Vor 70 Jahren lief die erste Kochshow im deutschen Fernsehen
Der Mann am Herd war Schauspieler und kredenzte Toast Hawaii und Heringssalat.

Von Cornelia Wystrichowski
Hamburg. Sie kochen, braten und flambieren, bis die Pfanne glüht, sind selten um einen lockeren Spruch verlegen und werfen ganz nebenbei noch jede Menge Kochbücher auf den Markt: Im deutschen Fernsehen brutzeln prominente Köche und Köchinnen wie Tim Mälzer, Steffen Henssler, Nelson Müller, Cornelia Poletto oder Frank Rosin rund um die Uhr.
Seit vielen Jahren brodelt der Kochboom im TV auf starker Flamme – doch seine Anfänge waren bescheiden und reichen in die graue Fernsehvergangenheit zurück: Vor 70 Jahren, am 20. Februar 1953, flimmerte die erste deutsche Kochshow über den Bildschirm, die fünfzehnminütige Sendung "Bitte in zehn Minuten zu Tisch". Fernsehkoch Clemens Wilmenrod bot seiner "werten Feinschmecker-Gemeinde" simple Rezepte wie Toast Hawaii, Rumtopf oder Heringssalat auf bretonische Art.
Es war ein weiter Weg von Wilmenrod, der gerne Hölderlin zitierte, bis zum derb fluchenden Tim Mälzer, der im Quotenhit "Kitchen Impossible" (Vox) um keinen Kraftausdruck verlegen ist. Der Ahnherr der deutschen TV-Köche stammte aus dem Westerwald, hieß eigentlich Carl Clemens Hahn und war gelernter Schauspieler. Als Wilmenrod nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Engagement dastand, machte er dem damaligen Hamburger Sender NWDR seine Idee einer Kochshow schmackhaft.
Wilmenrod eignete sich flugs die Grundlagen des Kochens an und eroberte ab Februar 1953, nur zwei Monate nach dem Start eines regelmäßigen TV-Programms in Deutschland, speziell die Herzen der weiblichen Zuschauer im Sturm.
Der Mann mit dem filouhaften Charme, der sein Publikum mit blumigen Floskeln wie "Liebe Brüder und Schwestern in Lucullus" begrüßte, garnierte seine Gerichte mit hochtrabenden Namen und Münchhausiaden, die das Bedürfnis jener Zeit nach Exotik bedienten. Ein schlichtes Hackfleischgericht nannte er etwa "Arabisches Reiterfleisch" und behauptete, er habe es im Libanon im Schatten eines Beduinenzelts kennengelernt. Dass seine Ehefrau Erika ihm Papptafeln hochhalten musste, damit der Kultkoch das Salzen nicht vergaß, störte anfangs keinen.
Das Kochen im Fernsehen traf den Geschmack des Publikums, immer mehr Fernsehköche eroberten den Bildschirm. So stand ab 1958 im DDR-Fernsehen Kurt Drummer in "Der Fernsehkoch empfiehlt" am Herd und in den 70er Jahren kochte Max Inzinger in der ZDF-Sendung "Drehscheibe". Sein Satz "Ich habe da schon mal was vorbereitet" ist bis heute unvergessen.
In den 90er Jahren begann dann der Boom der bis heute populären Kochshows, bei denen die Unterhaltung im Mittelpunkt steht. Alfred Biolek läutete 1994 mit "Alfredissimo" die Ära der Talk-Kochshows ein und beim "Kochduell" auf Vox wurde die Zubereitung von Speisen 1997 zu einem Wettstreit, der mit häuslichem Kochen so viel zu tun hat wie Wrestling mit echtem Sport.
Mittlerweile ist das Programm übersättigt mit Rezeptformaten – obwohl einer Studie zufolge in weniger als der Hälfte der Familien in Deutschland noch täglich gekocht wird. Was sich seit den Zeiten von Clemens Wilmenrod nicht geändert hat ist die Nähe von Küche und Kommerz.
Machte er damals dem Publikum im Auftrag eines Rumherstellers den Rumtopf schmackhaft, ist heute auf teuren Töpfen oder Backpulvertütchen das Logo des Herstellers erkennbar. Ganz zu schweigen von den Pfannensets und Gewürzmischungen, die unter dem Namen vieler TV-Köche auf den Markt kommen.
Das Leben von Clemens Wilmenrod, das 2008 im Film "Es liegt mir auf der Zunge" mit Jan Josef Liefers erzählt wurde, endete tragisch. Weil ihm seine Kritiker zunehmend Schleichwerbung, Dilettantismus und Rezepteklau vorwarfen, flog seine Sendung 1964 aus dem Programm. 1967 nahm er sich das Leben.