Emmanuel Agbowo fühlt sich in Hettingen wohl. Unser Foto zeigt ihn mit seiner Ehefrau Katrin und ihrem gemeinsamen Sohn Rafael. Foto: Tanja Radan
Hettingen. (tra) Im Leben von Emmanuel Agbowo aus Hettingen ist eigentlich ziemlich viel "typisch deutsch": Seine Frau Katrin hat er im Chor in Walldürn kennengelernt und wohnt mit ihr und dem gemeinsamen Sohn Rafael Chidera in einem Einfamilienhaus mit Garten. Er arbeitet bei der Firma Schwing in Buchen, kommt abends müde nach Hause und freut sich darüber, dass Rafael bald einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester bekommen wird. So ist es auch bei den "typisch deutschen" Nachbarn.
Nicht ganz so typisch ist, dass Sohn Rafael jeden Tag gleich drei Sprachen hört: Deutsch, Englisch und Igbo. Igbo ist Emmanuel Agbowos Muttersprache und wird in seiner westafrikanischen Heimat Biafra gesprochen, aus der er nach seinem Studium der Politikwissenschaften floh. Er kam 2015 nach Deutschland, spricht fließend Deutsch und zog im Winter 2019 mit seiner jungen Familie nach Hettingen.
Im Heimatdorf seiner Frau Katrin fühlt er sich wohl: "Die Hettinger sind sehr freundlich und grüßen immer, wenn man sich auf der Straße trifft. Das gefällt mir. Wenn man mal einen schlechten Tag hat, macht ein Gruß den Tag gleich besser", erzählt er. Und er mag das gute Verhältnis der Hettinger untereinander: "Man kann sich bei den Nachbarn Salz borgen, das ist wie in meiner Heimat." Auch an die Silvesterfeier erinnert er sich gerne: "Wir sind draußen mit den Nachbarn zusammengestanden. Das war schön." An den Hettingern schätzt er, dass alle sehr fleißig sind und im Leben etwas erreichen wollen. "Nur der Dialekt ist für mich manchmal noch etwas schwer. Da muss ich vorher gründlich meine Ohren putzen, um alles zu verstehen", erzählt Agbowo und lacht. "Aber in Heddje geht es mir gut", fasst er zusammen.
Die heutige vom RNZ 27. Juni befasst sich mit dem Tagesthema "Typisch deutsch – Eine Ausgabe gegen den Rassismus". Dass Emmanuel Agbowo als dunkelhäutiger Mann in Deutschland entsprechende Erfahrungen gemacht hat, muss leider nicht extra betont werden. So kommt es bei Zugfahrten immer wieder zu traurigen Erlebnissen: "Ich spüre genau, dass sich die Leute nicht neben mich setzen wollen und weggehen", berichtet er.
Auch Polizeikontrollen sind ein Thema: "Dunkelhäutige werden kontrolliert, alle anderen nicht." Und als er selbst einmal die Polizei gerufen habe, sei er nicht ernst genommen worden: "Mir ist jemand ins Auto gefahren und ich habe daraufhin die Polizei angerufen. Als der Beamte dann kam, wollte er von mir wissen, warum ich angerufen habe. Er hielt meinen Anruf für überflüssig. Aber vielleicht hatte der Polizist auch einfach nur keinen guten Tag."
Auch Katrin Agbowo hat die Erfahrung gemacht, dass die Herkunft ihres Ehemannes für den einen oder anderen eine Rolle zu spielen scheint: "Auf manchen Behörden mussten wir um Papiere, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, regelrecht kämpfen."
Da auch die besagten Zugfahrgäste, Behördenmitarbeiter und Polizisten einmal jung waren, wünscht sich Emmanuel Agbowo, dass bereits die Kinder für das Thema Rassismus sensibilisiert werden. "Mich hat einmal ein Kind gefragt, ob in Afrika die Menschen auf Bäumen sitzen. Wenn Kinder so etwas sagen, kommt das oft von den Eltern. Es wäre wichtig, dass Lehrer in den Schulen mit Kindern über Rassismus sprechen."
Emmanuel Agbowo wäre es am liebsten, wenn sich die Menschen gar nicht mehr gegenseitig in Schwarz oder Weiß aufteilen würde. "Warum teilt man Leute überhaupt anhand von Farben ein? Es gibt einfach helle und dunkle Menschen. Wozu braucht man Farben?" Wenn man Menschen in Schwarz und Weiß aufteilt, schwinge dabei, so Agbowo, oft eine Bewertung mit: "Schwarz ist unten, Weiß ist oben. Und Weiß hat die Macht." Seiner Meinung nach sollte das Zusammenleben auf der Welt jedoch anders aussehen: "Es ist doch eher so, dass die rechte und die linke Hand sich gegenseitig waschen und keine Hand die Macht hat", bringt er es metaphorisch auf den Punkt. "Wir müssen alle begreifen, dass alle Menschen gleich wichtig sind und jeder eine Chance bekommen soll. So bekommen wir ein gutes Zusammenleben hin."
Und wenn Menschen harmonisch zusammenleben, kann jeder von jedem lernen und so auf neue Ideen kommen. Womit wir wieder beim Thema "typisch deutsch" wären. Auf welche neuen Ideen ist Katrin Agbowo durch ihren Mann Emmanuel gekommen? "Er geht mit dem Leben gelassener und entspannter um, während bei uns alles durchgetaktet ist", sagt Katrin. Emmanuel stimmt ihr zu: "Wenn wir Freunde treffen wollen, machen wir da keinen Termin daraus."
Für Emmanuel Agbowo versteckt sich das "typisch Deutsche" hingegen vor allem in den kleinen Dingen des Alltags: Für den jungen Mann aus Biafra war das deutsche Vesper mit Wurst und Brot zunächst etwas befremdlich. "Das war für ihn kein Essen. Aber er hat sich mittlerweile daran gewöhnt", erzählt Katrin Agbowo augenzwinkernd.