Buchen-Hainstadt. (rüb) "Die Schule hat mir einfach gefehlt!" So wie Frieda, die die erste Klasse der Grundschule Hainstadt besucht, ging es am Montag vielen Schülern im Land. Aber auch zahlreiche Eltern werden aufgeatmet haben, und für die Lehrer ist es ebenfalls ein weiterer wichtiger Schritt der Rückkehr zur Normalität, wie Rektorin Miriam Englert-Hanak im Gespräch mit der RNZ deutlich macht. Grundlage für die Öffnung ist die Auswertung einer wissenschaftlichen Studie, nach der Kinder unter zehn Jahren keine Infektionstreiber seien. Daraus erfolgt die Einschätzung, dass in dieser Altersgruppe auf das Abstandsgebot verzichtet werden kann.
Unterricht gab es zwar auch in den letzten Wochen schon, allerdings nur tageweise und in kleinen Klassen. Nun sitzen die Klassenräume wieder voll, und die Kinder haben jeden Tag Schule. Von einem Schulalltag wie zu Zeiten vor der Corona-Pandemie ist man aber noch weit entfernt, wie bereits beim Betreten des Schulgebäudes klar wird. Der Treppenaufgang ist mit Trassierband in zwei Hälften getrennt, um zu verhindern, dass sich die Schüler der verschiedenen Klassen über den Weg laufen. Auch wenn das Abstandsgebot gefallen ist, so gilt dies nur innerhalb der jeweiligen Klassen. Ein Durchmischung – auch in den Pausen – soll verhindert werden, damit es im Falle einer Infektion möglichst wenig Kontakte gibt.
Aus diesem Grund erfolgt der Schulbeginn auch versetzt: Während die dritten und vierten Klassen zur ersten Stunde beginnen, geht es für die Erst- und Zweitklässler erst zur zweiten los. "Eine weitere zeitliche Staffelung war bei uns aber nicht möglich, da wir an die Busfahrpläne gebunden sind", erklärt die Schulleiterin. Zeitlich versetzt geht es auch in die Pausen. Ganz wichtig ist eine Bewegungspause. Schließlich ist der neue Alltag für die Grundschüler nicht einfach zu bewältigen: sich an die neuen Regeln halten, kein gemeinschaftliches Toben auf dem Pausenhof und außerdem keine Fächer wie Sport oder Musik. Diese Fächer boten sonst eine willkommene Abwechslung zu den lernintensiven Fächern, welche die besondere Konzentration der Kinder erfordern.
Vier bis fünf Stunden Unterricht hat jeder der 120 Schüler in Hainstadt jetzt täglich und zwar in den Fächern Deutsch, Mathematik, Heimat- und Sachkunde und Englisch. Dafür wurden feste Lehrerteams gebildet, um auch hier den Kreis der Kontaktpersonen einzuschränken. Wo benötigt, steht von 7.30 bis 14 Uhr auch das Betreuungsangebot im Rahmen der Verlässlichen Grundschule wieder zur Verfügung.
Das Abstandsgebot innerhalb der Klassen ist zwar gefallen, aber auf die Einhaltung der üblichen Hygienemaßnahmen wie gründliches Händewaschen wird weiterhin großer Wert gelegt. Die Empfehlung, auf den Gängen eine Maske zu tragen, wurde zwar aufgehoben: "Es gibt aber Schüler, die sie weiterhin tragen", berichtet Miriam Englert-Hanak.
Vorsicht ist auch in diesem Fall besser als Nachsicht: Denn bei aller Freude über die Lockerungen in allen Lebensbereichen weiß die Schulleiterin, dass die Pandemie noch nicht vorüber ist. "Es ist wichtig, dass wir nach wie vor aufmerksam sind." Deshalb legt sie auch großen Wert auf die Einhaltung der noch geltenden Regeln. "Wir können mit den Infektionszahlen bei uns wirklich sehr zufrieden sein. Aber ich habe die Befürchtung, dass wir im Herbst wieder steigende Zahlen haben könnten", verweist sie auf den anstehenden Sommerurlaub und die damit verbundenen vielfältigen Kontakte im In- und Ausland.
Einen zweiten Lockdown wünscht sich wohl niemand, am wenigsten Schüler, Eltern und Lehrer. Auch wenn in der Öffentlichkeit mitunter ein anderes Bild gezeichnet wird, so waren die zurückliegenden Monate für die meisten Lehrer eine herausfordernde Zeit – in besonderem Maße für die, die selbst Kinder haben. Zwischen Fernunterricht, Notbetreuung und Homeschooling standen viele an der Grenze des Machbaren, zumal sich die Vorgaben aufgrund der dynamischen Entwicklung der Pandemie und der sich immer wieder ändernden Einschätzungen der Wissenschaftler häufig veränderten.
"Allein das Erstellen der Stundenpläne war unter diesen Bedingungen eine Mammutaufgabe", sagt Englert-Hanak – erst recht, wenn diese wenig später schon Makulatur waren. "Es war eine herausfordernde Zeit für alle Beteiligten: So etwas wie diese Pandemie hat es noch nicht gegeben, und dementsprechend gab es keine Erfahrungswerte." Auch die Eltern ihrer Schüler haben schwierige Monate hinter sich, weiß die zweifache Muter aus Erfahrung.
"Kinder brauchen den Kontakt mit Gleichaltrigen, und sie brauchen ihren Lehrer als Bezugsperson", unterstreicht Miriam Englert-Hanak und berichtet von einer Begegnung mit einem Erstklässler, der sie am Montagmorgen freudestrahlend begrüßte und sagte: "Ich bin so froh, dass ich wieder in die Schule darf: Die Hausaufgaben mit Mama haben mich genervt." Sicher kein Einzelfall: "Das Homeschooling hat Eltern und Kinder vielfach überfordert." Im Homeoffice arbeiten und gleichzeitig den Lehrer ersetzen: Das geht natürlich nicht.
"Jeder sehnt sich in diesen Tagen nach Normalität", weiß die Schulleiterin, "auch die Kinder." Normal wird der Schulalltag in den nächsten Wochen sicher nicht werden. "Alles, was Schule ausmacht – nämlich das Gemeinschaftserlebnis – fehlt weiterhin", weiß die Pädagogin. Kein Stuhlkreis, kein gemeinsames Singen. Auch außerunterrichtliche Aktivitäten sind noch gestrichen. Eine Verabschiedung der Viertklässler ist zwar vorgesehen, in welchem Rahmen, ist aber noch völlig offen. Ähnlich sieht es beim Blick auf die Einschulung im September aus: "Wir warten auf die Vorgaben, vorher können wir nichts planen."
Zu weit nach vorne schauen, ist in diesen Zeiten sowieso nicht ratsam: Langfristige Pläne durchkreuzt das Virus garantiert. Schauen wir lieber auf die Gegenwart. Und da meldet sich Erstklasslerin Tara mutig zu Wort: "Ich habe mich so gefreut, dass wir wieder endlich richtig Schule haben." Und weshalb? "Zuhause haben mich meine kleinen Geschwister bei den Hausaufgaben immer gestört!", berichtet sie lächelnd. Mit null und einem Jahr sei es ihnen verziehen ...