Von Martina Birkelbach
Eberbach. 22 Minuten und 25 Sekunden hat das Telefonat gedauert. Der Eberbacher mittleren Alters (Name der Redaktion bekannt), der am Dienstag einen Corona-Impftermin in der Heidelberger Patrick-Henry-Village für eine 87-Jährige ausgemacht hat, ist danach etwas wütend, sehr wütend: "Die haben vorher keine Telefon-Tests gemacht. Der Mitarbeiter erklärte mir, dass es keine Einweisung in die Systemsoftware gegeben habe. Telefone frei, nun macht mal, also learning by doing – das wäre in keiner Firma möglich; das ist dilettantisch" schimpft er.
Der erste Versuch am Morgen, einen Termin per Telefon zu bekommen, lief schon mal komplett daneben. "Es lief ein Band, auf dem Nummern gesagt wurden, die es zu drücken galt." Nach fünf Minuten geduldigen Drückens und Wartens hatte der Eberbacher dann einen "echten" Mitarbeiter am Ohr. Einziges Problem: "Die Qualität des Gesprächs war derart schlecht, dass eine Verständigung nach kurzer Zeit nicht mehr möglich war."
Nachmittags dann der nächste Versuch. Nachdem das erste Nummerndrücken abgeschlossen war, meldete sich wieder ein Mitarbeiter. "Freundlich wurde gefragt, wann die Dame den Termin wünsche." Der Eberbacher erklärte, dass es sinnvoller sei, ihm freie Termine zu nennen. Gesagt getan. Ein Termin wurde genannt und von der 87-Jährigen, die neben dem Eberbacher saß, für gut befunden."Es folgte eine Abfrage von Name, Alter, Adresse etc. Als das Prozedere fertig war, hieß es: Termin leider schon belegt." Wie belegt, der wurde doch gerade erst ausgemacht? "Da hat inzwischen ein anderer auf den Termin zugegriffen", erklärte der freundlicher Mitarbeiter.
Also Neustart am Telefon. Allerdings mit dem gleichen Termin, da die Termine laut dem Mitarbeiter immer mehrfach eingestellt werden. Es folgte eine erneute Abfrage aller Daten, weil der Mitarbeiter nicht mehr auf die bereits eingegebenen Daten zurückgreifen konnte. Dann: Systemabsturz (bei dem Mitarbeiter).
Irgendwann stand der Termin der 87-Jährigen. Prima! Da aber immer zweimal geimpft werden muss, galt es noch einen zweiten Termin auszumachen. Unser Eberbacher hatte glücklicherweise aber schon während der zweimaligen Aufnahme der Daten für den ersten Termin, die Idee, dass der Mitarbeiter sich die Daten auf einen Zettel schreiben könnte. Da der Mitarbeiter dem Tipp gefolgt war, schrieb er dann nur noch ab. Praktisch!
Weiterhin freundlich erklärte der Mitarbeiter unserem Eberbacher dann noch, was die 87-Jährige zu den Impfterminen dann alles mitbringen solle. "Und er wies daraufhin, dass es gut sei, wenn man das Formular schon vorab ausfülle." Formular? Ja, das gibt es wohl, nur wie und wo. "Der Mitarbeiter suchte mehrere Minuten, konnte es aber nicht finden." Der Eberbacher sucht inzwischen seit zwei Tagen, ebenfalls ohne Erfolg. Das Argument einer Sprecherin des Landesgesundheitsministeriums, dass die telefonische Terminbuchung wegen "teilweise extremen Redebedarfs länger dauert" (die RNZ berichtete) lässt er nicht gelten. Der Eberbacher hatte keinen Redebedarf, "es hat einfach nicht richtig funktioniert".
Und die 87-Jährige? Die ist sich sicher: "Das Telefonat hätte ich alleine nie geschafft". Jetzt muss sie nur noch organisieren, wie sie zu den beiden Impfterminen kommt.
Wie hinkommen, genau das ist auch gerade das Problem einer anderen Über-80-Jährigen (Name ebenfalls bekannt) aus Eberbach. "Das alles ist mehr als eine Zumutung", sagt sie gestern. Die noch sehr rüstige ehemalige Geschäftsfrau verfügt über gute Computerkenntnisse und hat ihre Termine online organisiert. "Das hat gedauert, aber funktioniert – allerdings nur, wenn man sich auskennt." Samstag, 2. Januar, 18.44 Uhr ist ihr erster Impftermin. Am 24. Januar folgt der zweite Termin.
Doch an den will sie noch gar nicht denken, denn erst mal gilt es für sie: "Wie komme ich in die Patrick-Henry-Village?". Die alleinstehende Dame wäre bereit, mit dem Auto zu fahren, aber nicht, wenn es dunkel ist. Was um 18.44 Uhr definitiv der Fall ist. Die anderen wenigen freien Termine waren beispielsweise morgen um 7 Uhr – auch nicht besser. Derzeit hat sie niemanden, der sie fahren könnte. "Es sollte einen Shuttle-Bus geben, aber den gibt es nicht", sagt sie.
Sie plant nun, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Heidelberg zu reisen, inklusive Ruftaxi. "Ich weiß aber noch nicht, ob ich das Ruftaxi bekomme." Sollte alles funktionieren, wäre sie volle zwei Stunden vor dem Termin da. Alternative: Eine Stunde zu spät.
Nächstes Problem: "Wie komme ich wieder nach Hause?". Die Über-80-Jährige versucht nun, ob ihr eine Freundin aus Heidelberg helfen kann. Eventuell übernachtet sie bei ihrem Bruder. "Eigentlich hieß es, man werde informiert, wenn man sich impfen lassen kann. Nun muss man sich selber kümmern. Das alles hätte auch schon vor Wochen geklärt sein können", schimpft sie.
Auf die von dieser Zeitung bereits vor zwei Wochen gestellte Frage an das Gesundheitsamt, wie ältere Menschen nach Heidelberg kommen, liegt bislang keine Antwort vor. Bereits da gingen bei uns Anrufe von Über-80- und 90-Jährigen ein, die zuhause leben und nicht wussten, wie sie zu den Terminen kommen.
Info: Die Anmeldung zur Coronaschutzimpfung ist nur online über www.impfterminservice.de oder über die Hotline unter der Nummer 116.117. Bei einem Anruf erfolgt eine Weiterleitung an das vom Land beauftragte Callcenter.