinatorin Sozialpsychiatrie. Und 25 Prozent bin ich im Bereich "ambulant betreutes Wohnen/Beratung" eingesetzt.
Wie viele Mitarbeiter sind es in Eberbach in der Friedrichstraße 14?
Wir sind insgesamt neun Personen. Sieben Sozialarbeiter und zwei Verwaltungskräfte.
Kurz nach Ihrem Wechsel in die Bezirksleitung kam Corona? Welche Auswirkungen hatte und hat das auf Ihre Arbeit?
Viele Arbeitskreise, Netzwerktreffen und Ähnliches fielen erst mal aus. Die Prioritäten lagen zuerst im täglichen Informieren und Austauschen über Änderungen der Coronaverordnung. Welche Dinge sind erlaubt, was geht nicht mehr. Wie können der neue Arbeitschutzstandard sowie Hygienevorgaben umgesetzt werden? Wie kann ein sicheres Arbeiten möglich gemacht werden? Viele Gespräche wurden mit Mitarbeitenden über die Ängste im Umgang mit dem Coronavirus bzw. der Situation geführt. Da es für alle ein ganz neues Thema war, lernten wir gemeinsam damit umzugehen. Aktuell gehören eine Mund-Nasen-Bedeckung, Trennscheiben, Abstandsregelung sowie die Händehygiene zum Alltag.
Wie haben Sie und ihr Team Klienten während des Lockdowns betreut, wie heute?
Wir waren durchgehend für Hilfesuchende erreichbar. Arbeitsfelder wie das ambulant betreute Wohnen, Sozialpsychiatrischer Dienst (SpDi) und die Schwangerenkonfliktberatung wurden in der Coronaverordnung als "systemrelevant" eingestuft. Beratungen wurden per Video, telefonisch oder unter strengen Hygieneauflagen persönlich abgehalten. Vorrangig stand für mich als Leitung der Schutz der Mitarbeitenden sowie der Klienten im Vordergrund. Hygiene- und Arbeitsschutzkonzepte fanden schnell Einzug in den Beratungsalltag. So wie bei anderen Institutionen auch, bitten wir um telefonische Kontaktaufnahme zur Terminvereinbarung. Wir öffnen weiterhin die Tür, wenn eine telefonische Kontaktaufnahme nicht möglich ist.
Wie wurde und wird der Bereich "Ambulantes Betreutes Wohnen" fortgeführt?
Die ersten Mund- und Nasenbedeckungen haben wir von Tattoostudios erhalten. Für uns war es toll diese Unterstützung zu bekommen. Spaziergänge, viele Telefonate sowie Begleitung zu Terminen wurden aufrecht erhalten. Da wir in diesem Bereich systemrelevant sind, wurde das ambulant betreute Wohnen unter den gültigen Arbeitsschutz- und Hygienestandards weitergeführt.
Hat sich seither die Anzahl der Klienten des Diakonischen Werks verändert?
Der Beratungsbedarf ist hoch. Die Komplexität der Fälle nimmt deutlich zu. Bedingt durch die Corona Pandemie erreichen uns viele unterschiedliche Anfragen. Oftmals wurden bereits in den Medien Gesetzesänderungen und neue Gesetze mitgeteilt, obwohl diese noch nicht verabschiedet wurden. Fragen zu Kurzarbeitergeld, Kindergeldbonus Auszahlung usw. konnten von uns erst mit der Verabschiedung der Gesetze oder der Durchführungsverordnung allumfassend beraten werden.
"Armut und Schulden bleiben Hauptthema", sagte ihr Vorgänger beim Abschlussgespräch; wie sehen Sie das heute? Was sind derzeit die Hauptprobleme der Menschen, die das Diakonische Werk aufsuchen?
Armut und Schulden wird immer ein Hauptthema sein. Gerade jetzt in der Corona-Pandemie erfährt unsere Schuldnerberatung doppelt so viele Anfragen wie im Januar. Hilfesuchende zwischen 18 und 25 Jahren wenden sich vermehrt wegen psychischer Belastungen und Zukunftssorgen an die Beratungsstelle. Weitere Themenfelder, mit denen wir zunehmend zu tun haben, sind "häusliche Gewalt" und Altersarmut.
Das Diakonische Werk wird jährlich mit Spenden des Flohmarkteams unterstützt. Dieses Jahr gab es kein Frühlingsfest und es wird auch keinen Apfeltag wie sonst geben. Das bedeutet: keine Flohmärkte, keine Spenden. Welche Auswirkungen hat das?
Die evangelische Kirchengemeinde ist sehr aktiv, auch wenn diese Veranstaltungen so nicht stattfinden können. Wir kooperieren eng mit Gemeindediakon Hans-Jürgen Habel und seinem Flohmarkt-Team, diese sind weiterhin sehr aktiv tätig. Wir sind sehr dankbar für das ehrenamtliche Engagement. Wir erhalten auch Spenden von Privatpersonen, die damit die Arbeit des Diakonischen Werkes unterstützen möchten.
Wie kommen die Klienten insgesamt in den Corona-Zeiten zurecht?
Viele Hilfesuchende kommen das erste Mal mit uns in Berührung. Einige sind überrascht wie vielfältig unsere Angebote sind. Andere sind sehr froh und dankbar Gehör zu finden und eine umfassende Beratung zu erhalten.
Sie betreuen auch viele psychisch kranke Menschen, was ist für diese Klienten derzeit besonders schwer?
Diese Klienten erleben die aktuelle Pandemie nicht als schwer oder belastend. Eher umgekehrt als Entlastung. Nachbarn, die normalerweise von 7 bis 17 Uhr außer Haus waren, waren nun im Homeoffice. Dadurch konnten viele mit dem eigenen wohnlichen Umfeld in Kontakt kommen. Die Klienten berichteten, dass nun mehr in den Nachbarwohnungen los war. Von einem auf den anderen Tag war man nicht mehr der Einzige, der den ganzen Tag zuhause war. Es wurde nun auch öffentlich über Ängste oder Belastungen berichtet. Langsam aber stetig beginnt nun wieder das Einüben von Alltagskompetenzen. In den Monaten vor Corona wurde gemeinsam daran gearbeitet, das Haus zu verlassen, Einkaufen zu gehen oder um mit dem Zug zu fahren.