Rippberg. (jam) "In den Hochzeiten habe ich fünf oder sechs Auszubildenden mein Wissen weitergegeben", sagt Rainer Friedemann, Küchenchef der "Linkenmühle". Heute teilt er sich seine Küche mit nur einem Azubi: Nikita Rozhnovski aus Weißrussland absolviert mittlerweile sein zweites Lehrjahr auf dem Landgasthof zwischen Rippberg und Hornbach. Warum es der Gastronomie in der Region so schwer fällt, Personal zu finden, und welche Anreize das Berufsfeld zu bieten hat, erzählen Friedemann und Rozhnovski im Gespräch mit der RNZ.
Da sind zum einen die Arbeitszeiten. Als Koch arbeitet man dann, wenn andere Leute frei haben: am Wochenende, am Abend. "Das schreckt junge Leute natürlich ab", sagt Friedemann. Das zweite Problem hängt mit der Lage zusammen. "Wer die Wahl hat, geht als Koch lieber in die Großstadt. Da ist auch nach Feierabend etwas geboten", weiß der Küchenchef der "Linkenmühle". Auf dem Land sind Auszubildende außerdem oft auf einen Führerschein und ein eigenes Auto angewiesen.
Einen umständlichen Weg zur Arbeit hat auch der 18-jährige Nikita: "Ich fahre mit dem Zug von Erlenbach zum Bahnhof in Rippberg. Dort nimmt mich dann jemand mit zur ,Linkenmühle’." Um in Zukunft Zeit zu sparen und unabhängiger zu sein, macht der Azubi gerade seinen Führerschein. Neben der Ausbildung muss er außerdem sein Deutsch verbessern, damit er seine Prüfungen besteht. Denn in Deutschland lebt er erst seit drei Jahren.
"Man macht in der Gastronomie nur noch eine Ausbildung, wenn man kein Privatleben hat", haben zuletzt andere Koch-Azubis über ihre Lehre geschimpft. Nikita teilt diese Einschätzung nicht. Aktuell spielt er gerne Fußball, produziert eigene Musik und kocht auch in seiner Freizeit - für die Familie: "Ich probiere zuhause häufig neue Gerichte aus." Besonders mag er es, mit Gewürzen zu improvisieren. "Ich will nicht immer genau nach Anleitung kochen, sondern etwas Neues dazugeben", sagt Nikita und fügt grinsend hinzu: "Das klappt zwar nicht immer gleich alles, aber ich lerne dazu."
"Der Kochberuf macht mir richtig Spaß. Er ist aber auch etwas stressig", gesteht der Auszubildende. Damit Nikita später einmal jederzeit Herr der Lage ist, vermittelt ihm Küchenchef Friedemann effizientes Arbeiten, wie es auch in großen Betrieben genutzt wird. "Es ist zeitintensiv, den ganzen Tag die Pfanne auf dem Herd zu haben", sagt Friedemann. Abhilfe könnten zum Beispiel moderne Backöfen schaffen. "Aber viele wollen nicht in die teure Technik investieren, weil sie keine Perspektive in ihrem Berufsfeld sehen."
Viele Gastronomen hadern vor allem mit dem Arbeitszeitgesetz, das eine tägliche Arbeitszeit von acht und maximal zehn Stunden vorschreibt. Eine wöchentliche Höchstarbeitszeit könnte die Antwort sein, sagt die DeHoGa, der Verband für Hotellerie und Gastronomie. Auch der erfahrene Gastronom Friedemann ist mit den Rahmenbedingungen unzufrieden: "Die Regierung macht zu wenig für uns." Er habe den Eindruck, dass jeder nur noch studieren wolle. "Darunter leidet das Handwerk."
Die wenigen, die den Schritt wagen, eine Ausbildung in der Gastronomie zu starten, haben dann oftmals falsche Vorstellungen von dem, was sie dort erwartet. "Die vielen Kochsendungen zeigen nur die schöne Seite des Berufs", warnt Rainer Friedemann. "Im Fernsehen muss niemand einen Fisch ausnehmen oder seinen Arbeitsplatz sauberhalten." Genau diese Pflichten sind es auch, auf die Friedemanns Auszubildender verzichten könnte. Aber: "Nikita hat eine sehr positive Einstellung zu allem und erledigt auch die Aufgaben, die ihm nicht so viel Spaß machen", berichtet der Küchenchef.
Dass nicht jeder Auszubildende so belastbar ist wie der 18-Jährige, zeigt ein Blick auf die Statistik: Mit fast 50 Prozent ist die Abbrecher-Quote bei angehenden Köchen sehr hoch. Um diese Gefahr weiß auch Rainer Friedemann, der bereits zwei Sterneköche und einen erfolgreichen Hotelier ausgebildet hat. "Man muss den Auszubildenden etwas bieten", sagt er. Deshalb schickt er Nikita auf Messen und zu Kochshows und lässt den Auszubildenden auch einmal einen Hummer zubereiten. Und Geld spielt dabei natürlich auch eine Rolle: "Es reicht nicht, auf dem Land nur den Mindestlohn zu bezahlen, wenn man gute Leute locken und halten will", sagt Friedemann.
Friedemanns Konzept geht bei seinem aktuellen Auszubildenden auf. "Mich interessiert einfach alles an diesem Beruf. Und die Feste in der ,Linkenmühle’ sind für mich besondere Höhepunkte." Der 18-Jährige möchte - zunächst in Deutschland, später dann weltweit - Karriere als Koch machen. "Die Perspektive in unserem Berufsfeld ist sehr gut: Wo andere Urlaub gemacht haben, habe ich früher gearbeitet und Geld verdient", sagt Küchenchef Friedemann.
Er hatte bereits Anstellungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in der Schweiz, in England und sogar auf einem Schiff. Letzteres kann sich Nikita für seine eigene Zukunft zwar nicht vorstellen, seinem Chef möchte er später einmal dennoch nacheifern und in anderen Ländern seinen eigenen Kochstil entwickeln. "Andere Kulturen interessieren mich sehr, ich möchte dort neue Gewürze entdecken", sagt der 18-Jährige und ergänzt: "Und dann möchte ich das, was ich gelernt habe, an andere Auszubildende weitergeben."