Die Brücke am Hauptbahnhof verbarg mehr Überraschungen als erwartet, so die Ingenieure. Foto: Dorn
Von Philipp Weber
Weinheim. Sie hatten sich schon im Treppenhaus des Weinheimer Schlosses über das Thema ausgelassen. In der Sitzung machten sie dort weiter, wo sie auf dem Weg in den Saal aufgehört hatten: Die massiven Verteuerungen bei der Sanierung der OEG-Brücke stießen CDU-Fraktionschef Holger Haring und SPD-Stadtrat Constantin Görtz ebenso sauer auf wie anderen Fraktionsvertretern. Was die beiden Unternehmer – Haring leitet einen Malereibetrieb, Görtz ein Architektenbüro – besonders ärgerte, war der verdächtig niedrige Ausgangspreis der ausführenden Baufirma.
Was war passiert? Im Zuge der Sanierung der RNV-Strecke über die Mannheimer Straße hatte die Stadt auch die so genannte OEG-Brücke reparieren lassen. Die entsprechenden Aufträge gingen im Februar an eine Heidelberger Baufirma. Diese hatte Kosten in Höhe von rund 681.000 Euro aufgerufen und war damit die günstigste Bieterin. Die Kostenschätzung der Stadt belief sich dagegen auf rund 1,2 Millionen Euro, im Haushalt 2019 stehen sogar etwas mehr als 1,5 Millionen Euro für die Maßnahme zur Verfügung. Die zur Abstimmung stehenden Nachträge belaufen sich auf 755.000 Euro, die daraus resultierende Auftragserhöhung auf 927.000 Euro.
Auf Grund entsprechend angepasster Ingenieurhonorare erhöht sich der Gesamtbetrag auf 1,76 Millionen Euro Planungs- und Baukosten. Gegenüber dem eingeplanten Haushaltsbetrag ergeben sich 210.000 Euro Mehrkosten, die aber durch Einsparungen an anderer Stelle aufgefangen werden, wie die Verwaltung ausführt. Weiterer Wermutstropfen: Die Mehrkosten sind nicht förderfähig.
Was war schiefgelaufen? Laut den zuständigen Ingenieuren ist im Verlauf der Sanierungsarbeiten an der Brücke das geschehen, was ein paar Meter weiter am Postknoten auch der Bauträgerin RNV passiert sein soll: Unterhalb der Straße kamen unschöne Überraschungen zum Vorschein. Im Falle der Brücke könnte das daran liegen, dass sich das Bauwerk keineswegs schon immer in der Zuständigkeit der Stadt Weinheim befunden hat. Die Brücke gehörte lange Zeit dem Bund.
Es habe sich gezeigt, "dass die Pläne und Aufzeichnungen, die der Ausschreibung zugrunde lagen, leider nicht mit den tatsächlichen Begebenheiten vor Ort übereinstimmten", heißt es in der Beschlussvorlage der Verwaltung. So seien zusätzliche Arbeitsleistungen fällig geworden, die zur Steigerung der Baukosten geführt hätten.
Wie regierten die Fraktionen? GAL und Freie Wähler zeigten sich wenig überrascht davon, "dass da noch was zum Vorschein gekommen ist". CDU-Fraktionschef Haring fragte sich dagegen, ob man sich nicht "sehenden Auges auf einen Dumpingpreis eingelassen hat." Auch SPD-Rat Görtz monierte, dass "sämtliche Alarmglocken" schrillen müssten, wenn das günstigste Angebot und die Kostenschätzung derart auseinanderklaffen. In der Schweiz komme standardmäßig der zweitgünstigste Bieter zum Zuge, dies verhindere Szenarien wie das vorliegende. Von anderer Seite wurden die Bauwerksprüfer angegriffen, die den Zustand der Brücke untersuchten.
Diese hätten das tatsächliche Ausmaß der Schäden erkennen müssen, hieß es. Laut Bürgermeister Torsten Fetzner wären Regressforderungen indes so aussichtsreich, wie den TÜV für einen Autounfall verantwortlich zu machen. Auch OB Manuel Just betonte, dass bei der Auftragsvergabe an die Baufirma nach (bundesdeutschem) Recht und Gesetz verfahren wurde. Letztlich stimmten die Stadträte einstimmig zu – es blieb ja auch nichts anderes übrig. Die Brückensanierung ist seit Ende Juli abgeschlossen.