Von Silke Beckmann
Ladenburg. Am 16. April 1919 wurde die Baugenossenschaft Ladenburg gegründet, rund drei Wochen später erfolgte die Meldung der 50 Gründungspioniere beim Amtsgericht Mannheim. Hundert Jahre ist das her - Grund zum Feiern und das Festzelt quasi inmitten jener Straßenzüge aufzustellen, wo die Baugenossenschaft über einen Bestand von aktuell 174 Wohneinheiten in 54 Objekten verfügt, Tendenz steigend. Denn zurzeit entsteht in der Zehntstraße 49 ein neues Acht-Parteien-Haus, was Bürgermeister Stefan Schmutz angesichts des steigenden Bedarfs als "richtiges Signal" bezeichnete. Ziel ist es schließlich seit jeher, bezahlbaren und sozial verträglichen Wohnraum für alle zu schaffen.
Peter Bresinski, Vorsitzender des Verbands baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (m.), überreichte ein Schild an die Baugenossenschafts-Vorstände Heike Vroomen und Götz Speyerer. Foto: Beckmann
Im mit Bänken, Bild- und Textmaterial ausgestatteten Zelt im Schwedenweg, wo ein Trompeten-Trio der städtischen Musikschule die Eröffnung bestritt, begrüßten die Vorstände Götz Speyerer und Heike Vroomen sowie Aufsichtsratsvorsitzender Christian Vögele zahlreiche Gäste, darunter auch ein ganz besonderes Mitglied: Annelies Weiss wurde im selben Jahr geboren, wie die Baugenossenschaft aus der Taufe gehoben, und die 99-Jährige freute sich sichtlich über den Blumenstrauß.
Dass die Stadt von Beginn an fest an der Seite der Baugenossenschaft stand, betonte Bürgermeister Stefan Schmutz und versprach: "Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern." Er erinnerte an die Anfänge, als bereits 1920, nur ein Jahr nach der Gründung, die ersten Wohnungen bezugsfertig waren: "Das muss man sich mal vorstellen, heutzutage wäre das fast ein Ding der Unmöglichkeit."
Aktueller denn je sei jedoch das Ziel der Baugenossenschaft, ein zu geringes Angebot an bezahlbarem Wohnraum sei längst nicht nur in Großstädten ein Problem. In Ladenburg bewegten sich die Durchschnitts-Kaltmietpreise im Bestandsbau zwischen acht und neun Euro pro Quadratmeter. Was nachdenklich stimme, sei die Entwicklung, die Schmutz "kritisch" sieht. Denn in Ladenburg herrsche die höchste Dynamik im Vergleich mit umliegenden Gemeinden, konkret: "In Ladenburg wird’s schneller teurer", was eine Stadtgesellschaft langfristig verändere.
Schmutz war "überzeugt, dass wir dem als Kommune etwas entgegensetzen müssen"; Maßnahme im Neubaugebiet Nordstadt-Kurzgewann war daher eine für Investoren vorgegebene Quote für preisgünstigen Wohnraum mit Miet-Limit.
"Die Bemühungen der Stadt werden jedoch nicht ausreichen", sagte der Bürgermeister und zeigte sich daher froh über das langjährige Wirken der Baugenossenschaft, deren Mitgliederzahlen seit Jahrzehnten kontinuierlich stiegen. "Die Baugenossenschaft hat sehr viel geleistet", sagte Schmutz und dankte Vorstand und Aufsichtsrat, stellvertretend auch für die ehemaligen Amtsinhaber.
Auch Peter Bresinski, Verbandsvorsitzender der vbw (Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen), gab sich die Ehre und begrüßte die "Nachfolger und Profiteure der mutigen Gründer-Generation". 100 Jahre Genossenschaft seien eine "wahrhaftig einzigartige Leistung". Es gehe nicht um Gewinnmaximierung. Vielmehr gehören faire Preise und ein lebenslanges Wohnrecht zu den Grundgedanken.
Auf 316.000 bezifferte Bresinski die Zahl derjenigen, die derzeit Anteil an einer Wohnungsbaugenossenschaft in Baden-Württemberg haben. Wo es ohnehin zunehmend eng wird: Im September 2017 lebten hier über elf Millionen Menschen, und bis 2024 werde die Zahl laut Statistischem Bundesamt weiter steigen. Um den Bedarf zu decken, müssten jährlich 65.000 Wohnungen gebaut werden, tatsächlich sind es aber nur 38.000; dringend erforderlich seien dafür weitere Flächen. Für ihre Konzeptvergabe im Neubaugebiet attestierte der Kölner der Stadt Ladenburg vorbildliches Handeln.
Großen Anklang fand am Festtag auch die informative Jubiläumsschrift. Bei deren Konzeption war Walter Möll eine großartige Stütze und habe viel Zeit investiert, um die Historie aufzuarbeiten, wie Vroomen es in ihrem Dank an das langjährige Vorstandsmitglied formulierte. 2016 war Möll mit der silbernen Ehrenmedaille des Verbandes ausgezeichnet worden.
Die eigens vorbereitete Bildschirmpräsentation musste aufgrund der Helligkeit in die Abendstunden verschoben werden. Bis dahin gab es aber reichlich Gelegenheit für Austausch und Gespräche. Götz Speyerer hatte eingangs ausdrücklich um Anregungen seitens der Mitglieder gebeten, die hinsichtlich ihrer Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Baugenossenschaft gehört werden sollten.