Arbeit zu finden, war für Ungarin ein Abenteuer
Seit 18 Jahren lebt Brigitta Koch in Heidelberg und fühlt sich inzwischen hier zu Hause. Nur über Parkscheiben im Auto wundert sich die gebürtige Ungarin noch immer.

Name: Brigitta Koch
Alter: 46
Geburtsort: Szentendre (Ungarn)
Beruf: Diplom-Betriebswirtin
In Heidelberg seit: 2010. Davor habe ich schon in unterschiedlichen Städten in der Region gewohnt.
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Ich bin nach Deutschland gekommen, weil ... die Leidenschaft nach Deutschland zu fahren und Verwandte zu besuchen schon in meiner Kindheit sehr präsent war. Meine Oma hat auch von "Grundbeeren" (Kartoffeln) geredet, hat mir "Schlof Kindlein, schlof…" vorgesungen und auf alle meine Fragen habe ich die Antwort "freilich" erhalten. Irgendwann hat mich diese Liebe dazu gebracht, den Koffer zu packen und zu kommen.
Meine Ankunft damals war … Nach einer sehr langen Busfahrt durch die Nacht bin ich damals vor 18 Jahren im Kraichgau angekommen und ich weiß noch ganz genau, dass es die erste Woche nur geregnet hat. Der Zwiespalt zwischen dem spannenden Neuanfang und dem Gefühl, meine Eltern in Ungarn zu lassen, war am Anfang sehr schwer.
Gab es Hindernisse? Obwohl ich schon drei Jahre in meinem Beruf in Ungarn gearbeitet habe, war es ein kleines Abenteuer, eine Arbeit hier in Deutschland zu finden. Als aus Ungarn Kommende hatte ich damals keine Arbeitserlaubnis, ich konnte nirgendwo "einfach" anfangen zu arbeiten. Nach sieben Monaten waren meine kleinen Ersparnisse auch weg und die Überlegung, in die Heimat zurückzukehren war da. Glück hatte ich, als ich trotz der bürokratischen Hürden einen Praktikumsplatz ergattert habe. Danach gab es einen Jahresvertrag und alles ging langsam vorwärts. Ich bin bis heute für den kleinen Zufall (gibt es überhaupt einen Zufall?) sehr dankbar.

Ist Deutschland ein Stück Heimat geworden? Zu Hause bin ich hier auf jeden Fall mit meiner kleinen Familie. Mein Heimat(ort) ist aber Budakalász in Ungarn.
Was macht hier das Heimatgefühl aus? Mein Heimatgefühl ist und bleibt eine sehr gemischte Sache. Kaum bin ich in Ungarn, vermisse ich es schon wieder, in Heidelberg zu sein.
Aus meiner alten Heimat fehlen mir in Deutschland besonders … meine Mama und meine Freundinnen. Spontan für einen Sonntagskaffee hinzufahren oder zusammen ins Kino zu gehen, ist leider nicht möglich. Dank der Technik heutzutage sind aber die mehreren hundert Kilometer gar nicht so weit weg.
Nie gewöhnen werde ich mich hier an … die Parkscheibe im Auto und die zu langen Entscheidungswege im Alltag.
Was ist Ihr Leibgericht aus Ungarn? Die gefüllte Paprika in Tomatensoße von Oma war immer das Beste für mich. Natürlich auch die leckeren "palacsinta" (Palatschinken) dazu. Beides koche immer sehr sehr gerne.
Und welche Musik aus Ungarn hören Sie am liebsten? Rock ’n’ Roll-Musik von der Gruppe "Hungaria" bleibt immer ein Liebling von mir.
Welche Traditionen aus Ungarn haben Sie mit nach Deutschland gebracht? Die Sprache und eine Leidenschaft: das Tanzen.
Wo genau pflegen Sie diese Traditionen? Ich bin seit über 15 Jahren aktives Mitglied bei der Ungarischen Pfadfindertruppe hier in Heidelberg. Bei unseren Treffen reden wir nur ungarisch miteinander. Die Kinder, die in der Diaspora auf die Welt kamen und dort leben, haben so eine tolle Möglichkeit, die Kultur von uns Eltern kennenzulernen, mitzugestalten und weiterzuleben. Das ist doch das schönste Geschenk, sich zwischen zwei Kulturen wohlzufühlen! Und das Tanzen: das ist für mich ebenfalls ein schönes Geschenk. Diese Liebe und Leidenschaft für Bewegung versuche ich auch Kindern bei Stunden im Sportverein und auch privat weiterzugeben.
Familiensprache ist bei uns zu Hause … Wir reden zu Hause Deutsch und auch Ungarisch.
Was hat sich in Ungarn seit dem EU-Beitritt verändert? Natürlich ist sehr viel modernisiert, neu gebaut und gepflegt worden. Die junge Generation hat eine europäische Einstellung und Sichtweise.
Und was können die anderen europäischen Länder von Ungarn lernen? Ich habe es damals so erlebt, dass das Zusammenhalten und das lustige Miteinander einen stabilen Hintergrund schaffen. Das sollten alle Nationen haben.
Fühlen Sie sich als Ungarin, Deutsche oder als Europäerin? Ich bin eine Ungarin, die in Deutschland lebt und ohne Grenzgefühle (auch) in ganz Europa reisen darf und aus allen diesen Kulturen das Beste genießen kann.
Was wünschen Sie sich für Europa? Ich wünsche mir, dass unsere Kinder so wie wir in Frieden miteinander leben können in Europa.
Wenn ich nach Ungarn fahre – was sollte ich dort gesehen haben? Auf jeden Fall sollten Sie in Budapest sein, schöne Cafés besuchen und im Sommer bei Sonnenuntergang im Balaton (Plattensee) baden.
Ungarn:
Einwohner: 9,7 Millionen
Fläche: 93.030 km2
Hauptstadt: Budapest